RN/77
15.09
Bundesrat Günther Ruprecht (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich darf zunächst einmal darauf eingehen, dass ich den Rednerinnen und Rednern der FPÖ heute wirklich gratuliere: Freundschaftsvertrag mit der Putin-Partei grandios erfüllt. Gratulation! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schennach [SPÖ/W].)
Bevor ich aber zu meiner Rede komme, Bundesratspräsidentin außer Dienst Mag.a Claudia Arpa, vielen Dank für deine heutigen Ausführungen, was das Klimaticket zwischen Kärnten und der Steiermark betrifft. Ich nenne es ja eine kleine Klimaticketfarce. Diese Geschichte wäre nämlich ganz leicht zu regeln. Es nennt sich Stichlinie zwischen Klagenfurt und Graz, und der südliche Raum wäre damit mit einem preiswerten Ticket großartig erschlossen. (Beifall bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.) Vielen Dank, liebe Claudia.
101 Seiten stark ist der Bericht der Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten über das EU-Programm 2025, das unter dem Motto „Gemeinsam vorankommen: Eine mutigere, einfachere und schnellere Union“ steht. Sicherheit für Europa, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit sowie Freiheit und Demokratie als Zielsetzung von 51 politischen Initiativen aus dem EU-Jahresprogramm bilden darin die Schwerpunkte.
Neben Themen wie Energiesicherheit, Klimaneutralität, die in diesem Bericht als demokratische Resilienz bezeichnete Stärkung demokratischer Grundstrukturen, die Herausbildung von technologischer Souveränität bei Schlüsseltechnologien wie künstlicher Intelligenz spielt besonders die Frage des Friedens – ja, die Frage des Friedens – und der sich verändernden Machtkonstellationen in Europa – wir haben es heute schon gehört – und in der Welt, vor allem in der Ukraine, eine wichtige Rolle.
In diesem Zusammenhang wird auch die Situation auf dem Westbalkan sehr intensiv ins Auge gefasst, und nur darauf möchte ich dann in wenigen Worten für die Steiermark eingehen.
Lassen Sie mich aber das heutige Datum noch einmal hervorheben: der 8. Mai, 80 Jahre Kriegsende. Ich darf vielleicht etwas erwähnen, das meine Heimat, auch die Landeshauptstadt Graz betrifft. Weltweit wird der 8. Mai als Tag des Kriegsendes gefeiert, außer in Graz. Da feiert die Kommunistische Partei morgen den 9. Mai, weil damals die Russen über die Ries nach Graz einmarschiert sind. Ich finde es unerhört, und das gehört einmal gesagt. Einfach ein Wahnsinn! (Beifall bei der ÖVP.)
2012 wurde die EU für ihren Einsatz für Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte in Europa mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet – eine großartige Auszeichnung. Die Begründung für diese Verleihung lautete damals: „Das Norwegische Nobelkomitee hat entschieden, dass der Friedensnobelpreis 2012 an die Europäische Union vergeben wird. Die Union und ihre Vorgänger haben über sechs Jahrzehnte zur Förderung von Frieden und Versöhnung beigetragen.“ – Ja, Frieden und Versöhnung. – „Seit 1945 ist diese Versöhnung Wirklichkeit geworden.“
Zum Schluss dieser Begründung heißt es: „Die Arbeit der EU repräsentiert Bruderschaft zwischen den Nationen und entspricht einer Form von Friedenskongress, wie Alfred Nobel dies als Kriterium für den Friedenspreis 1895 in seinem Testament umschrieben hat.“
Mit diesem Preis wurde also die Friedensarbeit der EU in Bezug auf ihre Mitgliedsländer gewürdigt, aber auch die Rolle in der Weltpolitik insgesamt angesprochen. Diese ist angesichts der heutigen Situation mit den Umbrüchen in der Weltpolitik besonders gefragt, obwohl es scheint, dass der Einfluss der EU in der Weltpolitik stark in den Hintergrund gerückt ist – schade.
Gerade deswegen spielt diese Frage der verstärkten Einbeziehung des Westbalkans in die EU eine wichtige Rolle – Kollege Schennach, du bist ein Kämpfer dafür; dafür ein großes Dankeschön –, um da den regionalen Einfluss der EU und damit die Friedensgrundlage zu stärken.
Die österreichische Position wird im Bericht so umschrieben: „Der Westbalkan ist außen- und europapolitische Priorität Österreichs. Vor dem Hintergrund der veränderten Sicherheitslage in Europa ist es entscheidend, diese Region noch stärker in den Fokus zu rücken und den Integrationsprozess mit Entschlossenheit voranzubringen. Die Region darf nicht Drittländern mit negativen Einflussversuchen überlassen werden. Somit ist die EU-Erweiterung um den Westbalkan mehr denn je als geostrategisches Instrument zu begreifen. Österreich tritt dafür ein, den Erweiterungsprozess dynamischer zu gestalten und wird die Umsetzung der österreichischen Vorschläge für graduelle Integration der Westbalkanstaaten in spezifische EU-Bereiche sowie eine vertiefte politische Zusammenarbeit weiterverfolgen.“
Infolge der geografischen Nähe und der historischen Entwicklung ist sich besonders die Steiermark ihrer Verantwortung für diesen Raum bewusst. Wenn etwa Südosteuropa – eine etwas problematische Bezeichnung für diese Region, weil sich doch manche der Länder zu Recht als Teil von Mitteleuropa sehen – einen Forschungsschwerpunkt der Karl-Franzens-Universität Graz bildet, so ist das ein Ausdruck dieser Verantwortung.
Die Kriege in Ex-Jugoslawien von 1991 bis 1995 und die damit verbundenen Flüchtlingsströme waren besonders herausfordernd für unser, für mein Bundesland, war es doch in vielerlei Hinsicht die erste Anlaufstelle für die Menschen auf der Suche nach Sicherheit.
Aus der historischen Konstellation ergibt sich auch die Chance, zu einem nachhaltigen Frieden in diesen Ländern – mit der Pflege der als Grundlage für einen solchen geltenden menschlichen Beziehungen – beizutragen, nicht mit der Ausübung von Macht, Gewalt und Druck, die wenn, dann nur oberflächlichen Frieden erzwingen könnten.
Dies gilt in der derzeitigen Situation besonders für Bosnien und Herzegowina. Wenn man in das Straßenverzeichnis von Graz schaut, wird man dort eine Zweierbosniakengasse finden. Das zweite Infanterieregiment der Bosniaken war ab 1894 in Graz stationiert – ein kleiner historischer Ausflug. Auf dem Soldatenfriedhof von Lebring, heute Bosniakenfriedhof, liegen 805 dieser bosniakischen Soldaten begraben. Das sind zwei kleine Hinweise darauf, wie eng die Beziehungen zwischen Bosnien und der Steiermark waren und noch immer sind.
Dies gilt aber nicht nur in militärischer Hinsicht, sondern heute besonders auf der Begegnungs- und Beziehungsebene in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht.
Angesichts einer drohenden Hinwendung von Teilen des Westbalkans – wir haben es heute schon gehört; denken wir nur an Serbien! – zu Russland kommt den Bemühungen um die Integration dieses Teils Zentraleuropas besondere Bedeutung zu.
Da zeigt sich also die besondere Aufgabe Österreichs in der Steiermark im Besonderen.
Insgesamt stellt dieser Bericht meines Erachtens ein abgerundetes Dokument mit wichtigen Zukunftsperspektiven dar, auf die hinzuarbeiten notwendig ist. Wie bei allen diesen Dokumenten ist die Frage zu stellen, ob dem Aufwand, der für die Erstellung betrieben worden ist, auch die Umsetzung, vor allem im Bereich der Mitgliedstaaten, entspricht. Die Devise: Global denken, lokal handeln! soll zum Finden des besonderen Ortes, als der Österreich wirksam werden kann und muss, beitragen. – Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)
15.18
Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.
Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.
Wünscht noch jemand das Wort? – Ja, bitte, Herr Klubvorsitzender.