RN/22

12.26

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Minister:innen und sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ich werde meine Rede nicht ganz so lang machen, weil ich finde, man sollte auch eine gewisse Kollegialität anderen Rednerinnen und Rednern gegenüber an den Tag legen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) Ich glaube auch nicht, dass ich der einzige Weise in diesem Haus bin.

Es tut schon weh, Herr Kollege Spanring, es tut schon weh. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Es tut mir leid, dass es weh tut!) Wir wissen alle, dass die FPÖ bei dieser Wahl Nummer eins geworden ist – das muss man anerkennen, und das wissen wir auch. Wir müssen auch analysieren, woran das liegt, mit welcher Themenlage das passieren konnte. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Wenn ihr das noch immer nicht wisst ...!) Aber wenn man natürlich, so wie die FPÖ, knapp vor dem Ziel einfädelt, dann fädelt man ein, dann kommt man nicht ins Ziel. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

So viel Wehleidigkeit habe ich hier in diesem Haus überhaupt noch nie gehört. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von Grünen, ÖVP und SPÖ.) Das muss man schon einmal so in dieser Deutlichkeit sagen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

Eines, Herr Kollege Spanring – und dann lasse ich das auch, weil man zu dieser langen Rede auch nicht mehr zu sagen braucht –, muss ich schon sagen: zu dem, was ihr Einheitspartei nennt. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ja! Das ist Einheitsbrei!) Wir haben jetzt ja fünf Jahre lange regiert. Da hatten wir schon viele Themen, bei denen wir ganz schön gestritten haben, würde ich einmal sagen. (Heiterkeit des Bundesministers Karner.) Lobauautobahn, Renaturierung (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ]) – mir fallen da schon ein paar Sachen ein, da haben wir ganz schön austeilen müssen. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Lobau habt ihr verhindert! – Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) Mit der SPÖ waren wir auch nicht immer einer Meinung. Mit den NEOS bin ich schon lange bei manchen Punkten nie einer Meinung und bei manchen schon.

Aber es gibt tatsächlich etwas, was uns eint und uns von euch unterscheidet, nämlich dass wir die Staatsinteressen vor Parteiinteressen stellen (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W]) und dass wir immer versuchen, statt die Bevölkerung zu spalten, Feindbilder zu finden und auf Menschen zu treten, das Gemeinsame zu finden und wieder für ein zuversichtliches und gemeinsames Österreich einzustehen. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Das habt ihr bei Corona gut hingebracht!) Das wird der Unterschied in der Oppositionsarbeit sein. Diese Regierung wird zwei Oppositionsparteien in diesem Haus erleben: Euch - - (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ihr seid ja gar keine! Ihr seid gar keine! Ihr stimmt überall zu! Ihr stimmt überall zu!) – Nein, wir sind Opposition, das kann ich dir jetzt schon versprechen, Herr Kollege Spanring, die Grünen werden eine Oppositionspartei sein, nur werden wir nicht so sein wie ihr, weil wir die Staatsinteressen immer vor unsere eigenen parteipolitischen Interessen setzen werden. (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Na geh! – Weiterer Zwischenruf der Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.].) Das verspreche ich euch. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

Das genügt auch zur FPÖ. Ich möchte mich als Bundesrat vor allem freuen, dass zwei ehemalige Bundesräte hier auf der Regierungsbank Platz nehmen. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ.)

Frau Kollegin Schumann: Darf ich überhaupt noch Kollegin sagen? Ich glaube schon, gell? (Bundesministerin Schumann: Klar!) Wir haben alle mitbekommen, mit welchem Engagement, mit welcher Verve und mit welchem sozialen Gewissen hier immer argumentiert wurde, und daher wünsche ich Ihnen in diesem Sinne alles, alles Gute für die verantwortungsvolle Aufgabe, die Ihnen bevorsteht.

Bei Andreas Babler möchte ich mich natürlich auch herzlich bedanken. Wir haben uns innerhalb der Fraktion ein bisschen den Spaß erlaubt, uns zu überlegen, ob die Vizekanzlerschaft zu mehr Reden im Bundesrat führen könnte. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ sowie des Vizekanzlers Babler. – Ruf: ... Staatssekretär! – Heiterkeit des Redners.) – Ah, ihr schickt den Staatssekretär, das habe ich befürchtet. Ich wünsche jedenfalls alles Gute für die Vizekanzlerschaft und vor allem für ein Thema, das auch für unseren Staatssekretär von den NEOS, Herrn Schellhorn, wichtig ist, nämlich Kunst und Kultur.

Kunst und Kultur ist für mich ja auch ein sehr wichtiges Thema. Ihr wisst es, ich habe hier im Bundesrat immer wieder heißblütig zu diesem Thema geredet, und da hoffe ich sehr stark, dass dieses Fair Pay, das wir mit Andrea Mayer hier vorbereitet haben, in der Kulturpolitik weitergeführt wird.

Und nicht vergessen, das wissen wir aus unzähligen Studien: Jeder Euro, den man in die Kultur und in die Kunst investiert, kommt dreimal zurück, und da habe ich das intellektuelle Zurückkommen noch gar nicht mitgerechnet. Ich finde, es ist ganz wichtig, dass man das immer wieder betont.

Ich freue mich, dass es diese Regierung gibt. Das haben wir Grüne immer gesagt, auch wenn wir bereit gewesen wären, weiterhin Verantwortung zu übernehmen.

Ich freue mich, weil ich es für ganz wichtig halte, dass wir, obwohl wir in einer immer stärker pluralisierten Gesellschaft leben, in einer Gesellschaft, in der Gegensätze stärker zelebriert werden als das Gemeinsame, immer noch in einer Demokratie leben, in der verschiedene Parteien mit verschiedenen Interessen zusammenfinden können, konstruktiv miteinander verhandeln und einen Konsens, einen Kompromiss finden können.

Wir wissen, wie schwierig diese Verhandlungen waren. Es war ja eine lange Serie, in drei Staffeln. Man muss hier auch sagen: In einer Demokratie, in der die stärkste Partei 28 Prozent hat, gibt es 72 Prozent, die andere Parteien gewählt haben, und es ist natürlich immer demokratisch legitim, zu sehen, wo es die größte Schnittmenge gibt und wer am besten zusammenarbeiten kann – und liebe FPÖ, das wart nicht ihr!

Wir Grüne – wir sind ja leider keine Fraktion mehr, aber vielleicht ändert sich das ja doch noch, wir sehen uns jedenfalls als Fraktion – möchten natürlich sehr konstruktiv beitragen, sei es auch bei Zweidrittelmaterien, und wir werden eine sehr konstruktive Opposition sein.

Eines finde ich ganz wichtig, und das ist auch betont worden: Wir haben eine proeuropäische Regierung. Wir leben in einer Welt, in der der europäische Zusammenhalt so wichtig sein wird wie vielleicht seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Das muss man einfach in dieser Deutlichkeit sagen.

Disruptive Kräfte gibt es jetzt global. So gibt es in den USA schon seit Langem Überlegungen, inwieweit es noch eine transatlantische Zusammenarbeit geben soll, und diese ist mit Trump und seiner disruptiven Politik nun tatsächlich infrage gestellt.

Apropos Trump: Trump hat in seinem Land einen Begriff benutzt, den auch die FPÖ gerne benutzt, nämlich dass man einen tiefen Staat zerstören wolle. Den Begriff haben Sie, Kollege Spanring, ja auch hier im Bundesrat sehr oft verwendet. Und was hat Trump gefunden? – Nationalparkranger hat er gefunden, Meteorologen, Menschen, die vor Erdbeben warnen, Universitätsprofessoren. Das ist der Deep State, von dem er immer gesprochen hat, und den zerstört er.

Das wollen wir sicher nicht. Wir wollen ein Europa, das für die Wissenschaft, für das Miteinander arbeitet. Das ist besonders notwendig wegen dieser disruptiven Tendenzen in den USA und wegen dieses Angriffskriegs, den Russland führt.

Russland will Europa zerstören, da brauchen wir uns überhaupt keine Illusionen zu machen. Die zerstören unsere Infrastruktur, die haben eine Schattenflotte, um Elektrokabel zu zerschneiden. Das macht Russland: einen hybriden Angriffskrieg auf Europa. Die wollen uns zerstören. Die Verhältnisse sind volatil wie noch nie, und Europa ist notwendig wie noch nie.

Ich möchte, auch weil Sie es angesprochen haben, Herr Bundeskanzler, das Thema Sky Shield betonen. – Liebe FPÖ! Das finde ich ja besonders patriotisch, wenn ihr gegen die Verteidigung von Luftraum seid. Das ist eine sehr unpatriotische Aktion eurerseits. (Bundesrat Samt [FPÖ/Stmk.]: ... keine Ahnung! ... gescheiter von der Neutralität!) – Ich habe eine Ahnung. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ] – erheitert –: Du warst sicher beim Bundesheer, dass du dich so gut auskennst!)

Zum Budget: Es ist ja überhaupt keine Frage, dass wir, egal wer jetzt regiert hätte, das Budget hätten angehen müssen. Das wissen ja auch wir Grüne. So ein Minus von 2 Prozent beim Wirtschaftswachstum ist natürlich etwas, das man spürt, überhaupt keine Frage. Ich bin da aber zuversichtlich. Das Kaputtreden bei diesem Thema finde ich einfach verantwortungslos.

Da muss ich sagen: Was wir schon für Krisen in dieser Republik durchgestanden haben! Ich war schon während der Bankenkrisen in diesem Haus, als noch größere Milliardenlöcher im Budget waren, und auch das haben wir hinbekommen – und wir werden es auch dieses Mal schaffen.

Eines ist sicher: Wir werden natürlich weiterhin sagen: Man darf nicht auf Kosten des Klimaschutzes Budgetpolitik machen, denn das gefährdet die Budgets der Zukunft. Nichts ist teurer, als keinen Klimaschutz zu machen. Wir wissen aus unzähligen Studien, dass kein Klimaschutz das Teuerste ist, was es gibt, weil es die Kosten der Zukunft verursacht, und das können wir unseren Kindern und Enkeln nicht antun. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Ich denke hier jetzt zum Beispiel an eine Abschaffung des Klimabonus, der auch eine sehr soziale Maßnahme ist, das hat ja sogar der unabhängige Budgetdienst festgestellt. Ich denke an das Dieselprivileg, das man im Gegensatz dazu locker hätte abschaffen können, damit wir den Transit durch Österreich nicht mehr mitfinanzieren, und so weiter.

Ich möchte aber, und das ist wichtig, auch Lob aussprechen: Die Umsetzung der Generalstaatsanwaltschaft steht im Regierungsprogramm, und das haben wir mit Alma Zadić in die Wege geleitet. Da hat es ja einen Prozess mit ganz vielen Expertinnen und Experten gegeben, und ich glaube, das ist wirklich, wirklich ein sehr guter Schritt für die Rechtsstaatlichkeit in diesem Land. Das begrüße ich außerordentlich. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

Die Umsetzung der Kindergrundsicherung steht im Programm. Das begrüßen wir außerordentlich. Das basiert ja auch auf einer Arbeit und einer Vorleistung, die gemacht worden ist.

Ich möchte natürlich sagen, und das ein bisschen auch als betroffener Staatsbürger, dass die Punkte im LGBTIQ-Bereich im Regierungsprogramm sehr begrüßenswert sind. Ich denke an die Gratis-Prep, die von Johannes Rauch eingeführt wurde, die weitergeführt wird, damit HIV endlich nur noch in den Geschichtsbüchern steht und nicht mehr die Menschen betrifft. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Wir alle hier im Bundesrat sind nicht nur Politikerinnen und Politiker, sondern auch Staatsbürger und Staatsbürgerinnen. Deswegen, auch wenn ich in Opposition bin, kann ich mir doch nur wünschen, dass wir eine Regierung haben, die eine gute Arbeit macht. In diesem Sinne: Alles Gute für diese Arbeit! – Danke schön. (Beifall bei Grünen, ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Schennach [SPÖ/W]: Die Regierung applaudiert sogar der Opposition! – Bundesrat Schreuder [Grüne/W] – auf dem Weg zu seinem Sitzplatz –: So schaut’s aus, Einheitspartei! – Heiterkeit bei Grünen und SPÖ. – Bundesrat Schennach [SPÖ/W]: Sowohl ÖVP als auch wir haben applaudiert! – Bundesrätin Grimling [SPÖ/W]: Eine Einheitspartei!)

12.37

Vizepräsident Markus Stotter, BA: Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Sumah-Vospernik. Ich erteile es ihr.