RN/63
15.24
Bundesrätin Simone Jagl (Grüne, Niederösterreich): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Werte Besucherinnen und Besucher, willkommen hier bei uns im Hohen Haus! Es geht um zwei kleine, aber wirklich sinnvolle Änderungen im ORF-Gesetz beziehungsweise im ORF-Beitrags-Gesetz. Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben ja schon ausführlich dargelegt, worum es dabei geht: Zum einen werden kleine und mittlere Betriebe entlastet, zum anderen fällt endlich das Anhörungsrecht der Landeshauptleute bei der Bestellung der ORF-Landesdirektor:innen weg – ein überfälliger Schritt, denn dieses Recht ist schlichtweg nicht vereinbar mit einem unabhängigen öffentlichen Rundfunk.
Doch so erfreulich diese Anpassung ist: Bei den großen Fragen der Unabhängigkeit des ORF bleibt die Regierung leider weit hinter ihren Ankündigungen zurück. Im Regierungsprogramm ist von einer echten Reform der Gremien die Rede. Passiert ist das nicht – oder fast das Gegenteil: Der politische Einfluss wurde vom Stiftungsrat lediglich in den Publikumsrat verschoben. Vier Kandidat:innen-Nennungen mussten sogar zurückgezogen werden, weil sie parteipolitisch eindeutig zuordenbar waren. Und wenn der Vorsitzende des ORF-Stiftungsrats öffentlich ankündigt, man werde bei der Bestellung des nächsten Generaldirektors oder der nächsten Generaldirektorin einen Konsens in der Koalition finden (Zwischenruf des Bundesrates Kofler [FPÖ/NÖ]), dann frage ich mich schon: Wo ist da die versprochene Unabhängigkeit? Das zeigt, dass wir leider von echter medienpolitischer Reform noch weit entfernt sind.
Gleichzeitig und trotz aller Herausforderungen dürfen wir eines nicht vergessen, und das sei besonders der FPÖ ins Stammbuch geschrieben: Die Finanzierung des ORF über die Haushaltsabgabe war und ist ein entscheidender Schritt, der uns in der letzten Regierung gelungen ist, um die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sichern. (Bundesrat Kofler [FPÖ/NÖ]: Gelungen?) Und das sollte tatsächlich in unser aller Interesse sein.
Ich weiß schon, ihr seht das anders. Alleine was Kollege Kofler gesagt hat, zeigt, dass euch das, was im ORF besprochen wird, wie es besprochen wird, um welche Themen es geht, einfach deswegen nicht gefällt, weil es nicht eure Meinung ist. Es ist halt immer die Frage: Was ist Meinung und was sind Fakten? Ihr redet immer von Zwangsgebühr. Das ist keine Zwangsgebühr, wie ihr es behauptet. (Zwischenruf des Bundesrates Kofler [FPÖ/NÖ].) Das ist ein solidarischer Beitrag zur Unabhängigkeit (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Moment, Solidarität heißt ...!), ja, zur Unabhängigkeit des ORF, denn ein Medium kann nur dann unabhängig berichten, wenn es unabhängig finanziert ist. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Frau Kollegin, Sie können meinen Beitrag gerne übernehmen!) Es gibt viele Solidarbeiträge im Staat, und das ist auch einer, und das ist gut so, denn der ORF kann nur unabhängig berichten, wenn er wirklich unabhängig finanziert ist.
Medienfreiheit ist ein zentraler Bestandteil unserer funktionierenden Demokratie. Demokratie kostet etwas, Falschinformationen und Meinungsmache kosten aber noch mehr. Die Haushaltsabgabe sorgt dafür, dass der ORF eben nicht von Quoten und Werbung und sonstiger Finanzierung abhängig ist. (Zwischenruf des Bundesrates Kofler [FPÖ/NÖ].) Sie ermöglicht Regionalität, außerdem Kultur, Bildung und tatsächlich auch objektive Informationen – also, genau das, was private Medien alleine nicht leisten können.
Ihr von der FPÖ sprecht immer von Zwang. In Wirklichkeit geht es um etwas ganz anderes, habe ich die Vermutung. Ihr wollt den ORF schwächen, weil ihr anscheinend unabhängige Informationen fürchtet. Ihr redet von Systemmedien. Was ihr wirklich wollt, ist Meinungskontrolle (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Da braucht ihr ... 95 Prozent ...! Das ist nicht objektiv!), denn was ihr über eure Medien verbreitet, ist wenig faktenbasiert und selten neutral. Ja, und davor fürchtet ihr euch: vor faktenbasierter, neutraler Berichterstattung. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Das hat man schon während Corona gesehen!) – Ja, genau. Das ist gefährlich und das zeigen uns auch die Blicke ins Ausland. (Bundesrätin Steiner-Wieser [FPÖ/Sbg.]: Ihr Linken seid gefährlich!)
Im von euch als Vorbild verehrten Ungarn steht das Medienwesen mittlerweile seit Langem weitgehend unter politischer Kontrolle. Kritische Journalist:innen werden eingeschüchtert, Medienhäuser gleichgeschaltet. (Ruf bei der FPÖ: Das stimmt nicht!) – Was heißt, das stimmt nicht? Also, ich weiß nicht, in welcher Echokammer man leben muss, dass man das nicht weiß und dass man das nicht so sieht, aber ja, wurscht. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) Das ist genau das Gegenteil von dem, was ihr vorgebt, zu fordern, nämlich Meinungsfreiheit. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser [FPÖ/Sbg.].) Das ist genau das Gegenteil.
Und seit Neuestem sieht man auch in den USA, was passiert, wenn es keine starken öffentlich-rechtlichen Medien gibt: Kommerzielle Sender jagen Quoten statt Wahrheit. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Verschwörungsmythen verbreiten sich ungefiltert. Der Präsident klagt Fernsehsender, weil ihm die Berichterstattung nicht passt. (Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) – Schaut, ihr regt euch immer darüber auf, wenn Leute herausrufen, wenn Kolleginnen und Kollegen herausrufen – ihr seid immer die Allerlautesten. (Beifall bei Grünen und SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesrät:innen Kofler [FPÖ/NÖ] und Deutsch [NEOS/W].) Ich betreue seit wirklich langer Zeit Kinder, ich bin das gewohnt, wenn ich nicht ausreden kann, wenn wer dazwischenquatscht, aber ihr seid immer so laut und regt euch aber genau darüber immer auf. Hört einmal zu! Kommt nachher raus und antwortet darauf! (Beifall bei Grünen und SPÖ, bei Bundesrät:innen der ÖVP sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W]. – Ruf bei der SPÖ: Bravo!) Das ist wirklich wie ein ständiges Hintergrundrauschen.
Aber weiter: Das Ergebnis sehen wir in den USA: eine gespaltene Gesellschaft, in der man sich immer weniger auf gemeinsame Fakten einigen kann, weil Meinungen nur noch in Echokammern verbreitet werden. Das ist einfach wirklich gefährlich. Die Haushaltsabgabe ist quasi ein Schutzschild gegen solche Zustände; sie bewahrt den ORF vor Abhängigkeit, sie bewahrt die Demokratie vor Desinformation.
Der ORF ist außerdem eine öffentliche Infrastruktur für Fakten, aber auch für Bildung und Kultur. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Und wenn du es noch dreimal sagst, wird es nicht wahrer!) Er stärkt die heimische Film- und Musikwirtschaft und er trägt dazu bei, dass jede und jeder Zugang zu seriöser Information hat, egal wie viel man verdient. (Ruf bei der FPÖ: Jo!) Wer also den ORF angreift, greift unsere demokratische Kultur an. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesrät:innen von ÖVP und SPÖ. – Ruf bei der FPÖ – erheitert –: Ja, genau!) – Ja, so ist es! Wer den Beitrag für seine Finanzierung abschaffen will, wie (in Richtung FPÖ) ihr das wollt, der schwächt nicht den ORF, sondern die Demokratie selbst.
Lassen Sie mich noch eines ganz kurz klar sagen: Ein unabhängiger, starker ORF ist kein Luxus, sondern wie eine Lebensversicherung für unsere Demokratie. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Mertel [SPÖ/Ktn.]. – Ruf bei der FPÖ: Na geh!)
15.31
RN/63.1
Vizepräsident Günther Ruprecht: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine lebhafte Debatte ist, glaube ich, gut in unserem Haus. Es ist auch sehr wichtig, dass wir sie führen, aber bewahren wir den gegenseitigen Respekt! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Mag.a Dr.in Julia Deutsch. – Ich erteile es ihr.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.