RN/77

16.53

Bundesrätin Dr. Manuela-Anna Sumah-Vospernik (NEOS, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, wenn sich Ihre erste Dringliche Anfrage an ein Mitglied der neuen Bundesregierung an die Außenministerin richtet, dann zeigt das vor allem eines: dass Beate Meinl-Reisinger einen fulminanten Start in ihr Amt hatte! (Ruf bei der FPÖ: Fehlstart! – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ein Fehlstart ist auch ein Start!)

Ich möchte auch sagen, dass sie dieses Gremium, den Bundesrat, wertschätzt. Sie hat extra eine Sitzung des Rates für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpolitik unterbrochen und die an sie gestellten Fragen sehr sachlich, ausführlich und wertschätzend beantwortet. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

In meiner heutigen Rede in der Aktuellen Stunde habe ich bereits ausgeführt, dass die EU 2012 als Anerkennung für über 60 Jahre Frieden, Versöhnung und Demokratie den Friedensnobelpreis erhalten hat. Leider hat Russland wieder Krieg nach Europa gebracht, einen brutalen, furchtbaren, verbrecherischen Krieg. Erstmals seit ihrer Gründung ist die EU gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen, dass möglicherweise Krieg auf ihrem Gebiet denkbar ist.

Wladimir Putin führt seit mehr als drei Jahren Krieg gegen unsere Werte, gegen einen EU-Beitrittskandidaten. Er schickt uns Millionen von Flüchtlingen, nicht nur aus der Ukraine, sondern auch aus Syrien eingeflogene, aus dem Irak und von sonst wo. Er will via Tiktok-Kampagne seine Marionette im EU-Mitgliedstaat Rumänien als Präsident installieren, und er führte Hackerangriffe in Zusammenhang mit der österreichischen Nationalratswahl aus. Vielleicht, liebe FPÖ, haben Sie ja deswegen in weiser Voraussicht 1998 einen Dringlichen Antrag bezüglich eines raschen Nato-Beitritts Österreichs eingebracht, wer weiß.

Was die Neutralität betrifft, möchte ich jemand ganz Unverdächtigen zitieren, nämlich die frühere Schweizer Verteidigungsministerin und Bundespräsidentin Viola Amherd. Sie hat im Vorjahr bei ihrem Wienbesuch, angesprochen auf das Ihnen so liebe Thema Sky Shield, ganz trocken eidgenössisch gesagt: „Bei einem Angriff [...] ist die Neutralität hinfällig“. Wer angegriffen wird, hat sich zu verteidigen, mit allem, das er hat. 

Das mächtigste Verteidigungsinstrument, das wir Österreicherinnen und Österreicher haben, nennt sich Mitgliedschaft in der Europäischen Union, dem Zusammenschluss von 27 Nationen, die einander solidarisch gegen innere und äußere Feinde beistehen. Es wäre sehr im Interesse Österreichs, wenn Sie endlich einmal aus ihrem Alice-im-Traumland aufwachen und die Welt so sehen würden, wie sie ist: Putin führt Krieg gegen Europa! (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Seine Propagandisten üben sich darin, Ziele für russische Atombomben in Europa auszumachen. Wenn Sie glauben, wir könnten dabei politisch neutral bleiben, dann agieren Sie nur wie der sprichwörtliche Igel, der sich vor dem heranbrausenden SUV auf der Straße zusammenrollt. Tolle Landesverteidiger sind Sie!

Außenministerin Beate Meinl-Reisinger hat klargestellt – wie im Übrigen auch zuvor Verteidigungsministerin Klaudia Tanner –, dass Neutralität uns nicht schützt. Was uns schützt, ist Solidarität. Was uns schützt, ist, dass wir uns in Europa nicht auseinanderdividieren lassen und mit einer Stimme sprechen. Was uns schützt, sind eine klare Linie und Stärke, denn nur diese Sprache verstehen autoritäre Führer wie Wladimir Putin oder Donald Trump. Das zeigt sich auch aktuell im Handelsstreit mit den USA, in dem die Europäische Union mit einer Stimme spricht, weil die Handelspolitik Unionsmaterie ist. Was hat Trump gestern gemacht? – Er hat die großspurig angekündigten Zölle ganz kleinlaut wieder ausgesetzt.

Und ja, es ist ein Segen, dass die österreichische Außenpolitik seit Anfang März von einer starken Frau geleitet wird. Beate Meinl-Reisinger ist mit voller Tatkraft in ihr Amt gestartet, hat seither mit Dutzenden Amtskollegen telefoniert. Sie hat Brüssel und die Ukraine besucht, im UNO-Sicherheitsrat gesprochen und für unseren Sitz im Sicherheitsrat geworben. Sie war natürlich auch in der Schweiz, unserem Nachbarland, mit dem uns eine tiefe Freundschaft und enge Partnerschaft verbindet. Nach dem Schweizer Vorbild wurden wir im Jahr 1955 neutral, aber richtig ernst haben wir unsere Verteidigungspflicht nie genommen. Erst jetzt beginnen wir, der Schweiz auch in ihrer Vorbildfunktion als starke, wehrfähige Nation zu folgen, indem wir unser Verteidigungsbudget deutlich aufstocken.

Schauen wir genau hin, was die Schweizer in der aktuellen Situation machen: Rollen sie sich ein wie ein Igel? – Nein, sie tragen die EU-Sanktionen gegen Russland mit. Sie sind selbstverständlich bei Sky Shield dabei, denn es wäre töricht, einen kleinen Flecken Luftraum allein verteidigen zu wollen. Sie sind selbstverständlich Teil der Partnerschaft für den Frieden mit der Nato und suchen die Zusammenarbeit mit dem westlichen Verteidigungsbündnis, weil sie ganz genau wissen, dass Europa im Angesicht eines Gegners wie Wladimir Putin entweder gemeinsam bestehen oder gemeinsam untergehen wird.

Vielleicht geht es Ihnen aber auch einfach gegen den Strich, dass Beate Meinl-Reisinger derzeit laut Umfragen das beliebteste Mitglied der neuen Bundesregierung ist. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Das Sammelsurium an hanebüchenen Vorwürfen, mit denen Sie Ihre Anfrage füllen, wird daran nichts ändern. Es ist spannend, dass Sie unsere Außenministerin für praktisch alles verantwortlich machen, vom neuen Job des Ex-Kanzlers bis zu den Häftlingskosten. Ihre Dringliche Anfrage ist wirklich eine seltene Blüte, Respekt!

Ich möchte hier nur auf zwei Punkte eingehen, die ein bisschen, wie es scheint, mit dem Arbeitsbereich der Ministerin zu tun haben und bei denen ich gerne für Aufklärung sorgen möchte. Die Frau Außenministerin hat es eh erklärt: Grain from Ukraine ist eine von der ukrainischen Regierung gestartete Initiative, die dazu dienen soll, ukrainisches Getreide in notleidende Länder in Afrika oder Asien zu bringen. Warum ist das nötig? – Genau, weil der Herr im Kreml Krieg gegen die Ukraine führt und sein zweitbeliebtestes Ziel nach zivilen Gebäuden Infrastruktureinrichtungen, Häfen, Straßen und Eisenbahnen, sind. Entsprechend schwer tut sich die Ukraine bei der Ausfuhr von Getreide.

Wirklich skurril finde ich den Fall des albanischen Botschafters in Wien – ich musste das zweimal lesen, um zu verstehen, dass es nicht um den österreichischen Botschafter in Albanien geht, sondern um den albanischen Botschafter in Wien –, und dann kam mir die Frage: Was soll denn die Frau Außenministerin damit zu tun haben? – Erstens entscheiden Länder souverän darüber, wen sie als Botschafter nach Wien schicken, und die diesbezüglichen Vorgänge sind detailliert im Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen geregelt. Wir lassen uns auch nicht vorschreiben, wen wir als Botschafter in ein anderes Land schicken.

Und zweitens: Ja, es gibt in Wien immer wieder Botschafter, die mit Vorwürfen konfrontiert werden. Im konkreten Fall wurden diese nach Auskunft des Außenministeriums geprüft.

Wir NEOS verstehen uns als Impulsgeber der neuen Bundesregierung in einem kollegialen Geist, lösungsorientiert und wertschätzend. Nach Jahren der Blockaden ist viel zu tun, nicht nur in den Bereichen Bildung oder Pensionen, bei der Deregulierung und der Verschlankung des Staates, auch in der Außen- und Sicherheitspolitik. Ich kann Ihnen sagen: Es ist ganz sicher kein Zufall, dass die neue Bundesregierung bei ihrer Klausur diese Woche endlich gemeinsame außenpolitische Grundsätze beschlossen hat, die auf der Höhe der Zeit sind, und damit einen wichtigen Schritt gesetzt hat, Österreich sicherer zu machen.

Die neue Bundesregierung hat sich auf etwas verständigt, was von ihren Vorgängerinnen jahrelang vermieden worden ist: Eine klare Festlegung darauf, dass sich Österreich als Teil eines gemeinsamen Europas versteht, dessen Sicherheit untrennbar mit unserer eigenen verbunden ist, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist, sondern Verantwortung in beide Richtungen bedeutet und dass Österreich ein glaubwürdiger europäischer Partner ist, der in der Lage ist, einen militärischen Solidarbeitrag innerhalb des europäischen Rahmens zu erbringen. 

Gut einen Monat nach dem Start der Regierung sehen wir daher bereits ganz klar die pinke Handschrift in der österreichischen Außen- und Sicherheitspolitik, engagiert vertreten von der neuen Außenministerin. Österreich ist jetzt ready, sich umfassend an der dringend notwendigen Verteidigung Europas zu beteiligen, und damit sind Diskussionen darüber, ob die Entsendung von Minenräumgeräten in die Ukraine von der Neutralität gedeckt sind, hoffentlich vorbei und wir können uns dem Wesentlichen widmen. Diese Dringliche Anfrage ist nicht Teil des wesentlichen politischen Geschäfts. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der SPÖ.)

17.02 

Vizepräsident Markus Stotter, BA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Sandra Jäckel. Ich erteile ihr dieses.