RN/45

12.39

Staatssekretär im Bundesministerium für Inneres Mag. Jörg Leichtfried: Vielen Dank, Herr Vorsitzender! Geschätzte Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Sehr geehrter Herr Zuseher, Sie sind noch immer alleine da, vielleicht kommt noch jemand! (Allgemeine Heiterkeit.) Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe den Redebeiträgen bis jetzt mit großem Interesse und großer Akkuratesse zugehört und möchte eines aufnehmen, das Sie, Herr Bundesrat Pröller, angemerkt haben, weil ich ganz Ihrer Meinung bin, nämlich, dass sich die Menschen massiv Sorgen machen. Es gibt da EU-weite Umfragen – und ich denke, das dürfte auch ziemlich auf Österreich zutreffen –, dass sich beispielsweise 64 Prozent der Menschen Sorgen um ihre Sicherheit machen. 

Ich habe lange über diese Situation nachgedacht, und mir ist schon etwas aufgefallen, das uns allen gemeinsam zu denken geben sollte. Menschen, die ungefähr in meinem Alter sind, also schon relativ alt sind (Bundesrat Schwindsackl [ÖVP/Stmk.]: Na ja!) – na ja, schon; ich fühle mich zumindest manchmal so –, haben ein unglaubliches Privileg genossen, nämlich, in Mitteleuropa in einer Zeit aufwachsen zu können, als Mitteleuropa prosperiert hat wie nie zuvor. Diese Prosperität war auch der geopolitischen Situation geschuldet. Mitteleuropa war politisch stabil, wirtschaftspolitisch stabil, es war sicher, und es war eine Zeit, in der Menschen sich eigentlich wenige Sorgen machen mussten. 

Und diese Zeit ist leider ungefähr seit 2016 vorbei. Die weltpolitische Situation hat sich massiv geändert. Das, was wir alle gekannt haben – Recht, Ordnung, dass nicht das Recht des Stärkeren gilt, sondern die Stärke des Rechts –, hat sich geändert. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Warum?) – Sie fragen, warum. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Das muss ja wer zugelassen haben!) Wir erleben den Niedergang eines weltpolitischen Systems, das eine Zeit lang gut funktioniert hat, das jetzt aber nicht mehr funktioniert. Wir erleben hingegen internationale Krisen, Kriege, Auseinandersetzungen, und all diese Auseinandersetzungen und Kriege wirken im Gegensatz zu früher direkt nach Österreich herein. Jede internationale Krise hat Auswirkungen auf unsere Sicherheitssituation. Jede internationale Krise hat massiven sicherheitspolitischen Einfluss in Österreich.

Und, sehr geehrte Damen und Herren, dieser Entwicklung müssen wir begegnen. Es ist eine Herausforderung, der wir begegnen müssen. Da braucht es auch etwas, das wir vielleicht lange nicht so gebraucht haben, nämlich Mut. Und Mut ist etwas, das Aristoteles schon als kluge Selbstüberwindung im Dienste des Guten beschrieben hat. Kluge Selbstüberwindung im Dienste des Guten ist das, was wir jetzt brauchen, um diesen neuen Bedrohungen entgegentreten zu können. 

Es ist Terrorismus, aber Terrorismus von mehreren Seiten, geschätzte Damen und Herren. Es ist Radikalisierung, es ist Desinformation, es ist der Angriff auf unser demokratisches System. Das sind die Dinge, die uns jetzt herausfordern, und denen müssen wir als Republik entgegentreten, sehr geehrte Damen und Herren. Das ist unsere Aufgabe. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Das beginnt leider schon im Kinderzimmer. Das ist auch ein Phänomen, das jetzt nicht mehr so neu ist, aber das es zum Beispiel in meiner Kindheit nicht gegeben hat: diese Radikalisierung durch Social-Media-Plattformen, diese Radikalisierung durch das Internet – sagen wir es so! –, wo Zehnjährige Sachen sehen, die wir uns wahrscheinlich nicht einmal anzuschauen trauen würden, wo Zwölfjährige schon radikalisiert sind, wo 14-Jährige Terroranschläge planen. Das hat es zu der Zeit, als wir aufgewachsen sind, so nicht gegeben, und auch darauf ist zu reagieren, geschätzte Damen und Herren. Da braucht es Lösungen. 

Diese Radikalisierung führt eben auch dazu, dass die Terrorgefahr in Österreich größer geworden ist, und Terrorgefahr bedeutet, dass Menschenleben bedroht sind, dass unsere Sicherheit massiv bedroht ist. Dem ist entgegenzutreten.

Sehr geehrte Damen und Herren, stellen Sie sich den Verfassungsschutz als erste dünne rote Linie vor, auf die Menschen, Organisationen, Staaten treffen, die Österreich schaden wollen! Diese dünne rote Linie braucht auch stählerne Spitzen, und eine dieser stählernen Spitzen kann die Gefährderabwehr, die Gefährderüberwachung sein. 

Worum geht es da? – Es geht nicht um Massenüberwachung. Auch wenn Sie es so oft wiederholen, wie Sie es hier getan haben: Es geht nicht um Massenüberwachung. Und das ist der große Unterschied zu der Regelung, die der Verfassungsgerichtshof aufgehoben hat. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.) Das war Massenüberwachung, und deswegen ist es auch aufgehoben worden. 

RN/45.1

Ich möchte jetzt zwei Dinge aufgreifen, die von Ihnen angesprochen wurden, weil es wesentlich ist, dass man darüber spricht. Frau Bundesrätin Jäckel und Frau Bundesrätin Kittl, Sie haben von den Handys und den Sicherheitslücken gesprochen. Ich kann Ihnen etwas berichten: Ich habe – (ein Smartphone in die Höhe haltend) das ist es – ein Dienst-I-Phone bekommen, als ich Staatssekretär wurde. Ich werde, Herr Kollege Himmer, schauen, dass wenige private Nachrichten drauf sind. (Heiterkeit bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) Dann erspart man sich wahrscheinlich manches Theater. 

Das nimmt auch, geschätzte Bundesrätinnen von den Grünen, die Beantwortung einer Anfrage der Frau Nationalratsabgeordneten Zadić vorweg. Die hat nämlich gefragt, ob ich so etwas habe. Also Sie können ihr sagen – exklusiv, bevor die Anfragebeantwortung kommt –: Ja. (Allgemeine Heiterkeit.) Es kostet 12 Euro im Monat, das ist auch angefragt gewesen. Also ich bitte, das gleich weiterzuleiten. 

Aber die Frage war ja die der Sicherheitslücken, und es gibt auf diesem Handy Sicherheitslücken. Ich finde, es ist die verdammte Aufgabe des Unternehmens Apple, dafür zu sorgen, dass diese Sicherheitslücken geschlossen werden. Das passiert bei den Updates. Es kann aber nicht die Aufgabe der Republik sein, für die Firma Apple Sicherheitslücken zu schließen. Das würden wir ja gar nicht schaffen. Es schafft kein Staat der Welt, das zu tun, geschätzte Damen und Herren. (Zwischenruf bei der FPÖ.) 

Wenn Apple seine Handys sicherer macht, ist das Sicherheit für alle. Aber es ist nicht Aufgabe Österreichs (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Das hat nie jemand behauptet!), Sicherheitslücken auf einem Handy zu schließen, ob es jetzt von Apple oder von einer anderen Firma ist. Ich glaube, das sollte man schon einmal klarstellen. Es ist Aufgabe der Unternehmen, das zu tun. Die verkaufen das, die verdienen damit, und die sollen auch dafür sorgen, dass es sicher ist, geschätzte Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ein zweiter Punkt, den ich noch ansprechen möchte – ich möchte nicht zu lange reden und Ihre Zeit da zu stark in Anspruch nehmen –, weil das auch angesprochen worden ist: Wen würde diese Gefährderüberwachung betreffen? – Es ist ganz bewusst im Gesetz ein Begriff verwendet worden, der ganz klar sagt, worum es geht. Es geht einerseits um Spionage, und es geht um verfassungsgefährdende Angriffe, die – und das haben Sie jetzt nie erwähnt, wenn Sie davon gesprochen haben – mit mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind. Und das, sehr geehrte Damen und Herren, sind potenzielle Mörder, potenzielle Totschläger. Wer sich auf deren Seite stellen möchte, kann das tun. Ich möchte das nicht tun, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Selbstverständlich – und das ist der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte – ist die Gefährderüberwachung ein Grundrechtseingriff. Das ist selbstverständlich, und das muss man selbstverständlich auch klar sagen. Aber diese Art von Grundrechtseingriff ist der österreichischen Rechtsordnung nicht fremd. 

Die StPO sieht die Handyauswertung vor. Die Handyauswertung ist ohne größere Probleme durchführbar, wird in der polizeilichen Praxis sehr oft angewandt. Der Unterschied zur Gefährderüberwachung ist – und das ist schon ein wesentlicher Unterschied –, dass die Handyauswertung nach StPO eine versuchte Tat oder eine Tat braucht. Dahinter gibt es natürlich auch Grundrechtsschutz. Das regelt die StPO. 

Die Gefährderüberwachung – und das ist der große Unterschied – setzt vor der Tat ein, um die Tat zu verhindern. Das braucht natürlich mehr Rechtsschutz, mehr Grundrechtsschutz und mehr Missbrauchsschutz. Und das ist meines Erachtens da auch gegeben. 

Geschätzte Damen und Herren, diese Gefährderüberwachung wird keine Garantie sein, dass Anschläge verhindert werden, aber sie macht die Wahrscheinlichkeit, dass sie verübt werden, geringer, und sie sorgt dafür, dass die, die Anschläge planen, sich dabei in Zukunft unsicherer fühlen müssen. Ich glaube, das ist ein Schritt, der notwendig ist, der für die Sicherheit in unserem Land getan werden muss. 

Ich darf die Gelegenheit noch nutzen, mich am Ende meiner Ausführungen bei all jenen dafür zu bedanken, die diese dünne rote Linie bilden, mit ihrem ganzen Einsatz, mit ihrer ganzen Kraft, um die Menschen in Österreich zu schützen. Das ist nicht selbstverständlich, das ist nicht eine Arbeit wie jede andere, das ist eine gefährliche, anstrengende, fordernde Arbeit. Herzlichen Dank, dass Sie alle diese Arbeit leisten. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Kofler [FPÖ/NÖ].)

12.50

Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Barbara Prügl

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.