RN/42
12.18
Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Vielen Dank. – Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher hier und vor den Bildschirmen! Ich habe neben mir eine tolle recherchierende Kollegin sitzen – danke, Simone. Wir haben uns doch sehr gewundert, warum die FPÖ plötzlich so eine flammende Rede gegen den Bundestrojaner und für den Datenschutz gehalten hat, denn nicht nur das Gesetz zum Bundestrojaner, das der Verfassungsgerichtshof aufgehoben hat, wurde damals von FPÖ und ÖVP mit abgestimmt, genauso hat der ehemalige Innenminister Kickl explizit eine Messengerdienstüberwachung gefordert und sagte auch, der Staat bekomme zu wenige Daten.
Wir haben wirklich unzählige Namen, die für diese Messengerdienstüberwachung waren: Walter Rosenkranz, Johannes Gudenus, Erwin Angerer, Harald Stefan, Werner Herbert, Christian Lausch – alles FPÖ Mandatar:innen. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ich war damals auch dafür, falls Sie es wissen wollen! Aber dann kam Ihre Coronapolitik, und dann war alles anders!) – Ja. – Nein, waren wir nicht.
Innenminister Karner (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Na kommen S'! Gehen Sie auf das ein, Frau Kollegin!), ja, der sprach im Nationalrat von einem besonderen Tag für die Sicherheit in Österreich. – Es ist ein besonderer Tag, aber nicht für die Sicherheit, sondern für die Unsicherheit in Österreich, nämlich die Unsicherheit betreffend unsere Grund- und Freiheitsrechte.
Ich möchte wieder in Erinnerung rufen: Bei Grundrechtsfragen – ich finde es auch ganz spannend, dass die FPÖ heute glaubt, das zu verstehen – ist es wichtig, abzuwägen. Einerseits geht es um die Sicherheit im Sinne der Unversehrtheit, aber auch um die Sicherheit unserer privaten Kommunikation vor Überwachung, und der Staat muss beides gewährleisten können.
Diese Novelle aber erlaubt dem Staat mittels Spionagesoftware durch die Türe von Sicherheitslücken in unsere Privatsphäre, und das Handy ist eben so ein riesiger Privatraum, einzudringen. Das verletzt das Grundrecht, nämlich das Grundrecht auf Privat- und Familienleben, auf das Fernmeldegeheimnis und das Recht auf Datenschutz, immens. Das sagen – und das haben wir immer schon gesagt – nicht nur wir Grüne, sondern das sagen auch 90 seriöse Organisationen im Begutachtungsverfahren. 40 nationale und internationale Organisationen sind in einem offenen Brief gegen das Gesetz, und ganz aktuell auch die UNO in ihrer Überprüfung der Mitgliedstaaten im Bereich Menschenrechte.
Das Problem ist, es kann derzeit nicht gezielt auf einzelne Messengerdienste auf dem Handy zugegriffen werden, sondern es kann nur das gesamte Handy mit dem Einsatz sogenannter Bundestrojaner, die mittels Spionagesoftware Sicherheitslücken in Geräten ausnützen, überwacht werden. Genau das ist es eben, was der Verfassungsgerichtshof aufgehoben hat. Wir haben diese Handyüberwachung – das ist es nämlich, eine Handyüberwachung und keine bloße Messengerdienstüberwachung – in unserer Regierungsbeteiligung fünf Jahre entschieden abgelehnt. Wir als Staat müssen eigentlich Sicherheitslücken schließen und für eine sichere digitale Infrastruktur sorgen, um unsere Privatsphäre zu schützen, sie aber nicht bewusst offen lassen und geheim halten.
Darüber hinaus können diese Sicherheitslücken natürlich auch von uns nicht wohlgesinnten Geheimdiensten und Hackern genutzt werden, um Angriffe auch auf unsere kritische Infrastruktur auszuüben. Das betrifft Krankenhäuser, das betrifft Züge, Mobilfunk, Strom-, Wasserversorgung et cetera, et cetera. Das ist kein schöner Gedanke.
Wir müssen auch vorsichtig sein und auf unsere Demokratie schauen. Durch demokratiefeindliche Strömungen oder Akteur:innen besteht immer die Gefahr der schleichenden Ausweitung solcher Instrumente. Überall, wo es zum Einsatz von Spionagesoftware und zum Offenhalten von Sicherheitslücken gekommen ist, gab es Missbrauchsfälle, wir haben es gehört. Denken wir an die Spionagesoftware Pegasus, mit der in Spanien oder Polen Mobiltelefone von Journalist:innen, Aktivist:innen und sogar Regierungsmitgliedern überwacht wurden, aber auch in Italien gab es dieselben Vorfälle gegenüber Kritiker:innen.
Sehr geehrter Herr Himmer, es ist schon etwas anderes, wenn aus dem Blauen heraus ohne Eröffnung eines Strafverfahrens Handys überwacht werden, oder wenn das in einem Strafverfahren ausgewertet wird. (Bundesrat Himmer [ÖVP/W]: Aha!) Geheimdienste handeln im Auftrag der Regierung. Ihnen sollen - - (Bundesrat Himmer [ÖVP/W]: Also terroristische Aktivitäten sind weniger gefährlich, als wenn man bei jemandem die Aussage im U-Ausschuss ...? Was ist denn das Gefährlichere? Was ist denn das Gefährlichere?) – Ja, aber es geht nicht um die Terrorist:innen, da kann man auch andere Instrumente und Maßnahmen setzen (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ] – erheitert –: Die Terrorist:innen, weil ...! Aber zumindest ist sie konsequent beim Gendern, das muss man ihr zugestehen!), sondern es geht um die ganze Bevölkerung Österreichs, vor allem um die kritische. Geheimdiensten solche Instrumente in die Hand zu geben, das traut man sich jetzt jedenfalls, sehr geehrte Kolleg:innen von der SPÖ, den NEOS und der ÖVP, aber ich frage mich: Würden Sie sich das auch bei einer rechtsrechten Regierung – die wir ja fast schon hatten – mit einer Partei, die Umweltaktivist:innen als Terrorist:innen bezeichnet, trauen?
Das Risiko, dass diese Überwachungsmöglichkeit in die falschen Hände kommt, wollen wir nicht eingehen, und das sollten Sie, sehr geehrte Regierungsparteien, auch nicht tun. Wir werden diese Novelle weiterhin kritisch begleiten und ja, wir werden eine Überprüfung beim Verfassungsgerichtshof einbringen, denn der beste Schutz unserer Sicherheit sind demokratische Prinzipien und eine starke, freie und kritische Gesellschaft. Wir Grünen haben unser Wort gehalten und in fünf Jahren Regierung mit der ÖVP diese Überwachungsinstrumente verhindert. SPÖ und NEOS sind innerhalb weniger Monate umgefallen. Das ist meiner Meinung nach ein koalitionärer Misserfolg und eine demokratiepolitische Bankrotterklärung.
Genauso aber ist es ein falsches Signal und ein falsches Spiel mit dem Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, wenn man Sicherheit verspricht, die aber eigentlich noch mehr Unsicherheit zur Folge hat. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)
12.25
Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dominik Reisinger. – Bitte.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.