11.19
Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Es ist natürlich schon spannend: Ich dachte, wir hätten wirklich große Themen, die unsere Republik beschäftigen und die wir jetzt besprechen wollen. Dass das Hauptthema noch das Rauchen in Lokalen ist, hat mich jetzt doch etwas überrascht. Es ist natürlich ein Anliegen, das man hier vortragen darf, keine Frage, aber ich bin ein bisschen überrascht über die Schwerpunktsetzung gewesen.
Ich möchte mich bei Ihnen, Herr Bundeskanzler, ganz herzlich bedanken. Ich glaube, uns eint etwas, ich nehme es einmal an: Hätte man uns vor ein paar Monaten gesagt, es gibt einmal eine Regierungserklärung zum Kabinett Schallenberg II, hätten wir wahrscheinlich selbst nicht ganz geglaubt, dass das wirklich passieren würde. Es ist aber passiert und wir haben in dieser Republik in den letzten Jahren – das darf man schon so sagen – vieles erlebt, womit wir nicht rechnen konnten. Ich sage es einmal so: Wer weiß, wie lange Sie noch Bundeskanzler sind, denn nach dem, was man so hört, gibt es ja auch in den Regierungsverhandlungen zwischen der Freiheitlichen Partei und der ÖVP durchaus Krachen im Gebälk. Deswegen halte ich es auch für wichtig, zu sagen: Liebe ÖVP, es gibt nach wie vor Alternativen (Bundesrat Samt [FPÖ/Stmk.]: Welche?), die für ein modernes, ein progressives, ein faires und ein demokratisches Österreich stehen. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Das hat man in den letzten fünf Jahren gesehen! Ihr habt …!)
Ich möchte mich allerdings auch bei dem früheren Bundeskanzler Karl Nehammer bedanken. Ich halte es wirklich für wichtig, das zu sagen. Wir haben mit ihm als Innenminister und später mit ihm als Bundeskanzler nicht immer friktionsfrei zusammengearbeitet – das gehört ja auch zu einer Demokratie dazu, da muss man sehr oft diskutieren, da muss man auch sehr oft so lange streiten, bis man zu einer Lösung kommt –, aber Karl Nehammer hatte etwas, das ich in der Politik für eine der wichtigsten Eigenschaften überhaupt halte, und das ist Handschlagqualität. Die hatte er, und deswegen finde ich es auch wichtig, dass man sich bei ihm dafür bedankt.
Es waren ja auch fünf sehr intensive Jahre, das muss man schon auch sagen. Begonnen haben wir mit Bundeskanzler Kurz. Ich habe damals – im Gegensatz zu Herrn Himmer übrigens – tatsächlich über eine Regierung verhandelt. Ich erinnere mich, ich saß damals noch Minister Blümel und Herrn Sobotka gegenüber – alles Namen, die jetzt nicht mehr in der Politik sind. (Ruf bei der FPÖ: Gott sei Dank!) Das waren fünf Jahre, in welchen wir, als wir zu regieren begonnen haben, nicht wussten, dass dann eine Pandemie kommt, dass dann ein Angriffskrieg Russlands nicht nur auf die Ukraine, sondern mittlerweile auch auf unsere Infrastruktur kommt, dass es eine extreme Desinformationskampagne gibt, dass Techmilliardäre die Lust empfinden, mit oligarchischen Verhältnissen nicht nur die USA, sondern auch die Welt zu erobern, das muss man ganz klar sagen. Mit all diesen Fragen, auch betreffend die Teuerung und so weiter, die uns da begleitet haben, nein, damit hatten wir nicht gerechnet.
Eines unterscheidet uns schon: Wir hatten schon öfter Krisen in dieser Republik. 2008, 2009 – wir hatten damals noch eine SPÖ-ÖVP-Regierung – gab es die Finanzkrise. Viele von Ihnen – Herr Tiefnig war damals auch schon in der Politik – können sich daran erinnern. Auch damals mussten wir notgedrungen Milliarden ausgeben, auch damals mussten wir notgedrungen ein Budgetdefizit in Kauf nehmen, auch damals mussten wir notgedrungen die Maastrichtkriterien sozusagen überschreiten, und wir wussten: Das Land ist stark genug und ist voll von Menschen mit guten Unternehmen, mit Tatendrang und mit der Freude am Gestalten, sodass wir jegliche Krise meistern können. – Ich glaube das auch jetzt noch. Und das ist der Unterschied: Wir glauben an ein Österreich der Vielfalt, an ein Österreich des Unternehmertums und an ein Österreich der Hoffnung.
Ich kann jedem nur empfehlen, manchmal eine kleine Pause von der Politik zu machen und Kultur zu konsumieren. Gestern war ich im Burgtheater, und es gab eine übrigens sehr empfehlenswerte Vorstellung von „König Lear“ von Shakespeare. Darin gibt es diese herrliche Szene: Gloster, der ja von seiner eigenen Tochter – das muss man sich vorstellen – und ihrem Mann geblendet wird, sieht nichts mehr, sucht die Klippe bei Dover und findet einen Narren, der ihn begleitet, aber er erkennt nicht, dass es sein eigener Sohn ist, Edgar, der später die Krone kriegen wird, weil dann schon alle gestorben sind, und sagt zu ihm: „Das ist die Seuche dieser Zeit – Verrückte führen Blinde“. – Als ich diesen Satz hörte, dachte ich mir: Ah, den muss ich heute loswerden! Ich habe nämlich schon ein bisschen den Eindruck, dass wir in den letzten fünf Jahren viel Verrücktes hier im Bundesrat hören mussten: Fakten sind geleugnet worden, alternative Fakten sind verkauft worden und die ÖVP wurde gedemütigt, beschimpft, verleumdet und persönlich angegriffen. Dass ihr (in Richtung ÖVP) mit dieser Partei, die das die letzten fünf Jahre gemacht hat, jetzt Koalitionsverhandlungen eingeht: Ich kann einfach nicht verstehen, dass ihr euch das antut, aber das müsst ihr mit euch selbst vereinbaren. Die Wählerinnen und Wähler können es auch nicht verstehen.
Die FPÖ hat Wahlen gewonnen, das stimmt, das muss man auch anerkennen, das gehört zur Demokratie dazu. Es gehört zur Demokratie aber auch dazu, dass wir diese Anliegen mit aller Vehemenz kritisieren dürfen, und auch das werden wir uns nicht nehmen lassen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Aber eines möchte ich euch schon sagen, FPÖ, und da würde ich euch ein bisschen Demut vorschlagen: Ihr würdet jede Wahl in Österreich mit absoluter Mehrheit gewinnen, wenn die Wahl andersherum wäre: Wer soll auf gar keinen Fall regieren? Da würde die FPÖ mit haushohem Abstand auf Platz eins landen. Das muss euch bewusst sein: Es haben sehr, sehr viele Menschen in diesem Land Angst vor euch. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Vor euch!) In meiner eigenen Familie, in meiner eigenen Mitarbeiter:innenschaft gibt es Migrant:innen, gibt es Menschen unterschiedlichster Religionen, gibt es Menschen, die Holocaustüberlebende als Vorfahren haben, und sie haben wirklich große Angst vor Ihnen. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Wer die wahren Faschisten sind, hat man eh gesehen!) Es gibt Künstlerinnen und Künstler, die Angst vor Ihnen haben. Es gibt Menschen in Kreativberufen, die Angst vor Ihnen haben. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) Es gibt Menschen, die „Remigration“ hören und nicht wissen: Bin ich betroffen, ich, der im Krankenhaus arbeitet und alte Menschen pflegt? Die haben Angst vor Ihnen, das soll Ihnen nur bewusst sein. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Zuhören!) – Statt zu brüllen, gehen Sie hier heraus und sagen Sie diesen Menschen, dass sie keine Angst zu haben brauchen! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].) Das tun Sie aber nicht.
Auch die Jugend hätte gerne eine Zukunft in diesem Land, eine Zukunft, in der die Luft noch zu atmen ist, das Wasser noch zu trinken ist und die Natur noch zu genießen ist. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: ... 30 Milliarden Schulden von euch zurückzahlen!) – Weil ihr so gerne über die schwarz-grüne Regierung der letzten fünf Jahre schimpft: Die Emissionen sind 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 6,5 Prozent gesunken, und darauf können wir stolz sein. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Schmid [SPÖ/T]. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: ... Atomkraftwerk zu bauen!)
Der Großteil des Emissionsrückgangs ist auf die Klimaschutzmaßnahmen zurückzuführen (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ihr zerstört die europäische Wirtschaft auf Kosten …!), Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ. Es ist auf unsere Klimaschutzmaßnahmen zurückzuführen, das sagen alle Expertinnen und Experten – alle! (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Was heißt „alle“?!) Dieser gute Weg, FPÖ, dieser Zukunftsweg für unsere Kinder darf nicht verlassen werden! Wir brauchen weiterhin Klimaschutz, nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa, auf der ganzen Welt. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].)
Zu dieser Idee „Österreich zuerst“: Da sind wir ja eh alle dafür – na klar! –, aber wisst ihr, dieses Ausspielen, „Österreich zuerst“ und das Internationale sozusagen als Gegnerschaft des „Österreich zuerst“, das ist ein Irrtum. Kooperation, internationale Kooperation hat Österreich immer stärker gemacht. „Österreich zuerst“ heißt auch Kooperation zuerst, heißt auch Europa zuerst, heißt die Welt zuerst – das ist kein Widerspruch!
Es ist auch Tatsache, dass Sie in Ihrer Außenpolitik keine Russlandkritik wollen, dass Sie sogar einen Freundschaftsvertrag mit dem Kreml abgeschlossen haben. (Zwischenruf des Bundesrates Schennach [SPÖ/W].) Russland greift Europa direkt in einem Hybridkrieg an – nicht nur durch Trolle, nicht nur durch Desinformation, nein, es werden ganz konkret Kabel in der Ostsee von einer Schattenflotte Russlands zerstört. Das ist ein Angriff auf Europa, und das muss man auch beim Namen nennen. Wer das relativiert, den möchte ich nicht in einer Regierung sehen, ich sage das hier ganz klar. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Wer relativiert das?) – Ihr von der FPÖ! (Zwischenruf des Bundesrates Repolust [FPÖ/Stmk.].)
Meine Damen und Herren, wir leben in schwierigen Zeiten. Wir sehen auch, was Trump jetzt macht. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) Auch Trump greift Europa an (Bundesrat Pröller [FPÖ/OÖ]: Ja, alle!); er möchte sich jetzt Grönland unter den Nagel reißen. Wir alle wissen, was es in Grönland gibt: Bodenschätze. Wir wissen auch, was die Techmiliardäre wollen.
Musk mit einem österreichischen Künstler zu vergleichen, ist ja überhaupt eine Lächerlichkeit. Musk, der Milliarden Dollar in eine Meinungsplattform investiert, die durch Algorithmen die Meinung auf der ganzen Welt formen will, mit einer Österreicherin oder einem Österreicher zu vergleichen, die oder der einfach nur seine persönliche Meinung sagt, das allein finde ich schon verheerend. Das kann man doch bitte nicht vergleichen! (Beifall bei Grünen und SPÖ.)
Diese Techmiliardäre, Herr Kollege Spanring, wollen die Bodenschätze Grönlands, und sie werden dasselbe praktizieren, was auch ihr praktiziert, nämlich so lange die Meinung zu vergiften, bis das Meinungsspektrum insgesamt rutscht und man glaubt, dass es irgendwie normal ist, sich Grönland einfach einzuverleiben. Das werden wir uns aber nicht gefallen lassen, das dürfen wir als Europa uns nicht gefallen lassen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)
11.31
Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Franz Ebner.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.