RN/22

10.53

Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Herzlichen Dank noch einmal – und Gratulation an den frisch gewählten Fraktionsvorsitzenden –, wir nehmen das Angebot auf die konstruktive Zusammenarbeit mit allen hier im Saal natürlich gerne auf.

Wir alle wissen ja auch, es sind herausfordernde Zeiten, die Budgets werden knapper, die Anforderungen an den Staat werden größer. Auch wir Grüne sagen, Sparsamkeit ist ein Gebot der Stunde – aber Sparsamkeit darf nie zum Selbstzweck werden, und sie darf vor allen Dingen nicht auf Kosten jener gehen, die sich am wenigsten wehren können. Kluge Budgetpolitik bedeutet, verantwortungsvoll hauszuhalten, aber an den richtigen Stellen, nicht dort, wo der soziale Zusammenhalt leidet, nicht dort, wo Grundrechte eventuell beschnitten werden, und vor allem nicht dort, wo wir bereits in der Vergangenheit gesehen haben, dass bestimmte Systeme, sei es im Medienbereich oder in der Sozialpolitik oder in der Klimapolitik, gescheitert sind oder überholt waren. Gute Politik misst sich nicht nur an Einsparungen in Millionenhöhe, sondern gute Politik stellt sich die Fragen: Was bewirken die Kürzungen? Wer ist betroffen? Und was kostet uns das eigentlich gesellschaftlich auf lange Sicht? 

Was wir derzeit erleben, ist leider in manchen Bereichen das Gegenteil: ein Rückgriff auf alte Rezepte, die wir aus gutem Grund hinter uns gelassen haben; ein Rückbau an Orten, wo wir eigentlich weiterbauen müssten – im Bereich unabhängiger Medien, im sozialen Schutzsystem, bei den Rechten von Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, beim Klimaschutz, um nur einige Beispiele aufzuzählen. 

Ein konkretes Beispiel für diese Rückwärtsbewegung erleben wir zum Beispiel auch bei der „Wiener Zeitung“. Ich erwähne die „Wiener Zeitung“ jetzt aus einem ganz bestimmten Grund: weil ich mich noch ganz genau daran erinnere, wie hier im Bundesrat jeder Einzelne, jedes einzelne Mitglied des Bundesrates von der SPÖ-Fraktion aufgestanden ist, insbesondere damals auch unser jetziger Vizekanzler, und für die Weiterführung der „Wiener Zeitung“ hier an diesem Rednerpult eingetreten ist. Und jetzt, was passiert jetzt? – Jetzt wird ausgerechnet bei diesem damals beschlossenen digitalen Erfolgsprojekt – das sich tatsächlich mutig neu erfunden hat, das journalistisch unabhängig, investigativ und preisgekrönt arbeitet – gekürzt; jetzt, wo es Wirkung entfaltet. Statt Medienvielfalt und Nachwuchsförderung erleben wir da einen massiven Rückschritt. 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie tatsächlich einladen, einen Blick auf die Website der „Wiener Zeitung“ zu werfen. Es ist großartig, was dort passiert, und es ist extrem schade, dass diese Kürzung jetzt genau dort, in dem Bereich passiert. 

Es bleibt aber nicht nur bei den Medien, sondern auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird in eine strukturelle Krise geführt. Durch die jetzt ergriffenen Maßnahmen, wie das Einfrieren des ORF-Beitrags, werden finanzielle Löcher in die Qualität des ORF gerissen und die Unabhängigkeit wird gefährdet. 

Jetzt komme ich zu einem ganz wichtigen Thema und zu einem besonders sensiblen Bereich, dem Erwachsenenschutz. Gerade hier, wo die Rechte von Menschen mit psychischer Erkrankung oder intellektueller Beeinträchtigung im Vordergrund stehen sollen, wo der Schutz und die Selbstbestimmung ausbalanciert werden müssen, geht diese Regierung mit diesem Budget jetzt einen gefährlichen Schritt zurück: mit längeren Fristen, mit dem Rückbau professioneller Abklärung und mit der Wiedereinführung von Pflichtvertretung durch Notar:innen und Anwält:innen, als wären wir wieder im Jahr 2017. Das ist tatsächlich nicht nur ein Systemfehler, das ist ein sozialpolitischer Rückschritt. 

Die Liste ist noch nicht zu Ende. Auch die Erhöhung der E-Card-Gebühr trifft genau jene besonders hart, die ohnehin wenig haben: Pensionist:innen, Alleinerzieher:innen, chronisch Kranke. Das Argument, dass damit andere soziale Entlastungsmaßnahmen finanziert werden, klingt logisch, tatsächlich handelt es sich in der Praxis aber um eine Kopfpauschale zulasten der Schwächsten. 

Nicht zuletzt trifft diese Budgetpolitik auch Menschen, die sich gerade auf den Weg zurück in den Arbeitsmarkt machen. Wenn der Bildungsbonus für Sozialhilfebezieher:innen gestrichen wird, wenn die Weiterbildung wieder zur Kür statt zur Pflicht wird, dann ist das kein Bürokratieabbau, sondern ein Signal der Entmutigung. Ein System, das Aufstieg durch Eigeninitiative predigt, darf nicht gleichzeitig die Leitern wegziehen.

Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Diese Budgetpolitik ist aus unserer Sicht kurzsichtig, unsozial und in vielen Punkten nicht zukunftstauglich. Sie verliert aus dem Blick, was Sparpolitik nicht darf: das Vertrauen in Gerechtigkeit, in Teilhabe und in demokratische Grundprinzipien untergraben. Sie belastet heute jene, die unsere Gesellschaft am dringendsten brauchen, und sie verspielt gleichzeitig die Chancen für morgen. 

All diese Punkte zeigen für uns: Diese Politik setzt falsche Prioritäten. Es sollte gerade heute darum gehen, unseren Sozialstaat als eine Investition in die Zukunft zu verstehen, als das, was er sein muss: keine Belastung, sondern eine Investition in die Gesellschaft von morgen. – Danke. 

10.59

Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Günther Ruprecht. Ich erteile es ihm.