RN/54

16.05

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Vielen Dank, Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher und Gäste hier im Raum! Wir haben es schon gehört, wir alle wissen es: Seit fast drei Jahren begleitet uns das Kriegsgeschehen in der Ukraine nach dem – ich betone es noch einmal – völkerrechtswidrigen Angriff von Russland auf die Ukraine hautnah, sei es jeden Tag in den Nachrichten oder sei es auch im persönlichen Kontakt zu den Geflüchteten aus der Ukraine. Es sind hauptsächlich Frauen und Kinder.

Gerade letzte Woche – es ist vielleicht interessant, das zu erwähnen – hatte meine Kollegin Frau Kittl eine Gruppe von ukrainischen Frauen, die in Wien leben, die das Parlament besichtigt haben, und genau zu dem Zeitpunkt, als im Nationalrat eben die Verlängerung der Familienbeihilfe und des Kinderbetreuungsgeldes beschlossen worden ist, sind die Damen, sind die Frauen hier gewesen. Sie waren überglücklich und haben sich gegenüber Österreich voller Dankbarkeit gezeigt und haben das extra noch einmal angeführt, und diesen Dank möchte ich hier auch noch einmal aussprechen, wenn wir heute diese weitere Gewährung beschließen. (Beifall bei den Grünen.)

Viele dieser Geflüchteten, viele dieser Frauen haben tatsächlich in Österreich bereits einen Neuanfang begonnen, andere hoffen auf ein baldiges Kriegsende, um dann in ihre Heimat zurückkehren zu können. Was sie aber alle eint, ist, dass sie aufgrund des Vollzugs der Massenzustromrichtlinie der EU ein Aufenthaltsrecht in Österreich und gemäß dieser Richtlinie nämlich auch den Zugang zum Arbeitsmarkt und zu entsprechenden Familienleistungen haben.

Heute verlängern wir den Bezug der Familienbeihilfe und des Kinderbetreuungsgeldes, aber aus meiner Perspektive eindeutig zu spät. Wir haben heute schon ganz viel über überbordende Bürokratie und Verwaltungsaufwand und so weiter gehört. In der Realität ist es so, dass die Bescheide im März geendet haben und dass jetzt alle diese betroffenen Personen Neuanträge stellen müssen! Neuanträge müssen bearbeitet werden, und auch diese Bearbeitung erfordert wieder Kapazitäten in der Verwaltung; und genau dasselbe wird im Oktober passieren, weil, wie wir heute schon gehört haben, das Aufenthaltsrecht bis März nächsten Jahres besteht. Genau dieser Oktober ist ein Monat, in dem Leistungen bezogen werden müssen, die an die Familienbeihilfe gekoppelt sind – ich nenne als Beispiel nur die Schülerfreifahrt. Auch da entsteht wahrscheinlich wieder ein Verwaltungsaufwand, der nicht dafürsteht.

Das sind Fragen, die ich mir stelle, aber eine Frage stelle ich mir in den letzten Tagen ganz besonders, und zwar – ich möchte es an dieser Stelle erwähnen – warum die neue Bundesregierung den Familiennachzug stoppt. Es soll der Familiennachzug aus Regionen gestoppt werden, aus denen Menschen vor Krieg, persönlicher Verfolgung, Bürgerkrieg fliehen müssen. Es ist die einzige – ich habe es im Dezember im Plenum gesagt: die einzige! – legale Möglichkeit für Frauen und Kinder, Kriegsgebiete zu verlassen und in Sicherheit zu gelangen.

In diesen Ländern leben Frauen und Kinder in Angst und Schrecken, in Gefahr für ihr Leben, und das, obwohl die Männer schon ein Aufenthaltsrecht in Österreich haben, ein Aufenthaltsrecht, das zum Beispiel bei den Syrern teilweise überprüft wird, aber dennoch besteht (Zwischenruf des Bundesrates Samt [FPÖ/Stmk.] – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: ... Frauen und Kinder ...!), und ich muss es an dieser Stelle auch noch einmal sagen: Selbst wenn der Asylstatus aberkannt wird, ist es doch so, dass die meisten dann ein Recht erwerben werden, einen anderen Aufenthaltstitel zu bekommen, auch weil diese Menschen schon in Österreich integriert sind und gar keine Gründe für eine Ausweisung da sind. – Also warum das Ganze?

Über die EU-rechtswidrige Komponente dieses Schrittes brauche ich eh nicht viel zu sagen. Wenn man die Nachrichten verfolgt und die Experten anhört, so wissen wir doch in Wirklichkeit alle: Das ist EU-rechtswidrig und es ist verfassungswidrig – und ich kann mir bei bestem Willen und ausgeprägter Fantasie nicht vorstellen, dass es besser sein soll, Kinder in Kriegsgebieten oder Flüchtlingslagern in Unsicherheit zu belassen, als sie zum Beispiel – das ist mir nur so spontan eingefallen – nach ihrer Ankunft in Österreich von der Schulpflicht zu karenzieren. 

Herr Minister Wiederkehr ist jetzt nicht mehr da, aber er hat in der „Zeit im Bild“ gesagt, es handle sich da ja um Kinder, die schon jahrelang in Flüchtlingslagern in der Türkei sind und nicht beschult würden. – Ja, das ist doch gerade die Traurigkeit, die wir in dieser Sache haben! Das sind Frauen und Kinder, die seit Jahren in Flüchtlingslagern dahinvegetieren. Ich bin in solchen Flüchtlingslagern gewesen, und ich kann Ihnen sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Alles, was die Menschen hier in Österreich erwartet, ist eine Million Mal besser, als dort in Flüchtlingslagern auszuharren, während die Männer hier schon in Sicherheit sind. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Die Männer ...!)

Ja, natürlich – und dem verwehre ich mich als Grüne natürlich auch nicht –, unsere Schulen in Wien sind überlastet. In Wien, aber in anderen Bundesländern gibt es durchaus Kapazitäten, auch Flüchtlingskinder aufzunehmen. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) Warum passiert das nicht? Warum passiert das nicht? Weil die Länder säumig sind! 

Zum Beispiel schafft es mein Heimatbundesland Oberösterreich überhaupt nicht, Asylberechtigten Wohnbeihilfe zuzuerkennen oder ihnen gar eine Genossenschaftswohnung zuzuteilen (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Deshalb sind sie ja in Wien!), obwohl sie in Lohn und Brot stehen. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Deshalb sind sie ja in Wien!) Das heißt, in eine Wohnung, in die ein Österreicher schon gar nicht mehr einziehen will (neuerlicher Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ]), weil sie nicht mehr attraktiv ist, darf ein Flüchtling nicht einziehen, weil vielleicht noch 5 Euro Wohnbaufinanzierung auf diesem Gebäude drauf sind, und das ist widersinnig. Wir sollten darüber nachdenken, innerhalb von Österreich und innerhalb der EU besser zu verteilen – aber nicht Kinder! 

Es ist heute ganz oft gefallen: Wir schauen auf Kinder, und Kinderrechte sind uns in Österreich wichtig, aber Kinder im Krieg zu lassen, das passiert durch den Stopp des Familiennachzugs. (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Aber Familien ..., oder? ... Menschen in den Krieg zu schicken, das ist euch ...!)

Ja, volle Grundversorgungsquartiere – dieses Thema möchte ich vielleicht auch noch ganz kurz ansprechen – kommen derzeit dadurch zustande, dass wir die Asylverfahren für Syrer ausgesetzt haben – das ist auch ganz schlecht. Wenn wir auch diesbezüglich die Nachrichten verfolgen, sehen wir (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ]): In Syrien ist auch nicht alles schön, ganz im Gegenteil, ich habe gerade eben noch gelesen: Massaker an der Zivilbevölkerung. Es werden Tausende von Menschen einfach erschossen, und ich kann mir nicht vorstellen (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Die haben da vor dem Parlament ... gefeiert!), dass dort, wenn das heute passiert, morgen Frieden einkehren soll. Aber hoffen wir auf Frieden! 

Hoffen wir auf Frieden in der Ukraine und in Syrien, aber bis dahin: Ermöglichen wir den Geflüchteten ein menschenwürdiges Leben in Österreich! (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

16.13 

Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – War das (in Richtung Bundesrat Himmer) eine Wortmeldung, Herr Fraktionsvorsitzender? (Bundesrat Himmer [ÖVP/W]: Nein, nein, ich habe nur der Staatssekretärin gewunken! – Bundesrat Schennach [SPÖ/W]: Nein, er hat schon geredet!) Nicht. – Dann ist das nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.