RN/30
12.19
Bundesrat Dominik Reisinger (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Bundeskanzler! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Als Kommunalsprecher der SPÖ und mittlerweile auch langjähriger Bürgermeister darf ich ein für mich und für unsere Fraktion sehr wichtiges Thema ansprechen, das heute leider noch keinen Raum in dieser Debatte fand. Dabei geht es um die schwierigen Verhältnisse in Sachen Gemeindefinanzen.
Erinnern wir uns zurück: Der ehemalige Finanzminister Magnus Brunner hat ja nicht nur ein riesenriesengroßes Budgetloch im Ausmaß von 18 Milliarden Euro in unseren Staatsfinanzen hinterlassen, er ist auch hauptverantwortlich dafür, dass sich die Gemeindefinanzen in den letzten Jahren dramatisch negativ entwickelt haben.
Ich möchte heute die Gelegenheit nützen, an Sie, Herr Bundeskanzler, als Regierungschef einen dringenden Appell zu richten, denn die finanzielle Lage der Städte und Gemeinden hat einen absolut kritischen Punkt erreicht. Die Rücklagen der Gemeinden sind weitestgehend aufgebraucht, rund die Hälfte aller Gemeinden in Österreich wird heuer den Haushalt aus eigener Kraft nicht mehr ausgleichen können, und da läuten alle Alarmglocken in voller Lautstärke. Die Zahl der Abgangsgemeinden wird sich in den nächsten Jahren auch noch dramatisch erhöhen.
Damit einher geht ein Qualitätsverlust für Bürgerinnen und Bürger in vielen Gemeinden. Das heißt im Umkehrschluss, dass es unverzüglich Maßnahmen braucht, um die Finanznot abzufedern. Für die Gemeinden im Härteausgleich sind alle Einsparungsmöglichkeiten längst ausgeschöpft. Die Lage ist sehr ernst. Das werden mir hoffentlich viele Kommunalpolitikerinnen und -politiker auch hier im Raum bestätigen. Wir stehen vor einem Finanzkollaps, und die Grundversorgung ist massiv gefährdet. Das heißt, wir sprechen dann von schmerzhaften Leistungskürzungen für die Menschen, die ich und die wir als Kommunalpolitiker in keinem Fall wollen und daher verhindern müssen. (Beifall bei der SPÖ.)
Die sogenannte Daseinsvorsorge steht auf dem Spiel, und ich möchte die vielen Gesichter der Daseinsvorsorge beschreiben, denn wenn sich nichts ändert, wird es keine oder zumindest weniger Investitionen in Krabbelstuben, Kindergärten, Schulen, Kulturstätten, Sportanlagen, in Feuerwehren, in Vereine und in wichtige Infrastruktur wie Straßen und Wasserversorgung geben. Die Gründe sind alle bekannt, sie liegen auf der Hand – es ist keine Wissenschaft –, sie sind auch empirisch belegt, zum Beispiel durch das Zentrum für Verwaltungsforschung, kurz KDZ, und seit Jahren warnen wir als SPÖ-Fraktion in beiden Kammern hier im Parlament davor und bringen laufend Anträge dazu ein.
Ich bringe es noch einmal auf den Punkt, weil es sehr einfach zu erklären ist: Die Aufgaben und damit die Ausgaben der Gemeinden stiegen in den letzten Jahren rasant, und auf der anderen Seite sinken die Einnahmen. Das ist durch die Vorgängerregierung aus ÖVP und Grünen leider hausgemacht, und das wurde auch noch durch ihre Steuerreformen verschärft. Ich erinnere daran: Die Senkung der Körperschaftsteuer und auch die Abschaffung der kalten Progression ohne Gegenfinanzierung tun den Gemeindefinanzen nicht gut.
Besonders belastend sind dabei die Bereiche Gesundheit, Pflege, die Kinderbetreuung und vor allem auch die Landesumlagen. Das alles geht sich für die Gemeinden nicht mehr aus, das ist alles nicht mehr stemmbar. Genau deshalb brauchen wir dringend Maßnahmen, grundlegende Reformen, die sowohl die Qualität als auch die Finanzierung nachhaltig sichern. Aber: Keiner von uns kann zaubern. Wir wissen, Reformen sind notwendig, doch diese brauchen Zeit, und diese Zeit haben wir jetzt im Moment alle gemeinsam nicht.
Deshalb fordern wir erneut ein Gemeindehilfspaket als unverzichtbare Sofortmaßnahme. Wir fordern Direktzuschüsse in Höhe von 1,5 Milliarden Euro für die Kommunen, und zwar unbürokratisch und ohne Bedingungen. Ich darf daran erinnern – das ist doch ein wichtiges Detail –: In den leider gescheiterten Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS war dieses Thema, also diese 1,5 Milliarden, in einem Ampelsystem bereits auf Grün gestellt. Wir sind gespannt, wie sich in den derzeit laufenden Regierungsverhandlungen da vor allem die ÖVP, aber auch die FPÖ verhalten werden.
Ich darf resümieren: Österreich braucht starke Gemeinden. Das sichert die Lebensqualität der Menschen und vor allem auch die Zukunft unseres Landes. Wer bei den Gemeinden spart, der spart bei den Menschen, die dort leben – bei Kindern, Familien, bei den Vereinen, bei Einsatzorganisationen und bei Schulen und Kindergärten. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)
Deshalb appelliere ich, wie eingangs erwähnt, an Sie, Herr Bundeskanzler, dass Sie als Regierungschef Ihren Einfluss geltend machen und umgehend für eine Entlastung der Gemeinden kämpfen und sorgen – dieser Appell richtet sich selbstverständlich auch an die Regierungsverhandlerinnen und -verhandler –, denn nur so können wir in den Kommunen weiterhin die Grundlage für ein gutes Leben in Österreich gewährleisten.
Eines noch zum Abschluss: Städte und Gemeinden – auch das ist belegt – sind an und für sich der größte Investor, wenn man ihnen die Chance und die Möglichkeit dazu gibt. Deshalb sind starke Gemeindefinanzen und starke Gemeinden auch der effektivste Konjunkturmotor für unsere heimische Wirtschaft. Das unterstützt vor allem die regionalen Betriebe und sichert bekanntlich – auch ganz, ganz wichtig – effektiv Arbeitsplätze.
Deshalb bringe ich jetzt folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „finanziellen Ruin der österreichischen Gemeinden abwenden und ihre Handlungsfähigkeit sichern“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat ehestmöglich ein Gemeindehilfspaket zur Beschlussfassung zuzuleiten, mit dem den Gemeinden für das Jahr 2025 zusätzliche finanzielle Mittel von 1,5 Milliarden Euro zugänglich gemacht werden.“
Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ.)
12.27
Der Gesamtwortlaut des Antrages ist unter folgendem Link abrufbar:
RN/30.1
Vizepräsident Markus Stotter, BA: Der von den Bundesräten Dominik Reisinger, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „finanziellen Ruin der österreichischen Gemeinden abwenden und ihre Handlungsfähigkeit sichern“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Philipp Kohl. Ich erteile dieses.