RN/51
13.15
Bundesrat Daniel Schmid (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wir führen heute hier eine Debatte, die für unsere Medienlandschaft, aber auch für unsere Demokratie wichtig ist. Dabei müssen wir natürlich wieder eines feststellen: Die FPÖ führt weiterhin einen ideologischen Kickl-Feldzug gegen unseren öffentlich-rechtlichen Rundfunk. (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Geh, jetzt hör auf! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Kolleginnen und Kollegen, euer Ziel ist nicht die Reform des ORF, euer Ziel ist die Zerschlagung des ORF. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und Grünen.) Ihr wollt Kontrolle und nicht Erneuerung. Das ist eure freiheitliche Kickl-Agenda. (Ruf bei der FPÖ: Das ist nicht euer ORF! Zur Klarstellung! Unglaublich! – Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Na schau! Was du nicht alles weißt!)
Kollegen von den Freiheitlichen, wir erinnern uns alle an das Ibizavideo 2018 (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Jööö!), wir erinnern uns an die später aufgekommenen Chats. Was wollte denn da die Freiheitliche Partei damals machen? (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Das war aber die ÖVP!) – Sie wollte Journalistinnen und Journalisten loswerden, sie hat vom Ausmisten geredet. Das habt ihr gemacht! (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Wirklich wahr? Na schau dich an!) Ihr wollt ein Parteifunkhaus haben und keine öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Das haben wir ja eh!), und gleichzeitig redet ihr von Entpolitisieren. Kollegen von der Freiheitlichen Partei, ihr widersprecht euch selbst. (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Das ist das Ziel: Das Ziel von einem Herbert Kickl ist es, keine kritischen Medien zu haben. Das Ziel ist ein Kickl-TV. Genau das ist euer Ziel: Ihr wollt ein österreichisches Orbán-System in unserer Republik einführen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Meine geschätzten Vorredner:innen Klemens und Isabella (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: „Vorredner:innen“!), ich sage euch eines: Ihr redet hier im FPÖ-Jargon über den Privilegienstadel, als ob im ORF nur Berater:innen, Manager:innen oder Starmoderator:innen arbeiten würden. Nein, das ist eben nicht so, dort arbeiten auch viele, viele andere in den unteren Bereichen, als Techniker, als Kameraleute und so weiter und so fort. Das sind Menschen, die Tag für Tag unter hohem Druck, vor allem aber auch unter chronischem Personalmangel leiden und arbeiten. (Beifall bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ja, weil das Geld für die Manageretage gebraucht wird! Jetzt hast du dir die Antwort selber gegeben!)
Die Realität für diese schaut nämlich so aus: Die Realität seit Jahren sind Nulllohnrunden, Kollektivvertragsabschlüsse unter der Inflation, stillgelegte beziehungsweise verkaufte Übertragungswagen, damit einhergehend Produktionen, die fremdvergeben werden, teilweise an ausländische Unternehmen, sprich: Die Wertschöpfung fließt ins Ausland und bleibt nicht in Österreich. Diese ausgelagerten Leistungen sind in Summe noch teurer, werden natürlich als Sachkosten verbucht und nicht als Personalkosten. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Dort drüben sitzt dein Minister! Das musst du deinem Minister sagen und nicht uns!) – Zu euch komme ich noch. – So entsteht ein verzerrtes Effizienzbild, das sich politisch leicht instrumentalisieren lässt, aber langfristig Schaden anrichtet. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Red mit dem Babler, solang er da ist!)
Und: Wer von Luxusfunk spricht – das kommt ja von eurer Seite, vom rechten Flügel –, verkennt die Realität. (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Wie heißt das?)
Im Grunde genommen verspottet ihr regelrecht die Menschen, die unter schwierigen Bedingungen tagtäglich Qualitätsjournalismus (Zwischenruf der Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]), Qualitätsfernsehen und Qualitätsradio abliefern. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Warum rearst du nicht ...?)
Wir alle erwarten vom ORF Information, wir erwarten vom ORF Unterhaltung, wir erwarten vom ORF Vielfalt (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Das ist ja keine objektive Information, die du kriegst! – Zwischenruf des Bundesrates Kofler [FPÖ/NÖ]), und ihr wolltet beim ORF 15 Prozent einsparen. Diese Rechnung geht sich nicht aus, Kollegen von den Freiheitlichen (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ]), denn gespart – das ist auch klar – wird oben und nicht unten: Es wird gespart bei den Redaktionen, es wird gespart bei der Technik und beim Programm. (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Ja, das ist der untere Bereich! Bei den ganzen ... verpulvert ... das Geld ...!)
Ich bringe euch jetzt ein Beispiel. Es ist jetzt circa zehn Jahre her – zehn Jahre! –, dass ich beim ORF zu arbeiten aufgehört habe – ich habe dort als Techniker gearbeitet. In diesen zehn Jahren sind circa zehn Kameraleute am Küniglberg in Pension gegangen. In diesen zehn Jahren wurden gerade einmal zwei Kameraleute nachbesetzt. Und in den Landesstudios schaut es noch viel ärger aus: Dort arbeiten faktisch keine angestellten Kameraleute mehr. Das Ganze wird über tageweise Anmietungen erledigt oder an Fremdfirmen ausgelagert, was letztendlich auch höhere Kosten bedeutet.
Und ganz interessant ist auch noch, wenn ich zum Küniglberg zurückkomme, was vor allem die letzten Jahre passiert ist – und ihr (in Richtung FPÖ) wart genauso in der Regierung und die Grünen waren genauso in der Regierung. In den letzten Jahren ist es am Küniglberg so, dass wir ja – weil sich die Anzahl bis dato nicht wirklich verändert hat – doppelt so viele Stiftungsräte wie Kameraleute haben. – Mehr brauche ich dazu nicht zu sagen.
Was bedeutet das? – Das alles bedeutet nicht weniger Arbeit, es bedeutet das Gegenteil; es wird nämlich weiterhin produziert – das ist das, was wir verlangen –, es wird gesendet, es wird berichtet, nur halt mit immer weniger Menschen – unter einem erhöhten Druck. Die Folgen sind Überstunden, teilweise bis spät in die Nacht, unzählige Wochenenddienste, Nachtarbeit, und das Woche für Woche. Und das führt - - (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Die kriegen nichts gezahlt! Die verdienen einen Schlapfen!) – Zuhören! Zuhören! (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Die verdienen einen Schlapfen! Die verdienen ...!) Das führt zu Zulagen und Mehrleistungsvergütungen (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Das ist ja asozial, eure Politik!) und damit zu höheren Pro - - (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Das ist ja asozial, auf die ...!) – Kollegin! Das führt damit zu höheren Pro-Kopf-Kosten. Das heißt, wir haben eine Abwärtsspirale: Durch weniger Personal muss das bestehende Personal mehr Leistung bringen, dadurch steigen eigentlich die Pro-Kopf-Kosten. No na!
Jetzt kommt ja noch etwas dazu – weil ihr (in Richtung FPÖ) immer von den teuren ORF-Mitarbeitern redet, gell? –: Ich meine, was macht denn der Rechnungshof? – Der Rechnungshof geht her und rechnet die Teilzeitkräfte als Vollzeitäquivalente hoch. Na logisch steigen dann noch einmal die Pro-Kopf-Kosten, aber das wird halt nie dazugesagt! Stattdessen geht ihr (in Richtung FPÖ) her und beschimpft das Personal, dass sie alle miteinander zu viel verdienen. (Zwischenruf des Bundesrates Samt [FPÖ/Stmk.].) Weniger Personal bedeutet mehr Belastung, bedeutet mehr Überstunden, bedeutet ein höheres Pro-Kopf-Einkommen. Am Ende des Tages bedeutet das noch weniger Personal. (Beifall bei der SPÖ.)
Die Belegschaft ist am Limit, und was machen die Freiheitlichen? Was machen sie tagtäglich? – Sie rücken tagtäglich aus und rücken die ORF-Mitarbeiterinnen und ORF-Mitarbeiter in ein schlechtes Licht. Und wisst ihr, was die Folgen daraus sind? – Ehemalige ORF-Kolleginnen und -Kollegen überlegen sich mittlerweile, ob sie bei Außenproduktionen die ORF-Jacke tragen, weil sie damit rechnen müssen, dass sie mit Gegenständen beworfen werden oder beschimpft werden. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) Und wer hat diesen Nährboden geschaffen? – Der rechte Flügel, die Freiheitlichen! Genau so ist es. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Kofler [FPÖ/NÖ].)
Und weil Kollegin Theuermann und Herr Kollege Kofler, weil ihr halt auch wieder die Zwangsgebühr dahergebracht habt, ihr sprecht ja immer von der Zwangsgebühr (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Das ist ja eine Zwangsgebühr! Das ist ja so! Für Leute, die nicht einmal einen Fernseher haben ...! – Zwischenruf des Bundesrates Kofler [FPÖ/NÖ]) – jetzt hört zu! (Zwischenrufe bei der FPÖ) –: Ihr kritisiert die Haushaltsabgabe (Bundesrätin Doppler [FPÖ/Sbg.]: Das hat der Kollege Ruf ... die Umfrage ...! – Bundesrat Schennach [SPÖ/W]: Aber einen Laptop habt ihr schon, nicht?), gleichzeitig wollt ihr die Gebühren abschaffen und das Ganze über das Bundesbudget finanzieren. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ja, ja!) Ihr wollt es über das Bundesbudget finanzieren! Ja wer zahlt denn das, bitte? (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Billiger!) – Der Steuerzahler zahlt es (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Billiger!), ja natürlich! Euch geht es ja nicht darum, dass es billiger ist oder dass es billiger wird, euch geht es ja um etwas ganz anderes: Euch geht es darum, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk politisch erpressbar zu machen, genau darum geht es euch! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Und was hat das denn für Folgen? – Kolleginnen und Kollegen, wenn ich das aus dem Budget finanziere – ich glaube, Kollege Schennach hat es auch angesprochen –, ja dann muss ich das Budget jährlich neu verhandeln. Ich habe keine Zweckbindung, der ORF hat keine Planungssicherheit und ist abhängig vom politischen Gutdünken, wer immer halt gerade am Hebel der Macht ist. Und das, Kollegen und Kolleginnen von der Freiheitlichen Partei, ist keine Entpolitisierung, sondern das ist eine direkte politische Einflussnahme. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Ja - - (Ruf bei der SPÖ: Ja! – Heiterkeit des Bundesrates Schreuder [Grüne/W].) Ich muss auch ganz ehrlich sagen: Ich bin auch nicht immer einverstanden mit der einen oder anderen Berichterstattung im ORF, aber das liegt in der Natur der Sache, das nennt man nämlich Pressefreiheit. Das bedeutet nicht, dass mir alles gefallen muss – das bedeutet Pressefreiheit nicht (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Das heißt aber auch nicht, ...! Das versteht ihr nicht!) –, und das bedeutet auch nicht, dass man nach meiner Pfeife tanzen muss. (Ruf bei der FPÖ: Aber wahr muss es halt sein!) Deshalb braucht es die Vielfalt (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ]), es braucht die unterschiedlichen Blickwinkel (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ja, eh ...!), es braucht verschiedene Formate und Perspektiven.
Kolleginnen und Kollegen! Die heute beschlossene Gremienreform ist – und das haben wir schon in den Details gehört – ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung. Sie ist ein Bekenntnis, ein klares Bekenntnis zu einem unabhängigen ORF, und sie ist natürlich eine unmittelbare Reaktion auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes.
Wer es ernst meint mit der Pressefreiheit, mit Transparenz und dem öffentlichen Auftrag, der muss aber auch künftig Reformen weiterdenken, und – davon gehe ich aus, Herr Vizekanzler – das wird auch passieren.
Der ORF gehört uns allen, und wenn wir wollen, dass er auch morgen noch für uns alle da ist, dann müssen wir ihn heute vor allem vor den Freiheitlichen verteidigen. Wir stehen für Reformen, Fairness und Pressefreiheit und nicht für politische Gleichschaltung. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)
13.28
Vizepräsident Markus Stotter, BA: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Bundesrat Marco Schreuder. – Bitte.