RN/93
17.08
Bundesrätin Mag. Dr. Julia Deutsch (NEOS, Wien): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn die FPÖ heute von Neutralität spricht, dann finde ich das nicht nur scheinheilig, sondern ehrlich gesagt auch gefährlich. (Ruf bei der FPÖ: Scheinheilig?) – Ja. Gut zuhören, sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Denn während Europa unter massivem Druck steht, während unsere demokratischen Systeme gezielt angegriffen werden, versucht die FPÖ, Neutralität als Deckmantel für ihre Russlandnähe zu verwenden. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesrät:innen der SPÖ. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Jetzt müsst ihr euch dann einmal entscheiden!)
Wissen Sie, was wir mitten in Europa und auch mitten in Österreich – gerade vorhin kam ein Zeitungsartikel darüber heraus, dass Drohnen über Österreich auch nur noch eine Frage der Zeit sind – gerade erleben? – (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ich habe vorgestern eine gesehen!) – Na schauen Sie! Es fängt schon an. Wir erleben vielleicht keinen klassischen Krieg, aber eine neue Form der Bedrohung. Das sind Cyberangriffe auf unsere Infrastruktur, gezielte Desinformationen, Sabotageakte und Spaltungsversuche. Das ist die Realität, und diese Realität besteht auch in Österreich. Das Ziel ist vollkommen klar: Wir werden auf die Probe gestellt, unsere Stabilität soll untergraben werden, unsere Solidarität mit der Ukraine soll geschwächt werden, unsere Stabilität wird auf die Probe gestellt, und Europa soll gespalten werden.
Ausgerechnet in dieser Situation, in der wir uns gerade befinden, ausgerechnet jetzt stellt sich die FPÖ her und redet von Frieden und Selbstbestimmung. Ich frage Sie: Ist es neutral, einen Freundschaftsvertrag mit Putins Partei zu unterhalten? (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Gibt’s den noch? Das müssen Sie mir jetzt erklären!) Ist es neutral, sich in einem Angriffskrieg nicht klar und wirklich in jeder Hinsicht unmissverständlich auf die Seite des angegriffenen Landes zu stellen? Ich frage Sie auch: Ist es neutral, wenn eine FPÖ-Außenministerin (die Rednerin hält eine Tafel in die Höhe, auf deren Vorderseite die vor Wladimir Putin knicksende Karin Kneissl und auf deren Rückseite Karin Kneissl, die mit Hunden an der Leine über den Roten Platz geht, zu sehen ist – Zwischenrufe bei der FPÖ) sich öffentlich vor einem autoritären Staatschef verbeugt und später in dessen Dienst tritt? (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.) Also Herr Kollege, weil Sie das vorhin gesagt haben: Wenn hier jemand wirklich tanzt, dann tanzt nicht die Frau Außenministerin in der Tracht, sondern wer wirklich wortwörtlich getanzt hat, war Ihre Außenministerin – möchte ich nur gesagt haben. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das ist keine Neutralität, das ist Parteinahme und das ist Anbiederung an ein autoritäres Regime, und das finde ich brandgefährlich.
Lassen Sie uns aber über tatsächliche rechtliche und sicherheitspolitische Themen sprechen, lassen Sie uns über die wahre Lage sprechen: Die Neutralität, wir haben heute schon viel darüber gehört, war ein historischer Kompromiss – sinnvoll, vollkommen sinnvoll in einem geteilten Europa. Doch heute leben wir in einer Welt – die Kollegin von den Grünen hat es auch schon erwähnt –, in der Bedrohungen nicht mehr mit Panzern kommen, sondern mit Drohnen und digitalen Angriffen, wodurch wir die Neutralität neu denken müssen.
Ich frage Sie noch etwas: Glauben Sie wirklich, dass ein russischer Hacker sich dafür interessiert, ob der Server jetzt in Klagenfurt, in Innsbruck oder in einem Nato-Land ist? Der hackt trotzdem, denn die Neutralität schützt uns nicht. (Zwischenruf des Bundesrates Matznetter [SPÖ/W].) – Nein, aber die Neutralität schützt uns nicht vor digitalen Angriffen. Das ist der Punkt, den ich machen möchte, Herr Kollege. Sie schützt uns auch nicht vor gezielter Destabilisierung. Sie schützt uns auch nicht vor Raketen. Was uns schützt, ist Zusammenarbeit. Was uns schützt, ist die Europäische Union. Was uns schützt, ist die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die wir, wenn ich Sie daran erinnern darf, demokratisch legitimiert haben (Beifall bei ÖVP und SPÖ – Zwischenruf bei der FPÖ) – mit einer Volksabstimmung, mit einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat und mit einem klaren Auftrag der Bevölkerung.
Seit dem EU-Beitritt 1995 ist Österreich Teil dieser gemeinsamen Sicherheitsarchitektur. Das steht auch im Verfassungsrang, neben dem Neutralitätsgesetz. Das bedeutet, wir dürfen uns an allen Verteidigungsmaßnahmen der EU beteiligen, wir müssen nicht – wir müssen nicht (Bundesrat Pröller [FPÖ/OÖ]: Genau!) –, aber wir haben das Recht dazu. Dieses Recht ist aber auch entscheidend für unsere Sicherheit – möchte ich schon auch hervorheben –, denn Österreich kann sich nicht allein gegen Cyberangriffe oder hybride Bedrohungen, die wir nun einmal haben, wehren. Wir brauchen Kooperationen, wir brauchen europäische Solidarität. (Bundesrat Pröller [FPÖ/OÖ]: Da braucht man die Amerikaner!) – Ich rede nicht davon, nein, nein. Ich weiß eh, Sie träumen ein bisschen von der Festung Österreich und dass wir uns von allen abschotten und dass das super ist. Ich sage euch: Das bringt uns überhaupt nicht weiter. Was uns weiterbringt, ist ein starkes, geeintes Europa und die Möglichkeit der gemeinsamen Verteidigung.
Natürlich möchte ich auch sagen – und da sage ich auch ehrlich, Herr Spanring, da haben Sie mir schon auch einen Punkt mitgegeben; er ist ja nicht einmal da (Ruf bei der FPÖ: Da ist er!) – ah, da, Entschuldigung –: Jeder Krieg ist ein Krieg zu viel, vollkommen klar, aber wir dürfen nicht darauf vertrauen, dass die Neutralität uns unantastbar macht. Diesen Punkt müssen wir doch wirklich alle verstehen. Europa muss zusammenwachsen. Wir sind mitten in Europa, wir sind ein Teil davon. Wir müssen mit Europa zusammenwachsen. Gemeinsam sind wir stärker. Die Zukunft liegt daher ganz klar in einem selbstbestimmten, verteidigungsfähigen Europa, das für sich selbst einsteht und sich selbst schützt. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)
17.13
Vizepräsident Günther Ruprecht: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert Koger, Kogler, Kober. Er ist mein Vizebürgermeister. Entschuldigung! – Herbert Kober, ich erteile es dir.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.