RN/40
12.41
Bundesrätin Gabriele Kolar (SPÖ, Steiermark): Ich komme wieder zurück zum Thema (Heiterkeit und Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie Beifall der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W] – Bundesrat Schennach [SPÖ/W]: Sehr gut!), nämlich: Verbot von Vollspaltenböden, Novellierung des Tierschutzgesetzes.
Geschätzter Herr Vizepräsident! Geschätzte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörerinnen und Zuhörer auf den digitalen Kanälen! Ich möchte meine Rede heute mit einem Bild beginnen, das wir heuer im Frühjahr vor allem in der Steiermark als ganz furchtbar und schrecklich erfahren haben und das nicht aus unseren Köpfen geht: Schweine liegen regungslos in ihrem eigenen Kot, kaum Platz zum Drehen, offene Wunden, kein Licht, kein Stroh, kein Ausweg. Diese Bilder stammen nicht aus fernen Ländern, sondern sie stammen aus einem Betrieb aus dem Bezirk Leibnitz, aufgedeckt heuer, im April 2025. Ein Schweineskandal mitten in der Steiermark! Er hat uns mit voller Wucht vor Augen geführt, was es heißt, wenn ein System versagt, wenn Tiere nur noch als Ware behandelt werden, wenn Kontrolle nicht funktioniert und wenn die Gesetzgebung zögerlich ist.
Heute haben wir die Möglichkeit, das zu ändern. Mit dieser Novelle des Tierschutzgesetzes setzen wir ein klares Zeichen für das Tierwohl, für verbindliche Standards und für eine Landwirtschaft, die Zukunft hat, weil sie auf Qualität und Verantwortung setzt.
Diese Novelle ist – wie wir heute schon einige Male gehört haben – nicht freiwillig entstanden. Sie ist eine Reaktion auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, das klargemacht hat: Die bisherige Regelung mit einer 17-jährigen Übergangsfrist war verfassungswidrig, weil sie den Tierschutz nicht ausreichend berücksichtigt hat. Diese Novelle ist nicht vom Himmel gefallen, sie ist das Ergebnis, Frau Staatssekretärin, intensiver politischer Verhandlungen mit vielen unterschiedlichen Positionen – und ja, es war nicht einfach. Es wurde hart gerungen: um Fristen, um Standards, um die Frage, wie man Tierschutz und landwirtschaftliche Realität vereinen kann. Aber genau das ist unsere Aufgabe: Lösungen finden, die halten – vor dem Verfassungsgerichtshof und vor unserer Gesellschaft.
Und heute liefern wir! Die wichtigsten Eckpunkte wurden heute auch schon des Öfteren kundgetan. Ich möchte es noch einmal sagen, damit wir es alle auch weitererzählen können: Das Verbot der unstrukturierten Vollspaltenböden tritt mit 2034 in Kraft. Für etwa 170 Härtefälle gilt eine klare, begrenzte Ausnahmeregelung bis maximal 2038. Schon ab 2029 gelten Verbesserungen in den bestehenden Ställen: mehr Platz pro Tier – 0,8 statt 0,7 Quadratmeter – und verpflichtendes organisches Beschäftigungsmaterial wie Stroh, Seile oder Holz.
Manche mögen vielleicht sagen: 0,1 Quadratmeter mehr Platz, das ist doch kaum der Rede wert!, aber wer schon einmal – und ich weiß, dass dies viele von Ihnen schon einmal getan haben – einen Stall besucht hat, der weiß: Jeder zusätzliche Zentimeter bedeutet mehr Bewegungsfreiheit, weniger Stress und weniger Verletzungsgefahr. Das verhindert Verhaltensstörungen, Aggressionen, Schwanzbeißen und so weiter. Das ist ein echter Fortschritt – kein kosmetischer Eingriff, sondern ein klarer Schritt nach vorne.
Jetzt möchte ich mich ganz bewusst noch einmal an die Frau Kollegin von den Grünen, Frau Kollegin Jagl, wenden: Ich höre Ihre Kritik sehr wohl, dass es wieder zu wenig weit gegriffen ist (Zwischenruf der Bundesrätin Jagl [Grüne/NÖ]), dass Tierschutz sozusagen nicht, von unserer Seite, ordnungsgemäß ist oder weit genug geht, aber ich sage Ihnen ganz offen, geschätzte Frau Bundesrätin: Sie hatten mehr als ein Jahr Zeit, als Regierungspartei selbst zu handeln. (Zwischenruf der Bundesrätin Jagl [Grüne/NÖ].) All diese Forderungen, die auch in Ihrem heutigen Entschließungsantrag stehen, hätten Sie in dieser Zeit locker umsetzen können. (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Jagl [Grüne/NÖ].) Sie hätten dieses Gesetz nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes reparieren können, doch Sie haben es nicht getan. Stattdessen wurde 2022 ein Gesetz beschlossen, das so lange Übergangsfristen enthielt, dass der Tierschutz de facto ausgehebelt wurde. (Heiterkeit und Zwischenruf der Bundesrätin Jagl [Grüne/NÖ].) Das war Ihr Gesetz – es wurde aufgehoben, und das zu Recht.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen hier im Bundesrat, es wäre schön, wenn wir morgen alles ändern könnten, aber Politik braucht Umsetzbarkeit. Wir brauchen keine Maximalforderungen, die scheitern, sondern realistische Lösungen, die halten. Genau diese schaffen wir heute. Wir handeln für mehr Platz und Würde für die Tiere, für mehr Perspektive für unsere Bäuerinnen und Bauern und für eine Gesellschaft, die sich mit Recht das Tierwohl auf die Fahnen schreibt. (Beifall bei der SPÖ.)
Diese Bundesregierung mit Bundeskanzler Stocker, Vizekanzler Babler und unserer geschätzten Staatssekretärin Ulrike Königsberger-Ludwig, in deren Wirkungsbereich die Verantwortung für den Tierschutz liegt, zeigt Haltung; sie übernimmt, was andere versäumt haben. Sie, geschätzte Frau Staatssekretärin, setzen ein Zeichen mit einem Gesetz, das wirkt.
Wir dürfen nicht vergessen: Das Tierwohl ist ein Spiegelbild unseres gesellschaftlichen Werteverständnisses. Wie wir mit den Schwächsten umgehen, mit jenen, die sich selbst nicht wehren können, sagt viel über unsere Gesellschaft aus. Es geht um Respekt, es geht um Verantwortung und es geht darum, eine Haltung zu entwickeln, die mehr als ein Lippenbekenntnis ist.
Eine artgerechte, gesunde Tierhaltung ist auch die Grundlage für gesunde Lebensmittel. Sie ist ein Gebot des Respekts gegenüber den Tieren, aber auch gegenüber den Menschen, die dieses Fleisch konsumieren, und sie ist ein Teil unserer Verantwortung gegenüber kommenden Generationen, die von uns erwarten dürfen, dass wir nicht nur reden, sondern handeln.
Deshalb gilt abschließend ein großes Dankeschön ganz besonders jenen Landwirtinnen und Landwirten, die diesen Weg längst gehen, die mit großem Einsatz und oft unter schwierigen Bedingungen zeigen, dass Tierwohl und Qualität Hand in Hand gehen können. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Sumah-Vospernik [NEOS/W].)
12.49
Vizepräsident Markus Stotter, BA: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Königsberger-Ludwig. Ich erteile ihr dieses.