RN/83
17.31
Bundesrat Sebastian Stark, BA MSc (ÖVP, Niederösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Das wird jetzt länger.
Zuerst einmal zur Anfrage selbst: Lebensmittel sind im Antragstext ein wiederkehrendes Thema im Kontext mit der Inflation, und das auch zu Recht, deswegen muss aber nicht gleich die ganze Anfrage selbst wie Kraut und Rüben aufgesetzt sein.
Ich zitiere: „In der Schweiz ist die Inflationsrate im Mai sogar auf - 0,1 Prozent gesunken. Davon kann Österreich nur träumen.“ – Dazu: Negative Inflation nennt man eigentlich Deflation, und von der träume ich nicht. Warum? – Bereits 1933 hat Irving Fisher im Buch „The Debt-Deflation Theory of Great Depressions“ argumentiert, dass das historische Ereignis der großen Depression durch Auswirkungen der Deflation verursacht wurde; eine sogenannte Deflationsspirale. Deflation führt zu geringem Nominaleinkommen, die nominalen Schulden in Betrieben, privat als auch im Staat inklusive Zinsen bleiben aber gleich. Es entsteht eine höhere Schuldenlast, es folgen Rückhaltungen von Investitionen bis zu Konkursen von Unternehmen – fragen Sie in Japan nach: eine volkswirtschaftliche Feldstudie, wenn man so will –; ein wichtiger Grund, wieso das Inflationsziel der EZB bei 2 Prozent und nicht bei null liegt. Ich halte in diesem Zusammenhang fest, dass wir in Österreich um 1,5 bis 2 Prozent über diesem Inflationsziel liegen – nicht mehr und nicht weniger.
Sie schreiben aber – ich zitiere wieder –: „Allein in den letzten zwölf Monaten mussten die Österreicher Teuerungen von bis zu 96 % in Kauf nehmen.“ – Diese Aussage stützen Sie nur auf einem einzigen Produkt in der sogenannten Einkaufskorbstudie ab: dem Bohnenkaffee. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Genau, „bis zu“! Genau das sagt es aus!) Die Preissteigerung in diesem Fall basiert aber, ganz genau belegbar, auf Ernteausfällen durch extreme Wetterlagen. Das ist bei allen berechtigten Anliegen und Themen billige Angstmache im Rahmen Ihrer Anfrage zu einem wirklich sensiblen Thema. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Es gibt keine Teuerung, gell?!)
Dementsprechend – und damit kommen wir zum nächsten Punkt – bin ich aber sehr froh, dass wir eine Bundesregierung haben, die anpackt und bestehende Probleme, die auch niemand leugnet, löst (Beifall bei der ÖVP): durch das Energiepaket, mit Preissenkungen, die weitergegeben werden müssen, mit mehr Transparenz entlang der Lieferkette, mit dem Auslaufen von Sondereffekten; auch mit Maßnahmen im Lebensmittelbereich: Bündnis gegen den Österreichaufschlag, Regeln gegen die Shrinkflation, eine erhöhte Preistransparenz. All diese Pakete sind auf dem Weg und betreffen die unmittelbarsten und notwendigsten Lebensbereiche. Darüber hinaus wird gerade mit verantwortungsbewussten Abschlüssen bei den Kollektivverträgen vor unseren Augen die Lohn-Preis-Spirale durchbrochen; ein schwieriger Kraftakt, das ist, glaube ich, auch allen bewusst, für alle Beteiligten, aber notwendig – und das muss man am allermeisten betonen – auf einem Weg des Konsenses und des Gesprächs auf Augenhöhe. (Beifall bei der ÖVP.)
Sie müssen mir jetzt etwas erklären: Sie beschweren sich in Ihrer Anfrage über die Inflation, in Ihrem ersten Redebeitrag aber gleichzeitig über das Durchbrechen der Lohn-Preis-Spirale, nachdem man wohlgemerkt in den vergangenen Jahren immer wieder über Inflation abgeschlossen hat und die reale Kaufkraft auch über Inflation erhöht hat. Sie wollen anscheinend eine volkswirtschaftliche eierlegende Wollmilchsau. Die gibt es aber leider nicht, auch wenn wir sie alle gerne hätten.
Darüber hinaus werden unter anderem der Investitionsfreibetrag verdoppelt, der Standortfonds geschaffen und ein Strukturpaket zur Entbürokratisierung geschnürt. Das ist Standortpolitik, die unter schwierigen Umständen wirkt. Das Wifo bescheinigt, dass wir aus der Rezession kommen, dass die Armutsgefährdung sinkt. Österreich ist beim BIP pro Kopf auf Platz 5 in Europa und auf Platz 17 der reichsten Länder der Welt. Darauf muss jetzt aufgebaut werden: mit einer Industriestrategie, die in Arbeit ist, mit Bürokratieabbau, an dem gearbeitet wird, mit einigen Maßnahmen, die wir hier schon beschlossen haben.
Das sind die Maßnahmen, mit denen wir – was auch notwendig ist – die Wirtschaft ankurbeln, die Inflation dämpfen und die Abgabenquote langfristig senken können (Beifall bei der ÖVP), weil es strukturelle – keine kurzfristigen – richtige und wichtige Maßnahmen sind; dem Kurs unserer Regierung folgend: sanieren, reformieren, wachsen.
Und last, but not least muss ich auch noch Worte zu (in Richtung FPÖ) Ihren Worten verlieren, die einmal mehr, einmal weniger mit der eigentlichen Anfrage zu tun hatten. Man bemerkt bei einigen Rednern hier ein gewisses zwanghaftes In-Verbindung-Bringen der Teuerung mit dem Ausland. Wir hatten in den vergangenen Jahren weitaus höhere Lohnabschlüsse als andere vergleichbare Länder, dementsprechend höhere Lohnstückkosten in Österreich und dadurch eine höhere Industrieproduktion in anderen Ländern beziehungsweise Schwierigkeiten bei der Produktion in Österreich. Das ist die Relation zum Ausland, die wir in diesem Kontext haben. Das ist der kritische Punkt, an dem wir arbeiten müssen: dass wir in der Industrieproduktion wettbewerbsfähig sind. Darum geht es, um nichts anderes.
Wenn wir schon beim Thema Ausland sind: Die Einwanderung ins Sozialsystem – was wieder Thema war – ist ein Problem, das ist auch allen bewusst. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ah geh!) Aber – man muss es auch so direkt sagen – drei Abschiebungen nach Syrien unter Gerhard Karner sind drei Abschiebungen mehr nach Syrien als unter Herbert Kickl. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Spanring [FPÖ/NÖ].) Und warum sind es drei mehr als unter Herbert Kickl? – Weil Gerhard Karner es angeht (Heiterkeit bei der FPÖ), weil er es möglich macht, dass wir Straftäter nach Syrien abschieben. Ich merke die Emotionen, die da aufkommen (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ja, ja!); wahrscheinlich weil man es selber wollte, aber dann doch nicht schaffte.
Die Maßnahmen gegen Russland – das kann ich mir auch nicht verkneifen – seien ein Schuss ins Knie. – Das würde ich wahrscheinlich auch sagen, wenn ich ein Freundschaftsabkommen mit Putins Partei unterschrieben hätte. Habe ich aber nicht! Warum nicht? – Weil sich nur eine Partei in Österreich mit Diktatoren ins Bett legt, und das sind Freunde Putins Österreich. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ihr seid aber alle hingekrochen! Bilder habt ihr gemacht mit ihm, Postings! Ihr seid so stolz auf den Putin! Geh bitte, komm, erzähl keine Schmähs!) Noch schlimmer, Sie argumentieren mit dem billigen Gas. Sie argumentieren mit dem billigen Gas, was ohnehin nicht der Wahrheit entspricht, wie unser Bundeskanzler dargelegt hat, weil es nicht sanktioniert war. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Eure Freunde, die Raiffeisenbank! Die Raiffeisenbank, euer Sponsor von der ÖVP, hat nach wie vor dort drüben Geschäfte! Raiffeisenbank, das sagt dir als Gmünder was, oder? Bauernbank!) – Sie könnten noch kurz zuhören, dann wüssten Sie, was der Punkt ist. Ich habe ein Konto bei der Erste Bank und einen Bausparer bei der Raiffeisen, ich kann mit allen gut leben. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ja!)
Aber, worauf wir hinaus wollten: Sie argumentieren mit dem billigen Gas, was nicht der Wahrheit entspricht, weil, wie unser Bundeskanzler schon richtiggestellt hat: Das war nicht sanktioniert. Und wenn man wegen billigem Gas Putin nicht sagen darf, dass er völkerrechtswidrig als Aggressor die Ukraine angreift, dann ist das in meinen Augen Käuflichkeit der schlimmsten Art. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Also da muss ich jetzt die ÖVP - -!)
Wenn wir noch auf den Schuldenberg, auf den Sie immer wieder zu sprechen kommen, eingehen (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Jetzt sind wir wieder da!): Ja, der ist da, das Problem ist auch nicht zu leugnen. Es ist aber auch nicht zu leugnen, dass es die FPÖ war – egal ob per Presseaussendung oder per Antrag im Nationalrat oder im Bundesrat –, die die ganze letzte Legislaturperiode hindurch konsequent noch höhere Ausgaben gefordert hat. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Weil wir auf der richtigen Seite eingespart hätten! Aber das wollt ihr nicht!) Sie säßen mit dem, was Sie vorhätten, auf noch größeren Schuldenbergen. (Beifall bei der ÖVP.)
Last, but not least: Sie werfen in Ihrem ersten Redebeitrag Bundeskanzler Christian Stocker Hass vor. (Zwischenruf der Bundesrätin Steiner-Wieser [FPÖ/Sbg.].) Hass! Also verzeihen Sie mir, aber ich glaube, wenn wir die Diskussionskultur hier vergleichen, dann ist das nicht der Hass, den wir im Saal erleben. (Beifall bei der ÖVP.)
Eines kann ich dazu auch sagen: Das ist meine dritte Sitzung im Bundesrat – meine dritte Sitzung –, und ich habe schon eines erkannt: Man kann hier Bingo spielen. Warum? – Die Stichworte, die durch die Gegend geworfen werden, bleiben dieselben, auch wenn die Überschriften auf der Tagesordnung andere sind. Es ist alter Wein in neuen Schläuchen, aber keine neue Politik, die von Ihnen zu erwarten ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W]. – Bundesrätin Steiner-Wieser [FPÖ/Sbg.]: Lies das Protokoll nach, was er gesagt hat! Er hat Gift und Galle gespuckt!) Dementsprechend bin ich froh, dass die Bundesregierung sich nicht von diesen Stichworten treiben lässt, sondern die konsequente Arbeit fortsetzt. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W]. – Bundesrätin Steiner-Wieser [FPÖ/Sbg.] – in Richtung des sich zu seinem Sitzplatz begebenden Bundesrates Stark [ÖVP/NÖ] –: Ich kann dir vorlesen, was er alles gesagt hat! Soll ich es dir vorlesen? Ich habe es mitgeschrieben, was er gesagt hat! Soll ich es dir sagen? Dann sage mir du noch einmal, das ist nicht Hass! Das war Hass pur! – Ruf bei der ÖVP: Mi, mi, mi! – Bundesrätin Steiner-Wieser [FPÖ/Sbg.]: Na geh! – Bundesrat Matznetter [SPÖ/W] – auf dem Weg zum Redner:innenpult –: Na, na, na!)
17.40
Vizepräsident Michael Wanner: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Bundesrat Dr. Matznetter. Ich erteile es ihm.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.