RN/73

17.13

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Danke schön, Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseher:innen zu Hause vor den Bildschirmen! Politik sollte vorausschauend gestalten, nicht im Eiltempo Fakten schaffen, die das Leben vieler Menschen erschweren. Doch genau das passiert bei einem Teil des Budgetsanierungsmaßnahmengesetzes leider mit der Bildungskarenz. 

Die Bildungskarenz wurde 1997 eingeführt. Zweck war damals in erster Linie, das effektive Pensionsantrittsalter zu erhöhen. Ab 2008 war die Bildungskarenz arbeitsmarktpolitisch relevant in dem Sinn, dass Arbeitslosigkeit während der Krisenjahre zu verhindern war. In den letzten Jahren hat sich die Bildungskarenz vor allem als Möglichkeit zur Umorientierung und Neuorientierung bewährt, vor allem für Frauen, die vor dem Wiedereinstieg nach Kinderbetreuungszeiten standen. 

Gibt es Kritik an der jetzigen Form, an dem derzeitigen Modell? – Ja, und eine Reform wäre auf jeden Fall auch sinnvoll gewesen. Statt aber eine durchdachte Reform vorzulegen, werden die Bildungskarenz und die Bildungsteilzeit kurzerhand abgeschafft, und das mit weitreichenden Konsequenzen für Arbeitnehmer:innen, und da insbesondere für Frauen. Wer nach dem 1. April 2025 eine Bildungskarenz antreten möchte, muss bereits bis spätestens 28. Februar eine entsprechende Vereinbarung mit dem Arbeitgeber abgeschlossen haben, andernfalls entfällt der Anspruch auf Weiterbildungsgeld und auf Bildungsteilzeit. Damit wird Bildung zunehmend etwas, das sich nur noch wenige leisten können; alle anderen schauen durch die Finger. 

Die Bildungskarenz war für viele Mütter ein wichtiger Anschluss an die Elternkarenz, um ihre Erwerbstätigkeit zu sichern. Ohne sie steigt das Risiko, dass Frauen ganz aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Studien zeigen auch, dass Frauen mit Bildungskarenz später mehr Stunden arbeiten, womit sich auch ihr Gehalt langfristig besser entwickelt. 

Die Abschaffung der Bildungskarenz steht damit nicht nur im Widerspruch zur Chancengleichheit, sondern sie verschärft auch den Fachkräftemangel und erschwert die Integration von Arbeitskräften in den Arbeitsmarkt. Es geht da schon lange nicht mehr darum, Kollege Thoma, dass der Staat etwas Entbehrliches subventioniert, sondern es geht um eine Maßnahme, die arbeitsmarktpolitisch relevant und durchaus sinnvoll ist. 

Fakt ist auch, die Abschaffung der Bildungskarenz schafft weder neue Kinderbetreuungsplätze noch sichert sie Arbeitsplätze. Vielmehr drohen steigende Arbeitslosenzahlen, insbesondere eben bei Frauen – insofern mutet auch die Aussage von Kollegen Reisinger fast schon zynisch an, wenn er davon spricht, dass die Budgetsanierung breit geschultert werden muss; da sind wie gesagt Frauen gemeint –, denn wer erst einmal aus dem Arbeitsmarkt herausfällt, hat es umso schwerer, wieder Fuß zu fassen. Das ist daher in diesem Fall einfach ein gesellschaftspolitischer Rückschritt. Die Maßnahme ist nicht nur sozial ungerecht, sie ist damit auch wirtschaftlich kurzsichtig. 

Wir sollten durch sinnvolle Reformen sicherstellen, dass die Bildungskarenz und die Bildungsteilzeit weiterhin einerseits ihren Zweck erfüllen und gleichzeitig effektiver gestaltet werden können. 

Wir bringen daher folgenden Entschließungsantrag ein: 

Entschließungsantrag

der Bundesrät:innen Simone Jagl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „zielsichere Reform der Bildungskarenz statt Abschaffung“

Der Bundesrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird aufgefordert, Bildungskarenz (Weiterbildungsgeld) und Bildungsteilzeit (Bildungsteilzeitgeld) beizubehalten und dem Nationalrat und dem Bundesrat schnellstmöglich, jedenfalls aber bis Ende Mai 2025, einen Gesetzesentwurf zur Reform insbesondere der Bildungskarenz vorzulegen, der folgende Punkte umfasst:

- verpflichtende Bildungsberatung und -begleitung für Arbeitnehmer:innen vor Antritt der Bildungskarenz

- Vereinbarung und Überprüfung des Bildungsziels und der arbeitsmarktpolitischen Relevanz

- Zertifizierung von Bildungsangeboten und -instituten auf Basis von Qualitätskriterien

- gezieltere Einbeziehung von Gruppen mit geringen und mittleren Bildungs- bzw. Qualifikationsabschlüssen

- Begrenzung der Inanspruchnahme entlang formaler Bildungsabschlüsse, zeitlicher Mindestabstände und Häufigkeit

- Teilnahmebestätigungen und erhöhte Anwesenheitsverpflichtungen“


Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir brauchen durchdachte Reformen, keine übereilten Kürzungen. Abgeschafft ist schnell einmal etwas. Es sinnvoll reformiert wieder einzuführen, das dauert und ist wesentlich schwieriger. Deswegen bitte ich Sie um Unterstützung dieses Antrages. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.) 

17.19

Der Gesamtwortlaut des Antrages ist unter folgendem Link abrufbar:

RN/73.1

TOP6 Unselbständiger Entschließungsantrag: zielsichere Reform der Bildungskarenz statt Abschaffung-Image von Simone Jagl

Vizepräsident Markus Stotter, BA: Der von den Bundesräten Simone Jagl, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „zielsichere Reform der Bildungskarenz statt Abschaffung“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. 

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.