RN/38

11.51

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Danke schön, Herr Vorsitzender! Werter Herr Bundesminister! Willkommen bei uns im Bundesrat; alles Gute für Ihre neue Aufgabe! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Ich finde es ja persönlich immer sehr spannend, nach Kollegen Bernard zu sprechen, denn das ist wirklich immer ein wahrer Fundus an Möglichkeiten, auf die man reagieren kann. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Wenn ich mir das so angehört habe – Sie haben jetzt wirklich sehr lang über Leidtragende der Kontrollen und so weiter gesprochen –, habe ich das, zusammenfassend gesagt, so verstanden, dass es Ihnen im Prinzip zu viele Kontrollen sind. 

Ich persönlich bin ja froh, dass die zahlreichen Kontrollen zu mehr Verkehrssicherheit in Österreich beitragen. (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Stimmt ja gar nicht!) Ich möchte mich an dieser Stelle auch ausdrücklich bei den Polizistinnen und Polizisten, bei den Zollmitarbeiter:innen bedanken, die uns durch ihre tägliche Arbeit wirklich zu Musterschülern der EU in diesem Bereich machen und vor allem unsere Straßen sicherer machen.

Was nämlich passieren kann, wenn beispielsweise ein Lkw-Fahrer übermüdet ist, möchte ich Ihnen ganz kurz hier zeigen – jetzt habe ich auch einmal so ein Zetterl. (Die Rednerin hält ein Foto von einem schwarzen Autowrack in einem Tunnel in die Höhe.) Das ist bitte kein als Smart verkleideter Škoda; so schaut ein Fahrzeug aus, nachdem ein übermüdeter Lkw-Fahrer das Ende eines Staus übersehen und die Fahrerin in den davor stehenden Lkw hineingedrückt hat. Das ist das Unfallauto einer Freundin von mir aus dem Sommer 2022. Sie hat es da wirklich nur durch wahnsinnig großes Glück lebend heraus geschafft. Ich muss sagen: Jeder einzelne übermüdete Lenker, der durch zahlreiche Kontrollen herausgefischt wird, ist einer dieser Unfälle weniger, ist ein zerstörtes Familienleben weniger, ist einmal traumatisierte Kinder weniger, die stundenlang nicht wissen, was mit ihren Eltern passiert ist.

Gut, worum geht es hier? – Wir haben es schon gehört, es geht um die sechste Änderung des AETR, des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals. Ja, es ist eine reine Formsache, weil in Österreich ja die betreffenden EU-Vorschriften schon gelten. Dennoch zahlt es sich aus, generell darauf zu schauen, was dieses Übereinkommen bewirken soll. Ich zitiere aus einer Studie der European Transport Workers' Federation aus dem Jahr 2021, die beschreibt: 60 Prozent der Fahrerinnen und Fahrer geben an, regelmäßig unter Müdigkeit am Steuer zu leiden, und ein Drittel der Teilnehmenden gibt an, schon einmal bei einer Fahrt eingeschlafen zu sein. Das muss man sich einmal vor Augen halten. Dass dann solche Dinge (das Foto nochmals in die Höhe haltend) daraus resultieren und passieren, kann man sich, glaube ich, leicht vorstellen.

Dieses Übereinkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der einheitliche Regelungen für Arbeitszeiten im internationalen Straßenverkehr schafft – es sind immerhin 55 Staaten mit dabei. Er sorgt für Sicherheit von Fahrer:innen vor Übermüdung und erhöht dadurch auch die Verkehrssicherheit – das ist ganz klar – im grenzüberschreitenden Straßenverkehr, insbesondere auch außerhalb der EU, und das eben mit dieser sechsten Änderung in Abstimmung mit dem EU-Recht.

Das klingt alles ganz schön, dennoch gibt es immer noch – und ich sage ausdrücklich: immer noch; Kollege Gfrerer hat es zuerst schon erwähnt, das Übereinkommen stammt aus dem Jahr 1970 – massive Probleme. Solche Regeln nützen nämlich nicht wirklich viel, oder sie nützen nur dann etwas, wenn einheitlich kontrolliert wird und wenn sie durchgesetzt werden. Genau darin liegt ein zentrales Problem. 

Viele der teilnehmenden Vertragsstaaten kontrollieren nämlich nur unzureichend. Es fehlt teilweise an geschultem Kontrollpersonal und an technischer Ausstattung. Das Ergebnis ist, dass viele Lenkerinnen und Lenker tatsächlich regelmäßig die Lenkzeiten überschreiten, und das ohne tatsächliche Konsequenzen. Auch die Sanktionen sind nicht einheitlich geregelt. Ein Verstoß in einem Land kostet beispielsweise 2 000 Euro und kann im Nachbarland schon nur mehr 50 Euro kosten. So schafft man keine Gerechtigkeit, sondern nur Grauzonen und vor allem auch Wettbewerbsverzerrung.

Zum Fahrtenschreiber: Während eben in einigen Staaten, in den EU-Staaten, der Fahrtenschreiber – der Smart Tachograph – Pflicht ist, werden anderswo immer noch analoge Geräte verwendet, die veraltet und leicht manipulierbar sind. (Bundesrat Repolust [FPÖ/Stmk.]: Zehn Jahre gibt es keinen Fahrtenschreiber mehr! Zehn Jahre ...!) Aktuelle Zahlen aus Deutschland zeigen, dass die Fahrtenschreiber in immerhin über 10 Prozent der kontrollierten Fahrzeuge manipuliert sind. Das sind aktuelle Zahlen.

Die Wettbewerbsverzerrung habe ich schon angesprochen. Das ist ein ernstes Problem, da Fahrer:innen aus bestimmten Ländern trotz Vereinbarung deutlich mehr Stunden fahren, als sie sollten, und weniger Ruhezeiten einhalten, was natürlich ihre Arbeitgeber wirtschaftlich begünstigt, aber zur Gefährdung ihrer eigenen Sicherheit und unserer Sicherheit und Gesundheit führt. 

In vielen teilnehmenden Ländern sind auch die Arbeitsbedingungen generell prekär – schlechte Bezahlung, kein effektiver Arbeitsschutz und eben auch fehlende Kontrolle durch Arbeitsinspektorate. Viele Fahrer:innen aus Drittstaaten sind oft – wir haben es schon gehört – wochenlang unterwegs. Sie schlafen im Lkw, haben kaum Zugang zu sanitären Einrichtungen und leben teilweise unter wirklich extrem belastenden Bedingungen. Österreich als Transitland hat da einerseits eine besondere Verantwortung, andererseits auch die Chance, eine Vorreiterrolle einzunehmen – einerseits durch die Maßnahmen, die gesetzt werden, aber andererseits muss sich Österreich auch aktiv für weitere Verbesserungen bei der UNECE einsetzen.

Die Asfinag ist seit vielen Jahren wirklich bemüht, Standards bezüglich der Arbeitsbedingungen und Sicherheit des Fahrpersonals im internationalen Straßenverkehr zu setzen. Da geht es zum Beispiel um den Ausbau der Rastplätze. Da ist wirklich viel vorangegangen. Sie investiert in den Bau und die Modernisierung von Rastplätzen. Die sind mit zeitgemäßen Einrichtungen ausgestattet, um Fahrer:innen angemessene Ruhe- und Erholungsmöglichkeiten zu bieten. Dass es noch immer zu wenig sind und dass da noch Aufholbedarf besteht, wissen wir. Sie stellt Verkehrsinformationen in Echtzeit dar, die die Routenplanung erleichtern und es Fahrerinnen und Fahrern ermöglichen, auf aktuelle Verkehrsbedingungen besser zu reagieren, was auch zur Reduktion von Stress und Ermüdung beiträgt.

Wir sehen also: Das Übereinkommen des AETR ist ein wichtiger Beitrag für Sicherheit und Fairness im internationalen Verkehr, doch ohne konsequente Umsetzung, moderne Kontrolle und rechtliche Harmonisierung bleibt es zum Teil nur ein guter Vorsatz. 

All das darf aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei uns in Österreich tatsächlich noch nicht alles in Ordnung ist, was gute und faire Arbeitsbedingungen angeht. Auch hier gibt es eben, wie gesagt, Verbesserungsbedarf. Ich denke da nur an Buslenkerinnen und Buslenker. Sie sorgen immerhin teilweise rund um die Uhr dafür, dass wir sicher und gut von A nach B kommen, haben aber an Endstationen teilweise nicht einmal Toilettenanlagen. Da sehen wir, dass es auch in Österreich noch Verbesserungsbedarf gibt (Beifall bei den Grünen), weil eben alle Fahrerinnen und Fahrer wirklich den besten Schutz und gute Arbeitsbedingungen verdienen. 

Werter Herr Bundesminister, ich möchte zum Schluss auch noch ganz kurz auf das eingehen, was Sie im Nationalrat zu diesem Tagesordnungspunkt gesagt haben. Ich habe da wirklich aufmerksam zugehört. Sie haben gesagt, dass Sie für die nächste Generation hier stehen. Sie haben gesagt, dass Sie nicht zulassen, dass die Themen Klima und Umwelt gegen wirtschaftlich gesunde Entwicklung ausgespielt werden. Allein, ich muss gestehen, mir fehlt ein bisschen der Glaube, dass Sie die Herausforderungen zukünftiger Generationen wirklich in der notwendigen Schwerpunktsetzung im Blick haben. (Vizepräsident Stotter übernimmt den Vorsitz.)

Wir wissen, dass die Auswirkungen des Klimawandels, der Klimakrise die größte Herausforderung sein werden, vor der unsere Kinder und Enkelkinder jemals in ihrem Leben stehen werden. Und wenn ich dann höre, dass Ihr Mobilitätsbegriff – auch aus dieser Rede – jener ist, dass wir einfach nur möglichst schnell und möglichst effizient von A nach B kommen, dann zweifle ich wie gesagt ein bisschen daran, dass Sie die Herausforderungen nachkommender Generationen wirklich im Blick haben. (Beifall bei den Grünen.)

Wir wissen nämlich auch, dass der Verkehr ein wirklich großer Treiber der Klimakrise ist – und dass dieser Faktor anscheinend nicht einbezogen wird, halte ich für wirklich fatal. 

Noch eines zum Thema Gegeneinanderausspielen: Klimaschutz ist gut für die Wirtschaft. Technologien, die den Klimaschutz unterstützen, sind Wirtschaftstreiber, auch für die lokale Wirtschaft, das wissen wir mittlerweile. Wenn man sich anschaut, was Anbieter von PV-Anlagen in den letzten Jahren für einen Boom erlebt haben, dann kann daran kein Zweifel bestehen. 

In diesem Sinne hoffe ich darauf, dass Sie die tatsächlichen Zukunftsthemen der uns nachfolgenden Generationen tatsächlich im Blick haben werden. Ich vertraue darauf. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

12.02

Vizepräsident Markus Stotter, BA: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Peter Hanke. Ich erteile es ihm.