RN/49

13.02

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Freie Medien markieren neben der Legislative, Judikative und Exekutive in einer Demokratie die vierte Gewalt im Staat. Sie hat eine wichtige Kontrollfunktion in Demokratien, mit dem Ziel, mittels wahrhaftiger Berichterstattung Machtmissbrauch zu verhindern.

Als Politikerin steht es mir ja nicht zu, darüber zu urteilen, was guter und schlechter Journalismus ist, klar ist aber, was Journalismus sein sollte. Er sollte, neben penibler Recherche, Unterscheidung sein: Unterscheidung zwischen wahr und unwahr, wichtig und unwichtig, Sinn und Unsinn.

Die Achtung der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der freien Presse. Die freie Presse wahrt Vertraulichkeit, arbeitet mit hoher journalistischer Ethik, höchster Integrität und wird so hoffentlich ihrer wichtigen demokratiepolitischen Stellung gerecht. 

Wir alle leben im Zeitalter der Social Media. Ob wir wollen oder nicht, die Medienlandschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten radikal verändert. Das hinzukommende Comeback von politischen Medien und die Zurückdrängung von klassischen Medien werfen zunehmend die Frage auf, ob es wirklich noch so ist, dass jeder, der Augen hat, um zu sehen, und Ohren hat, um zu hören, guten Journalismus von schlechtem Journalismus unterscheiden kann. Wie schwer eine einmal erfolgte Einschränkung der freien Medien zu revidieren ist, sehen wir, wenn wir nach Ungarn oder Polen schauen. 

Und, liebe Grüne: Ja, diese Reform kann nur ein erster Schritt sein, aber das Zu-Grabe-Tragen der ältesten Zeitung Österreichs, der „Wiener Zeitung“, haben die Grünen hauptmitzuverantworten. (Beifall bei der SPÖ.)

In den USA werden unter Trump kritische Medien aus dem Weißen Haus verbannt oder wüst beschimpft. Amerikanische Reporter, die in der Zeit von Putins Anfängen in Moskau tätig waren, sehen beim derzeitigen Umgang mit Medien erschreckende Parallelen zu jenen Tagen damals in Russland. Gesprächspartner, Republikaner wie Demokraten, wollen sich nicht mehr namentlich zitieren lassen, weil sie sonst Schaden für sich und ihre Familien fürchten müssen. „Da ist eine Angst, wie ich sie nicht kenne aus dieser Stadt“, konstatiert zum Beispiel Peter Baker, langgedienter Washingtonkorrespondent der „New York Times“.

Amerikanische Techgiganten kaufen sich in Medienhäuser ein, und so kommt es, dass jetzt, 50 Jahre nach dem Aufdecken des Watergate-Skandals, Jeff Bezos den Redaktionen der „Washington Post“ ansagt, was zu schreiben ist und was nicht. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) Der Arm der amerikanischen Oligarchen reicht aber sogar bis zu uns nach Europa. Das hat im deutschen Wahlkampf dazu geführt, dass in der Zeitung „Die Welt“ innerredaktionelle Regeln ausgehebelt wurden, um einen Wahlaufruf von Elon Musk für die AfD zu veröffentlichen – wenig patriotisch, wie ich finde.

Wenn wir uns das veröffentlichte Verhandlungspapier mit den FPÖ-Ideen für den ORF und die österreichische Medienlandschaft anschauen, kommt einem das Grausen. Eine Untergrabung des freien ORF und der Medienlandschaft überhaupt und ein Füttern der eigenen Medien wie FPÖ-TV standen ganz klar auf der Speisekarte der FPÖ. Man kann als überzeugte Demokratin nur erleichtert sein, dass diese FPÖ-Regierung nicht kam. 

Dem ORF kommt im heimischen Mediensystem eine herausragende Bedeutung zu. Er ist im gemeinsamen deutschsprachigen Raum ein wichtiges Stück Heimat und Identität und unverzichtbar für die Kulturnation Österreich; von der Unterhaltungskultur bis zur Hochkultur, wenn man so will, von „Dancing Stars“ bis zum Neujahrskonzert. Auch praktisch jeder international erfolgreiche österreichische Film – Kollege Schennach hat es ausgeführt – der letzten Jahrzehnte wurde vom ORF kofinanziert.

Umso wichtiger ist es, dass mit dem vorliegenden Gesetz der ORF in einem ersten Schritt – und das kann wirklich nur ein erster Schritt sein – entpolitisiert oder repariert wird, indem der Stiftungsrat verkleinert und der Publikumsrat vergrößert wird.

Ein wirklich entpolitisierter ORF, der die redaktionelle Unabhängigkeit garantieren kann, muss aber letztlich unser aller Ziel sein, und wir NEOS werden uns weiterhin stark dafür einsetzen. 

Weil wir NEOS bekanntermaßen ja auch Politik für kleine Leute machen, freuen wir uns ganz ehrlich darüber, dass die Haushaltsabgabe des ORF in den nächsten fünf Jahren unabhängig von der Konjunkturentwicklung nicht erhöht werden wird. (Zwischenruf bei der FPÖ.) In Wien haben wir NEOS ja zu verantworten gehabt, dass die GIS-Landesabgabe gleich überhaupt nicht gekommen ist.

Machen wir jetzt aber einmal gemeinsam einen Schritt zurück und schauen wir uns bei dieser Gelegenheit auch an, welche Bedeutung Kommunikation im Allgemeinen für uns als Gesellschaft und im täglichen Leben hat. Für uns als Politikerinnen und Politiker zählt ja nicht nur die Kommunikation über Medien, sondern vor allem auch die direkte zwischenmenschliche Kommunikation mit den Wählerinnen und Wählern.

Wir haben ja alle auf der Lebensbühne so unsere Rollen und sind dort in gewisser Weise unfrei, weil wir uns als Gesellschaft kollektiv im Reflex in diesen Rollen beurteilen. Wenn wir aber genauer hinschauen, sehen wir: Wir sind alle nur Menschen – Frauen, Männer, Kinder und alles, was es dazwischen noch so geben mag. 

Wie bekommen wir als Gesellschaft, als Politik Begegnung auf Augenhöhe hin? Mit Zaubertricks von oben herab, aus der sicheren Entfernung oder mit dem Fluten von Zeitungen mit eigenen Beiträgen wird es nicht gehen. In echte Begegnung miteinander kommen wir nur über das persönliche Gespräch auf Augenhöhe, idealerweise, indem man an Türen klopft. Das ist auch für uns NEOS der Goldstandard, um mit Menschen in Kontakt zu kommen. Ich kann aus meiner persönlichen Erfahrung sagen, dass man oft Hemmungen hat, an Türen zu klopfen, aber wenn das einmal überwunden ist, dann wundert man sich, wie wertgeschätzt das wird. 

Auch die Politik hat die Aufgabe, die Lebensrealitäten von Menschen zu verbessern und mit ihnen in echte Begegnung zu kommen. So wie aber Türen oft aufgehen, gehen Fenster manchmal auch zu. Windows of Opportunitiy markieren Zeitfenster, in denen bestimmte Dinge möglich sind. Wenn diese Zeitperiode vorüber ist, dann ist das Fenster vielleicht für immer geschlossen. Die derzeitige Regierung findet meines Erachtens ein solches Window of Opportunity für tiefgreifende Reformen, auch ORF-Reformen, vor. Die Zeit, um strukturelle Reformen in Angriff zu nehmen und unser Land zum Besseren zu verändern, für die Menschen, die Gesellschaft und die Demokratie, ist jetzt gekommen. Lassen wir sie nicht ungenutzt verstreichen!

Das vorliegende ORF-Gesetz kann nur ein erster Schritt in Richtung Entpolitisierung und nachhaltiger Absicherung des ORF sein. Bleiben wir da dran, sorgen wir gemeinsam für einen starken, unpolitischen ORF und eine unabhängige Medienlandschaft! Bauen wir gemeinsam das neue Österreich! – Vielen Dank. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie des Bundesrates Tiefnig [ÖVP/OÖ].)

13.09 

Vizepräsident Markus Stotter, BA: Zu Wort gemeldet ist Bundesrat Ernest Schwindsackl. Ich erteile dieses.