RN/17
11.03
Bundesrat Christian Fischer (SPÖ, Niederösterreich): Geschätzte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Liebe Zuseherinnen und Zuseher vor den Bildschirmen! Wenn wir heute über Finanzbildung reden, dann reden wir nicht über trockene Zahlen oder Raketenwissenschaften. Wir reden über das, was die Menschen in unserem Land tagtäglich spüren: Was bleibt am Monatsende übrig? Kann ich mir das Leben noch leisten?
Finanzbildung ist für mich, zu verstehen, wie Politik mit dem Geld unserer Menschen umgeht, und da müssen wir ehrlich sein: Wir tragen ein schweres Erbe. Das, was wir heute vorfinden, ist kein Zufall.
2017 haben wir zuletzt Regierungsverantwortung gehabt und ein ausgeglichenes Budget übergeben. Was ist danach passiert? – In nur sieben Jahren hat sich die Situation drastisch verschlechtert. Die Finanzschulden des Bundes haben sich um 299 Milliarden Euro erhöht, gesamtstaatlich ist die Schuldenquote auf 81,8 Prozent des BIP gestiegen. Gegenfinanzierungen wurden abgeschafft, Milliarden Euro an Steuergeschenken verteilt, Konzerne entlastet, zum Beispiel durch die Senkung der Körperschaftsteuer von 25 auf 23 Prozent, während die arbeitenden Menschen draufgezahlt haben.
Wir waren seit 2017 nicht in der Regierung, und wir haben zusehen müssen, wie Verantwortung durch Show ersetzt wurde und wie aus Stabilität Schuldenberge wurden. Im Frühjahr sind wir vor einer Richtungsentscheidung gestanden: Wollen wir uns einfach nur beschweren oder übernehmen wir Verantwortung? – Wir übernahmen Verantwortung, weil es notwendig ist – weil wir wieder Ordnung, Ehrlichkeit und Gerechtigkeit in unser Land bringen wollen. Und ja, wenn man Verantwortung übernimmt, heißt das auch, Maßnahmen zu setzen: jene Großkonzerne wie Google, Amazon und Co stärker in die Pflicht zu nehmen, die hier Milliarden verdienen, aber kaum Steuern zahlen – Österreich gehen dadurch jedes Jahr bis zu 1,5 Milliarden Euro durch die Lappen, während das Geld den Menschen fehlt, die jeden Tag hart arbeiten müssen (Beifall bei der SPÖ) –; Banken und Energiekonzerne zu besteuern, die in Krisenzeiten Rekordgewinne schrieben, während viele Menschen darum kämpfen, ihre Stromrechnung oder den Kredit fürs Eigenheim zurückzubezahlen; gegen den Österreichaufschlag vorzugehen, der unsere Wirtschaft und unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seit Jahren benachteiligt; und natürlich müssen wir über eine Reichensteuer nachdenken – nicht, weil wir jemanden bestrafen wollen, sondern weil es gerecht ist, dass die breiten Schultern mehr tragen, wenn das Land auf der Leistung der Fleißigen ruht. (Beifall bei der SPÖ.)
Das ist sozialdemokratische Verantwortung: nicht zuschauen, sondern handeln.
Nun zur Thematik der Pensionserhöhungen: Ich sage es offen, ich bin nicht zufrieden mit dem Ergebnis, das herausgekommen ist. Aufgrund des Budgetschlamassels, das uns die Vorgängerregierungen hinterlassen haben, war es aber anders nicht möglich. Ja, wir haben dafür gesorgt, dass über 70 Prozent der Pensionistinnen und Pensionisten, also rund 1,65 Millionen Menschen, die volle Inflationsabgeltung von 2,7 Prozent erhalten haben. Aber auch wer mehr ins System eingezahlt hat, hat dies mit Arbeit, Leistung und Verantwortung erwirtschaftet, und ich persönlich hätte mir gewünscht, dass auch diejenigen, die jahrzehntelang eingezahlt haben und das Land getragen haben, die volle Anpassung bekommen.
Natürlich betone ich und fordere dazu auf, dass nächstes Jahr wie besprochen der Seniorenrat früher und besser eingebunden werden muss, denn unsere Pensionistinnen und Pensionisten sind keine Randgruppe, sie sind das Fundament unseres Landes und sie verdienen es, gehört zu werden, nicht am Ende, sondern am Anfang jeder Verhandlung. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)
Ferner müssen wir uns trauen, über Gerechtigkeit im System zu sprechen. Es geht nicht darum, jemanden auszuschließen oder zu verurteilen, aber es ist richtig, zu sagen: Wer nie in unser Sozialsystem eingezahlt hat, kann nicht dieselben Ansprüche haben wie jemand, der ein Leben lang bei uns gearbeitet und eingezahlt hat. Das ist keine Härte, das ist Fairness.
Wir haben ein schwieriges Erbe übernommen, aber mit Finanzminister Marterbauer endlich jemanden, der wirtschaftlich denkt und sozial handelt, einen, der Verantwortung übernimmt und Reformen anpackt, statt sich hinter Überschriften zu verstecken. Während wir hier reden, ist Finanzminister Marterbauer, wie unsere Staatssekretärin erwähnt hat, gerade in Brüssel (Bundesrat Himmer [ÖVP/W]: Und da redet er auch, nicht?), wo er für die finanziellen Interessen Österreichs kämpft. Das zeigt: Wir sind am richtigen Weg, wir stehen auf, wir handeln und wir kämpfen in Österreich und in Europa für Gerechtigkeit.
Als Bürgermeister sehe ich jeden Tag, wo die Politik ankommt: in den Gemeinden. Dort wird gearbeitet, geholfen, entschieden. Viele Gemeinden, vor allem die mehr als 1 000 Abgangsgemeinden, kämpfen aber derzeit ums finanzielle Überleben. Wir Bürgermeister können oft nur noch verwalten statt gestalten, weil das Geld fehlt und der Handlungsspielraum immer kleiner wird. Wenn wir über Standortpolitik sprechen, müssen wir endlich auch unsere Gemeinden stärken, denn sie sind die Wirtschaftsmotoren unserer Regionen.
Finanzbildung ist Zukunftsbildung, aber sie ist auch Bewusstseinsbildung. Finanzbildung heißt, zu verstehen, dass Politik Verantwortung bedeutet, und Verantwortung heißt, hinzuschauen, wo es wehtut, und zu handeln, wenn es notwendig ist. (Beifall bei der SPÖ.)
Wir übernehmen Verantwortung für ein gerechtes Österreich. Das ist sozialdemokratische Finanzpolitik – ehrlich, fair und zukunftsorientiert. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ.)
11.10
Vizepräsident Günther Ruprecht: Als Nächster zu Wort gemeldet ist unser Kollege Bundesrat Christoph Thoma. – Ich erteile dir dieses.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.