RN/24

10.57

Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Danke sehr. – Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher! Besucherinnen und Besucher hier bei uns im Hohen Haus, willkommen! Wenn ich von den NEOS und von Ihnen, Herr Bundesminister, höre, was Sie in der Regierung im Bereich Bildung so alles vorhaben, dann stimmt mich das wirklich hoffnungsvoll. 

Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass im Bereich Bildung einiges reformiert gehört, und ich kann dem, was Kollegin Muthsam vorhin in der Aktuellen Stunde gesagt hat, nur hundertprozentig zustimmen. Die Herausforderungen sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch für Pädagoginnen und Pädagogen sind schon gewaltig. Bei dem, was da in dem Paket im Ministerratsvortrag Anfang Juli vorgestellt wurde, gibt es schon gute Ansätze. Wir werden aber gleichzeitig natürlich genau darauf schauen, welche Maßnahmen Sie dann in Zukunft tatsächlich umsetzen werden, um das Bildungssystem umzubauen, um das, was dringend notwendig ist, zu reformieren. 

Wir haben dazu heute schon viel gehört, und ich schließe mich auch dem Dank an, dass dem Thema in der Aktuellen Stunde wirklich so viel Raum gegeben wurde; ja, das ist wirklich eine ganz wichtige Sache. 

Die Vorhaben, die wir heute hier vorliegen haben, haben auf den ersten Blick tatsächlich großes Potenzial. Mit den Orientierungsklassen haben wir die Chance, eine neue Möglichkeit zu schaffen, benachteiligte Kinder beim erstmaligen Einstieg in eine Bildungszukunft zu unterstützen. Das ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu tatsächlicher Chancengleichheit. 

Auch wenn ich Kollegen Ruf wirklich sehr oft zustimme, muss ich ihm in seinem Lobgesang auf unser Schulsystem, dass jeder und jede, sofern er oder sie nur wirklich genügend fleißig ist, die gleichen Chancen in unserem Bildungssystem hat, ein bisschen widersprechen. Bildung wird in Österreich nach wie vor zu einem viel zu großen Teil vererbt. Die Zahlen dazu sind relativ eindeutig. 

Kollegin Gruber-Pruner ist schon sehr darauf eingegangen, und ich möchte noch einmal verstärken, worum es hier geht: Es geht hier in erster Linie um Kinder, die sich nicht ausgesucht haben, wie ihre Vergangenheit ist, woher sie kommen, wie sie bisher gelebt haben. Und ja, Kollegin Partl, die Orientierungsklassen sind für Kinder da, die eine Vergangenheit haben, ein Leben gehabt haben, von dem wir uns gar nicht vorstellen können, dass es so etwas Unglaubliches gibt, das vielleicht noch als Kindheit bezeichnet wird. Sie sind dazu da, um den Kindern eine Basis mitzugeben, damit sie überhaupt eine Chance haben, und jedes Kind hat gleiche Chancen verdient. (Beifall bei den Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

Uns ist schon auch klar, dass die Orientierungsklassen ein bisschen eine anlassbezogene Maßnahme sind. Es geht natürlich in erster Linie darum, die Deutschförderklassen zu entlasten, und das ist auch gut so. Die Pädagoginnen und Pädagogen in den Deutschförderklassen leisten wirklich Unglaubliches, und um diese zu entlasten, ist das natürlich absolut ein gutes Mittel.

Wir sollten aber nicht vergessen, worum es hier geht: Es geht in erster Linie um Kinder, die wir unterstützen wollen, die wir unterstützen müssen, die vielleicht noch nie eine Normalität erlebt haben, wie es für uns, für unsere Kinder selbstverständlich ist – Kindergarten, Schule –, die so etwas noch nie erlebt haben, um Kinder, die den Großteil ihres Lebens vielleicht auf der Flucht waren oder vielleicht viel zu lange in Flüchtlingscamps leben mussten. 

Noch einmal in Richtung FPÖ gesagt: Die Kinder haben sich das nicht ausgesucht. Kollegin Gruber-Pruner ist eh schon genügend auf die Rede meines Kollegen eingegangen. Ich bin da immer wieder ein bisschen sprachlos, wie man so über Kinder reden kann und sie so instrumentalisieren kann, um seine Agenda durchzubringen. Es geht hier um Kinder, um Kinder, die es einfach wirklich nicht leicht in ihrem Leben gehabt haben und die sich das nicht ausgesucht haben. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].)

Jetzt haben wir im Ausschuss erfahren, dass es durch das Aussetzen des Familiennachzugs ein bisschen die Hoffnung gibt, dass der Bedarf an diesen Orientierungsklassen gar nicht mehr so groß sein wird. Das ist ehrlich gesagt etwas zynisch. Die Orientierungsklassen werden eingeführt, um eben Kinder, die viel zu lange zum Beispiel in unhaltbaren Zuständen leben mussten, so gut wie möglich an eine neue Normalität heranzuführen, um ihnen erstmals die Chance auf Bildung zu geben. Und durch das Aussetzen des Familiennachzugs schaffen Sie erst recht noch viel mehr dieser bedauernswerten Kinder ohne Kindheit. Das ist eigentlich wirklich mehr als zynisch – aber gut.

Irgendwann können diese Familien hoffentlich wieder zueinanderfinden, und wenn es dann die Möglichkeit des späten, aber sanften Einstiegs in eine Bildungszukunft gibt, dann ist das zumindest ein Funken Hoffnung. Gleichzeitig sehen wir, die Entscheidungshoheit über Fördermaßnahmen liegt immer noch nicht wirklich bei den Schulen. Dabei bräuchte es gerade dort mehr Flexibilität und Ressourcen. Echte Schulautonomie im Bereich Sprachförderung schaut halt anders aus, da bräuchte es noch mehr. 

Und was wir auch sehen – und das ist wirklich ein großer Mangel, und dass das so ist, wurde auch im Ausschuss noch einmal bestätigt –: Die gesamte Ressourcenzuteilung sieht ausschließlich pädagogische Planstellen vor, keine Schulsozialarbeit, keine Psycholog:innen, keine interkulturelle Begleitung. Es ist natürlich klar, dass die Leitung der Klassen Pädagog:innen haben müssen, aber – wir haben es ja in der Aktuellen Stunde und in den Reden vor meiner schon gehört – gerade die vorhin beschriebenen Kinder bräuchten genau diese Unterstützung, eben durch Sozialarbeiter:innen, durch Psycholog:innen und vor allem durch interkulturelle Begleitung. Das steht wie gesagt ein bisschen im Widerspruch zu dem, was wir vorhin so gehört haben und was auch wirklich geplant ist, aber in diesem Bereich wäre gerade das besonders wichtig. 

Ein weiterer Punkt ist die angekündigte intensive Elternarbeit. Die Zusammenarbeit mit Eltern ist essenziell, ja, das wissen wir, aber wenn in den Erläuterungen von Sanktionen bei Nichtteilnahme die Rede ist, ohne dass das im Gesetzestext aufscheint, dann wirft das natürlich Fragen auf: Was genau sollen Eltern wirklich verpflichtend absolvieren und was passiert, wenn sie dem nicht nachkommen?

Meinen Informationen zufolge waren sogar die NEOS überrascht darüber, dass das in den Erläuterungen so drinnen steht. Da ist halt die Frage, warum das so in die Erläuterungen Eingang gefunden hat. Integration gelingt, das wissen wir, eher durch Unterstützung und nicht so sehr durch Drohungen.

Nun zu den neuen Ausbildungswegen in der Elementarpädagogik. Einige der Vorschläge, die wir als Grüne schon lange vorbringen, finden sich nun tatsächlich im Gesetz: Das außerordentliche Bachelorstudium, das mit dem Bachelor Professional abschließt, wird eingeführt. Damit öffnen wir endlich auch jenen Menschen den Zugang zur qualifizierten Elementarpädagogik, die keine Matura haben. Das ist ein wichtiger Schritt zu mehr Durchlässigkeit und Anerkennung von Lebenserfahrung, von Berufserfahrung. Auch die Öffnung unterschiedlicher Ausbildungswege an pädagogischen Hochschulen, an Fachhochschulen und weiteren postsekundären Bildungseinrichtungen ist wirklich richtig und ganz notwendig. Dass dabei fertige Konzepte aus der letzten Regierungsperiode übernommen wurden, zeigt, dass gute Ideen keine Parteigrenzen kennen, und das finden wir natürlich sehr begrüßenswert. 

Positiv ist außerdem, dass die Maßnahme befristet ist und eine verpflichtende Evaluierung vorgesehen ist. Qualität muss überprüfbar sein. Auch das ist ein grünes Anliegen.

Bei diesen begrüßenswerten Änderungen dürfen wir aber nicht stehen bleiben. Die Ausbildung in der Elementarpädagogik braucht nicht nur neue Wege, sondern sie braucht vor allem qualitative und systemische Weiterentwicklung und vor allem bessere Arbeitsbedingungen. Ich kenne wirklich viele Elementarpädagog:innen, ich komme aus dem Bereich. Das heißt, ich kenne mehr Elementarpädagog:innen, die kurz nach ihrer Ausbildung oder schon während ihrer Ausbildung aufgegeben haben, weil einfach die Arbeitsbedingungen nicht wirklich ideal sind. Wer den Beruf aufwerten will, der muss auch den Alltag in den Krabbelstuben und Kindergärten verbessern: durch faire Bezahlung, ausreichend Personal und gute Betreuungsschlüssel. Also da habe ich wirklich große Hoffnung, dass das angegangen wird. 

Zum Entschließungsantrag der FPÖ bezüglich Mobbing: Ja, Mobbing ist ein ernstes Problem, aber drastische Maßnahmen allein lösen halt so etwas nicht. Statt auf Ausschluss und Sanktionen zu setzen, bräuchten wir eigentlich einen frühzeitigen pädagogischen Zugang – auch hier wieder mehr Schulsozialarbeit, verpflichtende Mobbing-Präventionskonzepte an allen Schulen und Fortbildungen für Lehrkräfte zum Erkennen und Entschärfen von Konflikten. Schüler:innen, die andere verletzen, brauchen klare Grenzen, keine Frage, aber sie brauchen auch Unterstützung. Durch Begleitung und nicht durch Ausgrenzung schaffen wir ein sicheres und respektvolles Schulklima für alle. 

Zu den vorliegenden Punkten kann ich abschließend nur sagen: Wir sehen da viel Licht, ein bisschen Schatten, aber viel Licht, und wie versprochen sind wir sehr konstruktiv. Wir fokussieren uns auf die guten Punkte, die da weitergehen, und werden dem sehr gerne zustimmen. – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)

11.07 

Vizepräsident Günther Ruprecht: Vielen Dank, Frau Kollegin. 

Zu Wort gemeldet ist unsere Bundesrätin Amelie Muthsam. Ich erteile es ihr. 

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.