12.40

Bundesrätin Mag. Bernadette Kerschler (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörende! Ich freue mich sehr, dass ich heute nach fast zehn Jahren im Steiermärkischen Landtag hier in der Länderkammer meine Erstrede halten darf. Ich muss sagen, dass ich nach einigen Stunden jetzt ein bisschen mit Sorge in die Zukunft blicke: erstens, weil der Ton hier nicht immer ein ganz freundlicher und zwischendurch ganz schön rau ist – ich bin ein bissl erstaunt –, und zweitens, das muss ich auch sagen, nicht ob der Regierungserklärung – darin waren doch einige Punkte enthalten, worüber ich sehr erfreut bin; vielen Dank, Herr Bundeskanzler und Außenminister –, sondern ob der Nachrichten, die uns in den letzten Tagen ereilt haben.

Ich mache mir ein bisschen Sorgen betreffend unsere Gesellschaft: Wo geht es hin? Wo geht es hin mit den Familien? Wo geht es hin mit den Frauen? Wo geht es hin mit unseren Kindern und unseren Jugendlichen? Wo geht es hin mit der Bildung? Wo geht es hin mit dem sozialen Zusammenhalt? Gesprochen ist leicht, gemessen werden wir, werden Sie an den Taten werden; nicht an dem Niedergeschriebenen, sondern an Ihren Taten. Der Wähler, die Wählerin hat immer recht, so ist es in der Demokratie, aber: Was kommt heraus? Welche Taten werden folgen? Was wird in Zukunft in unserem Land für die Frauen, für die Familien, für die Kinder getan?

Ich selbst bin zweifache Mutter, die immer berufstätig war, die immer ihre Leistung in die Gesellschaft eingebracht hat, die partnerschaftlich mit ihrem Mann die Familienarbeit, die Arbeit in sozialen Einrichtungen, in Vereinen, bei der Feuerwehr, die Arbeit mit den Kindern geteilt hat und das auch jetzt noch macht, obwohl die Kinder schon größer sind. Wie wird das in Zukunft ausschauen? Ich arbeite nebenbei mit arbeitssuchenden Frauen, mit Wiedereinsteigerinnen. Ich bin Volkswirtin, ich habe meine Diplomarbeit zur Frauenfalle bei einer Grundsicherung geschrieben – ich weiß, was es heißt, wenn Frauen keine echte Wahlfreiheit haben. 

Was heißt Wahlfreiheit? – Wahlfreiheit heißt flächendeckend gute Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen, flächendeckend gute Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen auch am Land. Ich komme aus der Südsteiermark, politischer Bezirk Leibnitz, an der Grenze. In der Steiermark kann man nachvollziehen, wer das macht, die Arbeiterkammer ermittelt das immer: Die roten Gemeinden setzen das sehr, sehr gut um: flächendeckend gute Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen anzubieten. (Beifall bei der SPÖ.) 

Erst dann kann man annähernd davon reden, dass es eine Wahlfreiheit gibt, wenn die Kinder in Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen, wo wir übrigens hervorragendes Personal haben, das nicht beschimpft werden sollte, dass es keine gute Arbeit leistet, sondern dem man danken sollte, versorgt werden können. Den guten Kindergartenpädagoginnen und guten Kindergartenpädagogen, Betreuerinnen und Betreuern, Kindergartenassistentinnen und -assistenten vielen Dank für die Arbeit, die sie tagein, tagaus leisten! (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrät:innen Schwarz-Fuchs [ÖVP/Vbg.] und Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

Wenn wir jetzt auf die Idee kommen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass jemand, Frau oder Mann, länger bei den Kindern zu Hause bleiben könnte, weil eventuell kein Geld mehr dafür vorhanden ist, dass die Gemeinden mehr Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen bauen können, dann frage ich: Wer hat denn das Geld verludert? Wir, die Sozialdemokratie? Wie lange sind denn wir schon in keiner Bundesregierung mehr? (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Sicher wart ihr dabei!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie lange sind wir in keiner Bundesregierung mehr? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Schauen wir einmal nach Graz, dann wissen wir, wie gut manche Parteien mit Geld umgehen können! (Beifall bei der SPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Halten Sie sich nicht zurück! Was hat denn die FPÖ mit dem Geld in Graz gemacht? Schauen wir einmal nach Graz! Jedenfalls: Wir sind schon länger in keiner Bundesregierung mehr. 

Wenn wir jetzt auf die Idee kommen, dass wir eine Wahlfreiheit zulassen, dann heißt das soziale Absicherung, sozialversicherungsrechtliche Absicherung, vollkommene sozialversicherungsrechtliche Absicherung – und keine Abhängigkeit. 

Was heißt denn das für unsere Volkswirtschaft, wenn wir gut ausgebildete Frauen und Männer vom Arbeitsmarkt fernhalten? Wie groß ist die Mangelliste von Berufsanwärter:innen, von Facharbeiter:innen? Uns fehlen ja die Leistungsträger:innen auch in der Wirtschaft, liebe Volkspartei. Was ist denn da auf einmal los? Brauchen wir niemanden mehr? 

Was hat die Frau Präsidentin heute bei Ihrer Antrittsrede gesagt? – „Erwerbstätige müssen die Sicherheit haben, dass ihre“ Pension gesichert ist, auch junge Menschen. Herzlichen Glückwunsch, Frau Präsidentin, aber wer bitte wird denn einzahlen? Auch die Frauen müssen die Sicherheit haben, auch junge Menschen – wie gesagt, ich bin zweifache Mutter – müssen die Sicherheit haben, dass die Pension gesichert ist, und dazu brauchen wir echte Wahlfreiheit, dazu ist es notwendig, dass alle Menschen in Österreich ihre Stärken und Potenziale in den Arbeitsmarkt einbringen können. Bitte denken Sie darüber nach! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte, dass wir in Österreich in einer fairen, sozial gerechten Gesellschaft leben können, wo sich alle Menschen – egal welches Geschlecht – aus allen Bundesländern gleich einbringen können und niemand in einem Abhängigkeitsverhältnis leben muss. Dafür stehe ich, dafür stehe ich als Steirerin, als Österreicherin und als Sozialdemokratin und besonders als berufstätige Frau! – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit! (Beifall bei der SPÖ.)

12.47

Vizepräsident Markus Stotter, BA: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Tiefnig. Ich erteile ihm dieses.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.