RN/27

10.50

Staatssekretär im Bundesministerium für Inneres Mag. Jörg Leichtfried: Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte meine Einlassung vielleicht mit einem Dank an Frau Bundesrätin Theuermann beginnen, nämlich für die, ich würde sagen, von der Motivation, das Missfallen über diese Bundesregierung auszudrücken, getragene Begrüßung. Ich darf mir nur eine Anmerkung dazu gestatten: Wenn Ihr Bundesparteivorsitzender, nachdem er den Regierungsbildungsauftrag erhalten hat, mit ähnlicher Motivation in die Verhandlungen gegangen wäre, hätten Sie sich mich hier wahrscheinlich erspart (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W] sowie Heiterkeit bei Bundesrät:innen von SPÖ und ÖVP), aber das kann man sich natürlich im Nachhinein nicht aussuchen, das verstehe ich schon. Deshalb bin ich Ihnen auch für die Begrüßung überhaupt nicht gram, sondern sehe sie so, wie sie ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir trotzdem ein paar Worte zum Familiennachzug und zu diesem Gesetz selbst. Selbstverständlich hat man in Österreich erkannt – und das sehen wir, glaube ich, hier in diesem Saal ziemlich ähnlich –, dass die Aufnahmekapazitäten von Österreich irgendwann einmal erschöpft sind, erschöpft sein können und wahrscheinlich schon in Richtung Erschöpfung gehen. Durch den Zuzug der letzten Jahre ist es eben so gewesen, dass einige Systeme bei uns an den Rand der Handlungsfähigkeit – wenn man das zumindest einmal sagen kann (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ]) –, wenn nicht schon sehr, sehr nahe an den Rand dieser Handlungsfähigkeit gekommen sind. Es sind insbesondere Bildung, Gesundheit und Soziales, die davon betroffen sind. Ich würde aber jenen widersprechen, die meinen, das sei ein Wiener Phänomen allein für sich. Es ist ein Phänomen, das in ganz Österreich fallweise anzutreffen ist und schon eine gewisse Breitenwirkung auch außerhalb des großurbanen Wiener Raums entfaltet.

Wenn man sich entschließt, konkrete Schritte in diesen Fragen zu unternehmen, ist es natürlich, und das gebe ich zu, eine unglaublich schwierige Balance: einerseits Maßnahmen zu initiieren, die wirken, andererseits aber die Rechtsstaatlichkeit, die Europäische Menschenrechtskonvention und ähnliche Gesetzeswerke, die dazu einschlägig notwendig sind, auf keinen Fall außer Acht zu lassen. Das hat sich auch in den Redebeiträgen hier widergespiegelt, die ich mir jetzt angehört habe – und ich habe sehr genau zugehört bei dem, was Frau Bundesrätin Hauschildt-Buschberger gesagt hat, und auch sehr genau zugehört bei dem, was Sie, Frau Bundesrätin Theuermann, gesagt haben. In dieser Balance bewegen wir uns, und wir versuchen halt, in dieser Frage sozusagen die Mitte zwischen Ihren beiden Positionen zu finden – was nicht einfach ist, das verstehe ich (Heiterkeit des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ]), und was man teilweise auch kritisieren kann, aber diese Mitte ist wahrscheinlich der am besten ausbalancierte Punkt (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ]), um die Balance in unserem Land, die wir brauchen, wiederherstellen zu können.

Diese Balance ist wesentlich für unsere Republik. Unsere Republik muss den Menschen Zukunftschancen bieten, den Menschen, die hier leben, Zukunftschancen bieten, und es muss Vorsorge dafür getroffen werden, dass das auch in Zukunft möglich ist – und dazu gehören eben die Dinge, die ich angesprochen habe: Die Bildung, unser Sozialsystem, unser Gesundheitssystem, unser Pflegesystem, all das muss funktionieren. Und das war das Ziel dieser Gesetzesinitiative, nämlich am Ende dafür zu sorgen, dass der soziale Frieden in Österreich auch in Zukunft möglich ist.

Geschätzte Damen und Herren, eines möchte ich schon ganz klar sagen: Es geht bei diesem Gesetzesvorschlag zur Aussetzung, und zwar zur vorübergehenden Aussetzung des Familiennachzugs nicht um die Abschaffung des Asylsystems oder von Asylanträgen per se, sondern um gewisse prozedurale Zuständigkeitsänderungen, und diese sind auch notwendig. Eines aber ist auch vollkommen klar: Österreich war und ist ein hilfsbereites Land und wird dies auch immer bleiben. Wir haben geholfen, wir helfen, und wir bekennen uns selbstverständlich weiterhin zum Recht auf Asyl für alle Menschen. Wir bekennen uns aber auch zur Notwendigkeit der Sicherstellung der Funktionalität unserer Republik und der Lebenschancen der Menschen hier. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)

10.55

Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Jagl. Ich erteile es ihr.