RN/26
13.08
Bundesrätin Gabriele Kolar (SPÖ, Steiermark): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundeskanzler! Lieber Herr Vizekanzler! Lieber Herr Staatssekretär! Liebe Frau Bundesministerin, mein Herz schlägt heute ganz schnell, weil wir sehr stolz sind, dass du unsere Ministerin geworden bist! Geschätzter Herr Minister (in Richtung Bundesminister Karner), wir kennen uns auch schon ein paar Jährchen! Liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Zuhörerinnen und Zuhörer! Bevor ich in das Hauptthema meiner Rede einsteige, möchte ich mich recht herzlich für die Reden zur Regierungserklärung bedanken: Es war wirklich sehr interessant. Ein großes Thema, das mir seit vielen Jahren am Herzen liegt, wurde hier jetzt nicht explizit behandelt, aber ich werde gleich darauf eingehen.
Ich möchte aber zu Beginn eines sagen, und zwar: Herr Kollege Himmer hat in seiner Rede ganz stolz gesagt: Der Herr Bundeskanzler ist ein ehemaliger Vizebürgermeister – das war ich übrigens auch, und zwar in Judenburg; darüber war ich auch sehr glücklich –, und er versteht es natürlich, die Menschen an der Basis abzuholen – herzliche Gratulation! –, aber – und jetzt kommt mein Aber – ich bin noch ein bisschen mehr stolz: Als Sozialdemokra:tinnen haben wir einen Vizekanzler, der einmal beziehungsweise noch vor nicht allzu langer Zeit einer der erfolgreichsten Bürgermeister war. – Lieber Andi Babler, danke für deine vielen erfolgreichen Jahre als Bürgermeister! (Beifall bei der SPÖ.)
Ich darf wieder zu Ihnen kommen, geschätzter Herr Bundeskanzler: Bei der letzten Sitzung des Nationalrates, während der Regierungserklärung, hat man Ihnen angesehen, dass es Ihnen nicht sehr gut geht – ich habe das alles via Livestream mitverfolgt. Damit bin ich schon bei meinem Thema: Es ist alles gut, aber ohne Gesundheit ist gar nichts gut. Das ist mein Thema. Und da bedanke ich mich gleich vorab bei dir, geschätzte Frau Bundesministerin Korinna Schumann, und auch bei der Staatssekretärin für dieses große, schwere Thema, das ihr sozusagen zu stemmen habt.
Die Gesundheitsversorgung ist, vielleicht nicht in den Großstädten, aber in den Regionen wirklich sehr prekär, da werden Sie mir alle recht geben. Es ist nicht fünf vor zwölf, es ist bereits fünf nach zwölf. (Bundesrat Thoma [ÖVP/Vbg.] schüttelt den Kopf.) – Der Herr Kollege hinten schüttelt den Kopf, wir werden uns dann vielleicht in einem Nischengespräch ein bisschen darüber unterhalten. (Bundesrat Thoma [ÖVP/Vbg.]: ... super funktioniert, von A bis Z!)
Wichtig ist mir einmal, zu sagen, ich komme aus einer Region, in der wir Hausärzte nicht mehr nachbesetzen können. In der Steiermark gibt es Gott sei Dank die Möglichkeit, über die Barmherzigen Brüder und über die PVEs, die Primärversorgungseinheiten, nachzujustieren. Ich bin ganz stolz, Ihnen berichten zu dürfen, dass die Steiermark in der letzten Regierungsperiode 20 Primärversorgungszentren eröffnet hat, die meisten Primärversorgungszentren österreichweit – außer der Stadt Wien natürlich. Das sind ganz wichtige Einrichtungen. Für mich ist das Thema Kassenärzte ganz wichtig. Das war immer ein Steckenpferd von mir, weil ich gerade in Zeiten der Teuerung gesehen habe, wie wichtig es ist, Kassenärzte zu haben, damit sich die Menschen die ärztliche Versorgung leisten können. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir haben natürlich Wahlärzte genug, aber wie gesagt, da muss man, wenn man hingeht, sofort Geld auf den Tisch legen, und das ist nicht im Sinne der Allgemeinheit, dass Menschen, wenn sie in großer gesundheitlicher Not sind, nur mit der Kreditkarte einen Eintrittsschein bekommen. Ich darf Ihnen berichten – das ist ganz wichtig –, dass wir einen enormen Fachärztemangel im Bereich Gynäkologie, bei den Zahnärzten, den Kinderärzten, und, dahin gehend ist es in meiner Region ganz prekär, im Bereich der Urologie haben.
70 000 Einwohner gibt es im Bezirk Murtal – das sind zwar nicht alles Männer, aber ich sage das, damit Sie wissen, wie groß mein Bezirk ist – und nur einen Urologen, der 65 Jahre alt ist und gedenkt, in Kürze in Pension zu gehen.
Zufällig – wirklich zufällig – zu meinem heutigen Thema passend hat mich gestern die Tochter eines 90-jährigen Mannes angerufen und mir gesagt: Frau Kolar, bitte tun Sie etwas, wir brauchen dringend einen zweiten Urologen in der Region! Ich habe 40-mal versucht, gewisse Ärzte anzurufen – nicht diesen einen Arzt; da haben wir eh schon gewusst, dass er überlastet ist –, im Bezirk Murau, in Leoben, bis nach Kapfenberg – die gesamte Obersteiermark wurde kontaktiert –, und es war nicht möglich, für diesen 90-jährigen Mann, der dringend einen Urologen gebraucht hätte, einen Termin ohne drei, vier Wochen Wartezeit zu bekommen.
Diese Frau war wirklich verzweifelt. Da ich in Kürze zum Thema Gesundheitsversorgung in der Region wieder eine Pressekonferenz geben werde, habe ich sie dazu eingeladen, und diese Dame hat mir versprochen, dass sie dabei sein wird, denn ich weiß, nur wenn Betroffene sich auch zu Wort melden, wird sich in der Politik etwas bewegen. Das wollen wir in Zukunft nicht mehr. Mit Blick auf diese Bundesregierung hoffe ich, dass wir die Menschen nicht länger vor die Medien bringen müssen, um zu zeigen, wie es in unserem Land ausschaut.
Liebe, geschätzte Frau Bundesministerin! Wir vertrauen auf dich, darauf, dass du – es ist wirklich kein leichtes Thema, das wissen wir – das Thema wirklich mit Herzblut angehst, gemeinsam mit der Staatssekretärin.
Es ist so: Wenn wir keine Kassenärzte, im niedergelassenen Bereich zu wenige Ärzte haben, was passiert dann? – Dann suchen natürlich alle die Ambulanzen auf. Das ist der nächste Schritt, das heißt, die Spitalsambulanzen sind überfüllt, dort haben wir das nächste Problem. Es gibt zu wenige Ärzte, es gibt zu wenig Pflegepersonal, und deswegen ist es ganz wichtig, dass wir das – darauf komme ich dann später –, was schon in der Regierungsvereinbarung drinnen steht – dazu werde ich auch später noch kommen –, auch umsetzen.
Die Pflegeheime, auch das ist ein großes Thema: Wir haben genug Pflegeheime, die sind wie die Schwammerl aus dem Boden geschossen. Das, was wir aber nicht haben, ist das Pflegepersonal. Wir haben viele gesperrte Betten – Ernest (in Richtung Bundesrat Schwindsackl [ÖVP/Stmk.]) nickt auch, er kennt die Situation in unserer Steiermark sehr gut –, das heißt, wir brauchen auch dringend Lösungen, dass wieder mehr Menschen in die Pflege gehen. Auch das steht im Regierungsprogramm.
Ein ganz großes Herzensanliegen sind mir, davon habe ich heute noch gar nichts gehört, Menschen mit Behinderung. Menschen mit Behinderung im medizinischen Bereich zu helfen, ist ganz, ganz schwierig. Viele werden abgewiesen, viele Ärzte trauen sich nicht drüber, weil sie die Ausbildung nicht haben. So sind natürlich die Arzttermine von Menschen mit Behinderungen erstens einmal hauptsächlich in Graz – bei mir in der Steiermark, ich kann nur von der Steiermark sprechen –, und dann gibt es sehr, sehr lange Wartezeiten. Das ist für diese Menschen und ihre Angehörigen wirklich sehr, sehr schlimm.
Ich habe es geschafft – ich darf wirklich sagen, ich habe es geschafft, weil das in meiner Zeit im Landtag Steiermark Thema war –, mit großem Druck eine Ambulanz für Menschen mit Behinderung in meine Region zu bekommen. Das ist wirklich eine große Erleichterung, dort können sie hinkommen, dort wird sofort geschaut: Wie dringend ist dieser Termin?, und es wird auch geschaut, dass man schnell einen Termin bekommt.
(Auf das blinkende rote Lämpchen auf dem Redner:innenpult blickend:) Leuchtet es schon? Habe ich schon so lange geredet? (Bundesrat Schennach [SPÖ/W]: Ja, ja!) – Ja, um Gottes willen, wenn ich in dieser Leidenschaft bin, dann kann ich nicht mehr aufhören. (Heiterkeit bei der SPÖ.) – Gut, dann langer Rede kurzer Sinn, ich werde jetzt weitermachen: Die Menschen in unserem Land erwarten Lösungen, alle erwarten Lösungen. Wir, Herr Bundeskanzler, tun uns ein bissl leichter, wir können uns auch eine andere Versorgung leisten, wir brauchen aber für die vielen, die es sich nicht leisten können, Lösungen. Das steht im Regierungsprogramm drinnen und dafür bin ich sehr, sehr dankbar.
Es wird einen Ausbau des niedergelassenen Bereiches, nämlich, ich habe schon davon gesprochen, der Primärversorgungszentren, geben. Es wird ab 2026 einen mit 50 Millionen Euro dotierten Innovationsfonds geben.
Was auch immer in aller Munde ist, ist der Ausbau der Telemedizin. Da sind die Menschen am Land noch nicht so weit. Sie sagen: Ist das etwas Gescheites? Telemedizin, das klingt schon so, das klingt nicht nach guter Behandlung vom Hausarzt und Zuspruch! – Das ist aber die Zukunft, das wissen wir.
Die Erstversorgungszentren: Um die Ambulanzen, die Notfallambulanzen zu entlasten, ist das auch eine ganz wichtige Lösung im Regierungsprogramm. Unsere Krankenhäuser, die Spitalsambulanzen sind überlastet, darüber habe ich schon gesprochen. Es ist ganz wichtig, dass wir in diesen Erstversorgungsambulanzen 60 Prozent der Patient:innen behandeln können und sie nicht in eine Notfallambulanz überweisen müssen.
Was natürlich ganz wichtig ist: Es wird immer wieder gesagt oder erzählt, dass wir genug Ausbildungsplätze für Ärzte haben, dass genug Plätze da sind – aber wo bitte sind die Ärzte? Das ist wirklich ein schwieriges Thema, ich habe auch im Landtag Steiermark immer diese Forderung gehört: mehr Ausbildung, mehr Ausbildung! – Wir sind dafür, dass es zu einer Erhöhung der Zahl der Studienplätze mit einem Anreizsystem kommt. Das steht auch im Regierungsprogramm: Es soll einen Bonuspunkt bei der Aufnahme geben, wenn man sich verpflichtet – und das ist, glaube ich, ganz wichtig –, im öffentlichen Gesundheitssystem zu arbeiten.
Das Kindergesundheitspaket mit Therapieangeboten für Kinder und Jugendliche ist mit 25 Millionen Euro dotiert. Und – ich denke, ihr könnt euch alle erinnern –: Die Gefahr, dass der Mutter-Kinder-Pass auf einmal nicht mehr da ist, hat überall für einen Aufschrei gesorgt. Jeder hat sich gedacht: Um Gottes willen, was ist da jetzt los?! Wie schaut es wirklich mit der Prävention und den Untersuchungen für die Kinder aus? – Das ist Gott sei Dank nicht passiert. Der Mutter-Kind-Pass wird ausgebaut, auch das ist extrem wichtig.
Die Erarbeitung einer bundesweiten Pflege- und Betreuungsstrategie und natürlich eine Dienstplanstabilität, damit die Pflegerinnen und Pfleger wissen, wann sie in den Dienst gehen, und das nicht immer kurzfristig geändert wird, sind ganz, ganz wichtig. (Beifall bei der SPÖ.)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen jetzt hier vor einem entscheidenden Punkt. Unsere Verantwortung ist es, ein Gesundheitssystem zu schaffen, das für alle da ist – unabhängig vom Einkommen, vom Wohnort und vom sozialen Status. Dafür wird sich unsere Bundesregierung – geschätzter Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, liebe Frau Gesundheitsministerin – mit voller Kraft einsetzen. Lassen wir nicht zu, dass Gesundheit zu einer Frage des Geldes wird! Packen wir es an: gemeinsam für ein starkes, gerechtes Gesundheitssystem in Österreich! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)
13.21
Vizepräsident Markus Stotter, BA: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Bernard. Ich erteile dieses.