RN/17
11.09
Bundesminister für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport Vizekanzler Andreas Babler, MSc: Vielen Dank, Herr Vizepräsident! Werte Mitglieder des Bundesrates! Liebe Österreicherinnen und Österreicher und alle, die heute zusehen und in unserem wunderschönen Land leben. Erst vor wenigen Tagen bin ich im Plenarsaal des Nationalrates gestanden und habe eine ganz ähnliche Rede gehalten, wie ich sie auch heute halten werde – eine Rede, um mich als Mitglied der Bundesregierung, als Vizekanzler vor dem Parlament, vor den Abgeordneten, vor dem Bundesrat dieser Republik zu erklären. Und auch heute tue ich das wieder mit großem Stolz und großer Freude und als ehemaliger Abgeordneter und ehemaliges Mitglied hier im Bundesrat mit dem Versprechen, dass wir als Regierung dieses Hohe Haus würdigen werden. Wir werden Parlament und Oppositionsfraktionen ernst nehmen, Ihre Expertise wertschätzen und einbeziehen, denn hier im Parlament werden jene Kompromisse geschmiedet, die unsere Demokratie formen und die unser Land zu einem besseren Land machen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)
Für die Kompromisse, die Demokratie und für unser wunderbares Land: Dafür steht auch diese Koalition. Sie ist ein Symbol dafür, was möglich ist, wenn gleich drei Parteien das große Ganze über den Egoismus und die Engstirnigkeit heben und das Wohl der Republik gemeinsam in den Mittelpunkt stellen. Und genau das ist es, worum es uns als Regierung geht.
Wir haben uns nicht nur zusammengefunden, um eine große Gefahr für unsere Demokratie abzuwenden, nein, diese Koalition ist mehr als das: Sie stellt sich der Verantwortung, vor der sich andere gedrückt haben, der Verantwortung nämlich, gerade in schwierigen Zeiten kompromissbereit zu sein, eine breite Basis zu schaffen und jetzt das Richtige zu tun, für Österreich. „Jetzt das Richtige tun. Für Österreich“, genau so heißt auch unser Regierungsprogramm, unser gemeinsames Regierungsprogramm, das wir – der Herr Bundeskanzler hat es angesprochen – gemeinsam in vielen Stunden gestaltet, erstritten und finalisiert haben.
Man muss dazusagen, es ist weder zu 100 Prozent ÖVP noch zu 100 Prozent SPÖ oder NEOS, und das Besondere an diesem unseren Programm ist, es sind auch nicht einfach 33 Prozent, es ist nicht einfach ein Drittel von allem, sondern es ist viel mehr als das: Es ist gedruckte österreichische Tugend, ein großer Kompromiss konstruktiver Kräfte, meine Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)
Österreich ist immer dann am besten aus Krisen gekommen, wenn sich diese konstruktiven Kräfte zusammengesetzt und sie zusammengearbeitet haben. So haben wir die Erste Republik aus den Scherben der Monarchie heraus und die Zweite Republik aus den Trümmern des Faschismus heraus aufgebaut. Immer wenn wir das gemeinsam gemacht haben, wurden wir mit Jahren der Ruhe, Stabilität, des Wachstums belohnt. Meine Partei, die SPÖ, war dabei immer eine treibende Kraft. Deshalb können Sie sich darauf verlassen und darauf vertrauen: Wir schaffen das auch dieses Mal!
Ich verrate Ihnen aber kein Geheimnis, wenn ich sage: Leicht wird das alles nicht, für niemanden! Krisen und Kriege haben in Europa ihre Spuren hinterlassen, unsere Wirtschaft steckt fest. Wir werden alle gemeinsam die Hemdsärmel hochkrempeln müssen, wir werden alle gemeinsam anschieben müssen, damit wir den Wagen wieder raus aus dem Graben rauf auf die Straße bekommen. Und wenn alle anschieben müssen, dann gilt das auch ganz besonders für jene, die während der Krisen der vergangenen Jahre selbst keine Abstriche machen mussten, sondern im Gegenteil davon auch noch profitiert haben. Deren Schultern sind breiter und breiter geworden, auch in der Krise, daher ist es jetzt an der Zeit, zu sagen: Diese breiten Schultern können auch mehr tragen!
Darum werden beispielsweise auch Banken mit einer angemessenen Bankenabgabe zur Konsolidierung, zur Sanierung dieses Budgets ihren Beitrag leisten; auch Privatstiftungen, Immobilien und Energiekonzerne, sie alle müssen einen solidarischen Beitrag leisten, denn es sind die Beiträge jener, die wie gesagt auch die Krisen der letzten Jahre für sich nutzbar gemacht haben. Diese müssen jetzt auch Spielraum dafür schaffen, das Leben für viele auch wieder verbessern zu können; zum Beispiel mit dem schon angesprochenen zweiten freien Kindergartenjahr für eine Freiheit für die Frauen, sich für den Beruf und damit für eine eigenständige finanzielle Zukunft zu entscheiden; zum Beispiel mit der Aktion 55 plus für ältere Langzeitarbeitslose; zum Beispiel aber auch durch eine Sache, die Hunderttausenden Menschen in unserem Land sofort hilft und das Leben für sie wieder leistbarer macht, nämlich das Ende des scheinbar, aber eben auch nur scheinbar unaufhaltsamen Anstiegs der Mieten.
Wir verhindern jetzt, dass die Mieten schon im April wieder um weitere 3 Prozent steigen. In einem ersten Schritt ist uns dieser Mietpreisstopp für Kategoriemieten, Richtwertmieten und Mieten in ausfinanzierten gemeinnützigen Wohnbauten gelungen, bei Neubauwohnungen wollen und werden wir ihn noch folgen lassen. Wohnen wird damit wieder leistbar, Hunderttausende Menschen in Österreich werden dadurch entlastet. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
Und genau das ist es, worum es mir geht, warum es mir auch so wichtig war, dass die Sozialdemokratie Teil einer soliden Regierung wird: um das Leben für die vielen wieder leistbarer zu machen. In Zukunft sollen sich Menschen nicht mehr um die Politik kümmern müssen, sondern es muss umgekehrt sein, die Politik muss sich wieder um die Menschen kümmern. Das ist mein Anspruch, das ist jetzt unser gemeinsamer Anspruch, und Sie werden uns daran auch messen können, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)
Das gilt auch in vielen anderen Politikbereichen: zum Beispiel mit einer Frauenpolitik, die diesen Namen auch wirklich verdient, mit Lohntransparenz, mit Plan gegen Männergewalt, mit Primärversorgung für Frauen und Gewaltambulanzen. Die Frauenministerin hat sich da viel vorgenommen und kann bei jedem einzelnen dieser Projekte auch auf meine persönliche und politische Unterstützung zählen.
Oder: in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, wo wir verstärkt auf Vermittlung und Qualifizierung setzen wollen. Es ist nämlich auch da Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass alle ihre Chance am Arbeitsmarkt bekommen, eben weil sie sich weiterbilden können, dadurch gut ausgebildet sind und weil dann auch die richtigen Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Genau das ist unser Zugang: Wir wollen Chancen schaffen und in einer immer komplexer werdenden Arbeitswelt niemanden mit den Sorgen um einen Arbeitsplatz alleine lassen – einen Arbeitsplatz mit einem Einkommen, von dem man auch leben kann, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)
Gleiches gilt auch bei der Integration. Natürlich ist es Pflicht für jene Menschen, die zu uns kommen und sich in Österreich zurechtfinden wollen, in Österreich auch mit anzupacken, ihren Teil und damit in Folge auch ihren Steuerbeitrag zu leisten, aber auch da gilt: Wir dürfen sie nicht alleine lassen, wir müssen ihnen zeigen, wo und wie sie mit anpacken können, wenn sie Teil der österreichischen Gesellschaft geworden sind. Deshalb haben wir im Regierungsprogramm gemeinsam die Integrationspflicht ab Tag eins vereinbart. Das bedeutet, wir, die Gesellschaft, der Staat, müssen die Angebote zur Verfügung stellen, aber jene, die zu uns kommen, müssen diese Angebote auch nutzen. Und wer das nicht tut, der hat auch mit Sanktionen zu rechnen. Das ist der gemeinsame Kurs dieser Bundesregierung in der Frage der Integration: Möglichkeiten zu geben, Möglichkeiten einzufordern. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)
Das war ein kurzer Streifzug durch die 211 Seiten des gemeinsamen Regierungsprogramms, das wir erarbeitet haben. Sie merken, jeder hat seine Priorisierung, auch aufgrund unterschiedlicher Parteirealitäten, aber wir haben das Gemeinsame gefunden und – wie der Herr Bundeskanzler gesagt hat – auch den Zugang, uns miteinander weiterzuentwickeln, dem anderen auch Erfolge zu gönnen. Nur so kann man auf Augenhöhe eine tragfähige Regierungsarbeit im Sinne des Kompromisses, im Sinne des Zusammenfindens in der gesellschaftlichen Mitte einer Bundesregierung auch tatsächlich in Umsetzung bringen.
Vieles ist gelungen, und wir haben letztlich die besten Kompromisse herausbekommen. Man kann es nicht hoch genug schätzen, was die besten Kompromisse eines gemeinsamen Weges für die Zukunft, für die Lebensrealitäten jedes Einzelnen in diesem Land bedeuten können.
Ich möchte mich ganz explizit bedanken: stellvertretend natürlich bei dir, Herr Bundeskanzler, für diese gemeinsame Reise durch die Verhandlungen und in die Zukunft dieser Republik, und heute stellvertretend für deine Parteichefin und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger auch bei dir, Herr Staatssekretär, für wirklich konstruktive Verhandlungen in einer freundlichen und freundschaftlichen Atmosphäre. Ich bin sehr optimistisch, dass wir darauf fünf Jahre gute Regierungsarbeit aufbauen können. Ich gehe jedenfalls mit Mut und mit Zuversicht in diese Zeit, die vor uns liegt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrät:innen Sumah-Vospernik [NEOS/W] und Hauschildt-Buschberger [Grüne/OÖ].)
11.19
Vizepräsident Michael Wanner: Danke, Herr Vizekanzler, für die Ausführungen.
Ich erteile nun dem Herrn Staatssekretär in Vertretung der Frau Außenminister zur Abgabe einer Erklärung das Wort.