RN/25

11.08

Bundesrätin Amelie Muthsam (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal, aber auch zu Hause vor den Bildschirmen! Stellt euch vor, stellen Sie sich vor: Sie kommen in ein neues Land. Sie können die Sprache nicht, waren vielleicht noch nie oder lange nicht mehr in der Schule. Vielleicht haben Sie noch nie eine Tafel gesehen, einen Schulrucksack getragen oder eine Schulglocke gehört. Alles ist neu: die Menschen, die Regeln, das Leben.

An dieser Stelle gibt es jetzt zwei Szenarien, wie man damit umgeht: Es gibt das, was sich die FPÖ vorstellt: Kinder sollen Deutsch lernen, aber ohne dass sie Unterricht bekommen. Sie sollen österreichische Bräuche kennenlernen, aber ohne dass sie mit österreichischen Kindern in Kontakt kommen. Ob du jemals lesen gelernt hast – egal. Ob du weißt, wie Schule hier funktioniert – egal. (Bundesrat Pröller [FPÖ/OÖ]: Wer sagt das?) – Sie selber haben das gesagt! (Bundesrat Pröller [FPÖ/OÖ]: Nein!) Wenn man die Debattenbeiträge heute hier verfolgt, kriegt man ja das Gefühl, Sie bei der FPÖ sind alle wahre Sprachtalente, wenn Sie sich das so einfach vorstellen, dass man neue Sprachen lernt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

Zuerst werfen Sie uns vor, dass wir hier Symbolpolitik machen (Zwischenruf der Bundesrätin Partl [FPÖ/T]), und dann reden Sie bei einem Tagesordnungspunkt betreffend die Bildungspolitik über das Kopftuchverbot. Ich will auch nicht, dass jungen Mädels irgendetwas aufgezwungen wird, aber hier reden wir über ein anderes Thema. Das löst diese Probleme nicht. Also hören Sie auf mit Ihrer - - (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Reden wir hier über Schule oder nicht? Passt es zur Bildungspolitik oder nicht? Wo sollen wir es sonst einbringen? Es geht um die Schule, Frau Kollegin! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich weiß, dass es um die Schulen geht. Auch in Ihrem Regierungsprogramm, das Sie gemeinsam mit der ÖVP im Jänner auszuarbeiten begonnen haben, sind diese Orientierungsklassen enthalten. Und wo stehen sie denn drinnen? In welchem Kapitel stehen die Orientierungsklassen drinnen? (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Wir werden Sie das nächste Mal fragen, welche Anträge wir einbringen dürfen!) – Sie stehen im Kapitel zur Bildungspolitik und nicht im Kapitel zur Integrationspolitik, in Ihrem eigenen Programm. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

Ich kann es gar nicht glauben (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ich auch nicht!), dass wir das heute hier schon so oft haben sagen müssen. (Neuerlicher Ruf bei der FPÖ: Ich auch nicht!) – Ja, das glaube ich Ihnen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) 

Aber ich muss es trotzdem noch einmal sagen: Wir reden hier über Kinder – Kinder, die aus Kriegsgebieten hierher flüchten, nicht wissen, wie sie sich hier zurechtfinden sollen, Kinder, die Gewalt erlebt haben, die Krieg erlebt haben, und Sie reden so über diese Menschen, über diese Kinder! Jedes Kind hat das Recht auf Bildung und einen guten Start hier. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie der Bundesrätin Hauschildt-Buschberger [Grüne/OÖ].) 

Deswegen gibt es noch ein zweites Szenario, und das ist das, an dem wir hier konstruktiv und produktiv arbeiten. Kinder, die neu in Österreich ankommen, bekommen einmal Zeit, dass sie hier ankommen. Sie müssen nicht sofort in den normalen Unterricht, sie können sich einmal in einem speziellen Unterricht zurechtfinden. Was passiert dort? – Man lernt, sich zu verständigen, die ersten Wörter Deutsch, Lesen und Schreiben. Das ist ja das, was Sie immer fordern. Es geht ja genau darum: dass sie lernen, wie Schule und Gesellschaft hier funktionieren und wie wir hier zusammenleben wollen. 

Orientierung heißt nicht nur Sprachunterricht. Diese Kinder haben Krieg erlebt, Flucht, Unsicherheit, die wissen nicht, wie sie sich zurechtfinden, die brauchen nicht nur Grammatikregeln oder irgendwelche Politiker:innen, die ihnen erklären, wie sie hier zu leben haben. 

All das geben wir ihnen in diesen Orientierungsklassen. 

Natürlich hat dieses Modell Grenzen, wir werden damit auch nicht alle Probleme lösen. Es fehlt natürlich eine Begleitung für diese Phase des Ankommens. Viele dieser Kinder bringen dramatische Erfahrungen mit, die weit über sprachliche Hürden hinausgehen. Sie brauchen mehr als Unterricht, sie brauchen diese psychosoziale Begleitung, Elternarbeit und kulturelle Übersetzungsleistungen. Diese Realität wird vielleicht noch unzureichend mitbedacht, aber die Orientierungsklassen sind ein Anfang und sie sind vor allem ein Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.) 

Integration beginnt nicht damit, dass man irgendwelche Forderungen an Kinder stellt, sie beginnt damit, dass man Strukturen schafft, die ihnen die Teilhabe auch ermöglichen. Und die Orientierungsklassen tun das – nicht perfekt, aber mit einem sehr klaren Ziel: nicht überfordern, sondern befähigen, nicht ausschließen, sondern vorbereiten. 

In einer Zeit, in der Integration oft nur so als Schlagwort irgendwo auftaucht, ist das ein konkreter und ein verantwortungsvoller Ansatz, und genau das ist der Unterschied: Wir machen keine Symbolpolitik, sondern Bildung, die wirklich ankommt. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.) 

11.12

Vizepräsident Günther Ruprecht: Danke, Frau Kollegin.

Zu Wort gemeldet ist Bundesrätin Antonia Herunter. Ich erteile es ihr. 

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.