RN/39
13.20
Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Danke schön, Herr Präsident! Willkommen, Herr Staatssekretär! Willkommen auch, liebe Besucherinnen und Besucher bei uns hier im Hohen Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher zu Hause! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben unter anderem von der FPÖ gehört, dass es da um Anlassgesetzgebung gehe. – Ja, das ist auch so. Ich bin der Meinung, dass ein so schreckliches Attentat wie die Ermordung von zehn unschuldigen Menschen, hauptsächlich jungen Menschen, die ihr ganzes Leben noch vor sich hatten, dass dieser Anlass es gebietet, dass sich die Politik Gedanken darüber macht, wie wir in Zukunft solche Vorfälle, solche schlimmen Taten verhindern können.
Ich erinnere mich noch an die wirklich bewegende Trauerrede des Bruders von Hanna, einem der Opfer. Ich erinnere mich daran, wie er seine Schwester als lebensfroh, tapfer, energisch und hilfsbereit beschrieben hat und wie er sich für die Jahre, die er mit ihr verbringen durfte, bedankt hat.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich, Kolleginnen und Kollegen, solche Reden sollte kein junger Mensch, sollte keine Mutter, kein Vater, kein Bruder, keine Schwester jemals halten müssen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ.)
So unfassbar dieses Verbrechen war, es steht als Zeichen einer Problematik nicht alleine da. Wir sehen in Österreich jedes Jahr aufs Neue, wie Gewalt in Familien, in Beziehungen oft tödlich enden kann. Frauen werden immer wieder Opfer von Männern, die längst auffällig waren, und das – wir haben es von Kollegin Schwarz-Fuchs gehört – tatsächlich zu einem großen Teil mit legal besessenen Waffen.
Diese Taten, diese Femizide, sind keine Einzelfälle: 2024 waren es 27 Fälle, alleine heuer sind es elf Fälle. Diese sind Ausdruck eines strukturellen Problems, das wir endlich ernst nehmen müssen. Gewalt an Frauen ist kein privates, sondern ein gesellschaftliches und vor allem auch ein politisches Thema.
Nun gestaltete sich dieses Nachdenken über mögliche Maßnahmen nach dem Amoklauf bei einigen ein bisschen zäh, aber wir haben hier heute mit dieser Gesetzesänderung zumindest einmal einen Anfang. Wir begrüßen, dass die Regierung im Vergleich zu dem Vorschlag vom Sommer da noch nachgebessert hat, und ihr habt auch an uns appelliert, unsere Verantwortung zu übernehmen. Das werden wir auch tun.
Meine Kollegin hat es auch schon ausgeführt: Wir machen eine konstruktive Oppositionspolitik. Gleichzeitig erwarten wir uns aber von der Regierung, dass ihr eure Verantwortung auch ernst nehmt und euch mit diesen Minimalanforderungen, die wir hier jetzt umsetzen, nicht zufriedengebt.
Die Gesetzesänderung folgt zwei Grundsätzen: einerseits einer Verschärfung des Zuganges zu Waffen, was jetzt nicht gerade im Maximalausmaß gelungen ist, und gleichzeitig soll legaler Waffenbesitz prinzipiell für alle weiterhin möglich sein.
Hier stellt sich mir und uns Grünen schon die Frage: Warum weiterhin legaler Waffenbesitz für Privatpersonen? Die FPÖ spricht stellenweise sogar von einem Grundrecht, eine Schusswaffe zu besitzen. – Grundrecht, auf welchem Recht genau basierend? Welches Grundrecht soll das sein? Entweder ihr verwechselt das mit dem Second Amendment der US-amerikanischen Verfassung oder ihr benutzt den Ausdruck - - (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) Ist das ein Grundrecht, eine Schusswaffe zu tragen? (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Sie haben jetzt von Grundrecht gesprochen! Es ist ein Recht!) Das war der Ausdruck. Das hat euer Kollege Hafenecker im Nationalrat tatsächlich so benannt, nämlich das als Grundrecht bezeichnet.
Wie gesagt: Wozu prinzipiell ein Recht auf Waffen? – Jede Schusswaffe ist potenziell zum Töten da und ist dazu gemacht.
Ihr sprecht auch immer wieder davon, die Freiheit der Menschen einzuschränken, auch weil sie sich möglicherweise unsicher fühlen. Was wollt ihr eigentlich oder was glaubt ihr, was Menschen dann mit diesen Waffen tun sollen? Wenn sie sich unsicher fühlen, gleich einmal schießen? Selbstjustiz? Ist es das, was ihr insinuiert? Ist es das, was ihr wollt und vorschlagt? (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: § 3 StGB schon einmal gelesen? ...!) – Gut.
Wir Grünen, wie gesagt, sind prinzipiell der Meinung, wir brauchen statt Freiheit für Waffen eine Freiheit von Waffen.
Nun aber zu dem, was uns da noch abgeht beziehungsweise was auch in zahlreichen Stellungnahmen tatsächlich kritisiert wurde. Meine Kollegin Kittl ist schon auf einige der Punkte eingegangen, zum Beispiel auch auf den Punkt der sicheren Verwahrung. Das ist in dem Vorschlag, in dem Gesetzentwurf, in der Novelle wirklich nicht ausreichend berücksichtigt.
Dabei ist die sichere Verwahrung wirklich in vielerlei Hinsicht essenziell und wichtig, nicht zuletzt als Suizidprävention. Etwa 90 Prozent der Suizidversuche mit Schusswaffen enden tödlich, während von allen Suizidversuchen zusammengenommen lediglich 8,5 bis 9 Prozent tödlich enden. Also das zeigt schon, wie wichtig es ist, dass sogenannte Suizidmittel nicht leicht und vor allem nicht zeitlich schnell verfügbar sind und dass man den Zugang zu Waffen und Munition wirklich einschränkt, wo es möglich ist.
Fast die Hälfte der Überlebenden von Suizidversuchen gibt nämlich an, dass zwischen der Entscheidung, sich das Leben zu nehmen, und dem Versuch weniger als 10 Minuten vergangen sind. Eine sichere Verwahrung von Schusswaffen und ein verzögerter Zugang können hier tatsächlich den Unterschied zwischen Leben und Tod machen.
Besonders tragisch sind Fälle, in denen Männer, häufig im höheren Alter, zuerst ihre Partnerin töten und dann sich selbst das Leben nehmen. Das traf im Jahr 2024 immerhin auf sieben der 27 Frauenmorden zu.
Diese Fälle wie auch alle anderen durch Schusswaffen verübten Femizide verdeutlichen, dass der leichte und relativ schnelle Zugang zu Schusswaffen eine bereits gefährlich eskalierende Situation dann eben häufig tödlich und endgültig macht.
In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch noch auf eine Gefahr eingehen, nämlich auf die vielen Ausnahmen für Jägerinnen und Jäger. Auf die weist nämlich auch das Bundesministerium für Soziales in seiner Stellungnahme hin, die sich auf die Einschätzung der Supra-Koordinierungsstelle stützt. Das ist die Suizidprävention Austria. Diese nationale Koordinierungsstelle für Suizidprävention weist darauf hin, dass Jägerinnen und Jäger eine überdurchschnittlich hohe Wahrscheinlichkeit von Suiziden mit Waffen zeigen und dass gesetzliche Ausnahmen hier die Glaubwürdigkeit der Prävention stark schwächen.
Aus diesen Gründen bringe ich folgende Entschließungsanträge ein:
RN/39.1
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Simone Jagl, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Waffen sichern – Leben schützen. Klare Gesetze für Waffenverwahrung zum Schutz vor Suiziden und Femiziden“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Inneres, wird aufgefordert, strengere Richtlinien für die Verwahrung von Waffen in Privathaushalten festzulegen. Dies muss der Vorbeugung vor impulsiver Gewalt gegenüber anderen und sich selbst dienen.“
Und der zweite Entschließungsantrag:
RN/39.2
Entschließungsantrag
der Bundesrät:innen Simone Jagl, Kolleginnen und Kolleginnen betreffend „keine Schusswaffen in Händen von gewaltbereiten Personen“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat und dem Bundesrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem im Waffengesetz (WaffG) eine regelmäßige, psychologische Überprüfung festgelegt wird, die auch eine verpflichtende Gefahrenüberprüfung darstellt. Neben der Gefahreneinschätzung einer gewalttätigen oder missbräuchlichen Nutzung von Schusswaffen muss insbesondere auf Muster von Aggressionen, Impulsverhalten und Gewaltbereitschaft sowie bekannte Risikofaktoren für häusliche Gewalt abgestellt werden.“
Besonders im Hinblick auf die 27 Femizide letztes Jahr und die 11 Femizide heuer müssen einfach gefährliche Personen und potenzielle Täter von der Waffenzulassung von Vornherein schon einmal ausgeschlossen werden, noch bevor sie zu einer Gefahr für sich selbst oder andere werden.
Noch einmal: Statt Schutz von Waffen brauchen wir Schutz vor Waffen. Deswegen appelliere ich an Sie alle, Kolleginnen und Kollegen: Unterstützen Sie unsere Anträge, die eine wirklich sehr sinnvolle Ergänzung zur vorliegenden Gesetzesänderung sind. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)
13.29
Der Gesamtwortlaut der Anträge ist unter folgenden Links abrufbar:
RN/39.3
RN/39.4
Vizepräsident Michael Wanner: Der von den Bundesräten Simone Jagl, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Waffen sichern – Leben schützen. Klare Gesetze für Waffenverwahrung zum Schutz vor Suiziden und Femiziden“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Der von den Bundesräten Simone Jagl, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „keine Schusswaffen in Händen von gewaltbereiten Personen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Schweiger. Ich erteile es ihr.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.