RN/36

12.13

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Danke schön, Herr Vorsitzender! Werte Kolleginnen und Kollegen! Besucherinnen und Besucher hier bei uns im Haus! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, willkommen bei uns im Bundesrat! Ich möchte meine Rede heute mit einem Zitat beginnen: „Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie die Tiere behandelt.“ – Dieses Zitat wird gerne Mahatma Gandhi zugeordnet, das ist aber eher unsicher; doch ungeachtet dessen, wer diese Aussage getätigt hat, ob er es war oder jemand anderer: Es steckt viel Wahrheit hinter dieser Aussage. 

Es geht bei diesem Tagesordnungspunkt um ein Thema, das mir persönlich ein großees Herzensanliegen ist, nämlich den Tierschutz, einen besonderen Teilaspekt davon. Im Detail geht es um – ich sage einmal so – ein einigermaßen würdevolles, würdiges Leben von Nutztieren, im Speziellen um die Lebensbedingungen von Schweinen. Bei allem wirklich aufrichtigen Respekt, den ich vor allen Landwirtinnen und Landwirten habe – sie sorgen täglich dafür, dass wir mit gesunden und regionalen Lebensmitteln gut versorgt sind; dafür wirklich ein herzliches Dankeschön (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Trinkl [SPÖ/Bgld.]) –, bei allem Verständnis für die Herausforderungen, vor denen viele Landwirtinnen und Landwirte stehen, dürfen wir, glaube ich, nicht vergessen, worum es in der Nutztierhaltung in allererster Linie geht, nämlich um fühlende Wesen, um Lebewesen. 

Schweine sind außerordentlich intelligente Tiere. Wer schon einmal Schweine besucht hat – vielleicht nicht in einem Mastbetrieb, aber es gibt ja auch andere Möglichkeiten –, kann das bestätigen. Sie sind wirklich neugierig, sie sind lernfähig, sie sind ausgesprochen sozial, sie erkennen sich zum Beispiel selbst im Spiegel. Sie können Aufgaben lösen, sie können sogar mit Fernbedienungen Spiele bedienen. Sie kommunizieren miteinander. Sie empfinden Freude, sie empfinden aber auch Schmerz und Angst. 

Wenn ich mir die mittlerweile wirklich jahrelange Diskussion betreffend Schweinehaltung anschaue, das endlose Hin und Her um ein paar Quadratzentimeter mehr Platz, um etwas mehr Stroh als Beschäftigungsmaterial oder damit die Tiere darauf liegen können oder tatsächlich absurd lange Übergangsfristen – die Übergangsfrist in der letzten Änderung des Gesetzes zum Aus der Vollspaltenböden war wirklich zu lang –, wenn ich an all das denke, dann frage ich mich wirklich, ob die Tatsache, dass es da um lebende, um fühlende Wesen geht, allen Beteiligten immer bewusst ist. (Zwischenruf bei der FPÖ.)

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird der zentrale Punkt des 2022 beschlossenen schrittweisen Aus für die Vollspaltenböden gekippt. Was ursprünglich ab 2040 als verpflichtender Mindeststandard gelten sollte, wurde nicht vorgezogen, die Frist wurde gestrichen. Das Einzige, was nun gesichert ist, ist, dass ab 2034 der sogenannte strukturierte Vollspaltenboden Gesetz wird. Dabei war dieser von Anfang an nur als Zwischenschritt gedacht, weil er das Leid der Tiere nicht wirklich signifikant verringert. Die Liegefläche besteht nämlich weiterhin aus Spaltenboden, nur eben mit ein paar weniger Spalten. 

Was heißt das für die Tiere? – Das bedeutet – zusammengefasst –: Leid, Schleimbeutelentzündungen, Verletzungen, Lungenentzündungen, Atembeschwerden; all das bleibt an der Tagesordnung. 

Aufgrund des großen Stresses und der fehlenden Beschäftigung kommt es wesentlich häufiger zu Beißverletzungen, das führt wiederum dazu, dass trotz des EU-weiten Verbots im Jahr 1994 routinemäßig die Schwänze kupiert werden. Das ist ein irrer Teufelskreis auf dem Rücken dieser Lebewesen und eigentlich nicht zu akzeptieren. (Beifall bei den Grünen.)

Dabei ist klar im Tierschutzgesetz festgehalten: Tieren dürfen keine ungerechtfertigten Schmerzen oder Leiden zugefügt werden. Auch die Bevölkerung hat da eine ganz klare Meinung: Über 90 Prozent sprechen sich gegen Vollspaltenbodenhaltung aus. 

Durch den Wegfall dieser Frist fehlt jetzt jeder Druck, einen neuen Mindeststandard festzulegen. Der Bauernbund hat es ja auch schon bestätigt, in Chatgruppen war da zu lesen, dass es in den nächsten Jahren keine weiteren gesetzlichen Änderungen geben wird. Mit anderen Worten: Die Vollspaltenböden sollen mehr oder weniger wahrscheinlich auf Jahrzehnte einzementiert werden. 

Was jetzt gemacht wird, ist keine Reparatur des Gesetzes. – Schweine müssen endlich artgerecht gehalten werden, einigermaßen artgerecht. Wir als Gesellschaft müssen diese Transformation als gemeinsame Aufgabe begreifen. Dazu braucht es ein umfassendes Maßnahmenpaket für eine tiergerechte Schweinehaltung. Konsument:innen müssen transparent informiert werden, damit sie sich bewusst für tiergerechte regionale Produkte entscheiden können. Auch die öffentliche Hand hat wirklich großen Einfluss: Schon jetzt sieht der Aktionsplan nachhaltige Beschaffung 50 Prozent Schweinefleisch aus Mehr-Tierwohl-Betrieben vor. Doch diese Quoten werden bisher nicht eingehalten. Da braucht es einfach wirklich verbindliche Anstrengungen. (Beifall bei den Grünen.) Vor allem die Steuermittel müssen in die Zukunft lenken: zu Investitionen, die die Tierhaltung nachhaltig verbessern, statt Tierleid weiter zu zementieren. 

Aus diesem Grund bringen wir einen entsprechenden Entschließungsantrag ein, der Ihnen elektronisch zugegangen ist. 

Wir fordern ein verbindliches Maßnahmenpaket für eine tiergerechte Schweinehaltung; darin sind unter anderem klare Kennzeichnungspflichten, die konsequente Verankerung von Tierwohlkritierien in der öffentlichen Beschaffung und die gezielte Unterstützung von Bäuerinnen und Bauern, die ihre Betriebe zukunftsfit machen und tiergerecht führen wollen, enthalten. 


Es ist Zeit, dass wir einen klaren, verbindlichen Weg für eine Landwirtschaft, die Mensch, Tier und Umwelt gleichermaßen gerecht wird, einschlagen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

12.20

Der Gesamtwortlaut des Antrages ist unter folgendem Link abrufbar:

RN/36.1

TOP3 Unselbständiger Entschließungsantrag: Maßnahmenpaket für eine tiergerechte Schweinehaltung von Simone Jagl, Claudia Hauschildt-Buschberger, MMag. Elisabeth Kittl, BA, Marco Schreuder

Vizepräsident Markus Stotter, BA: Der von den Bundesräten Simone Jagl, Claudia Hauschildt-Buschberger, Elisabeth Kittl und Marco Schreuder eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Maßnahmenpaket für eine tiergerechte Schweinehaltung“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Thomas Schmid. Ich erteile ihm dieses.