RN/95

17.24

Bundesrätin Antonia Herunter (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, was das Thema Asylzahlen jetzt im Bereich Neutralität zu suchen gehabt hat. Auch das Bundesheer hat nicht so viel damit zu tun. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Dann hast du die Anfrage nicht gelesen, na!) – Ich habe sie schon gelesen (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Nein! Da ist es erklärt!), es ist wirklich eine ganz spannende Zusammenwürfelung von Themen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenruf bei der FPÖ.

Aber wenn wir beim Thema Asylzahlen sind, dann möchte ich vielleicht schon in Erinnerung rufen, dass wir, wie wir heute schon gehört haben, jetzt zum ersten Mal wieder nach Syrien und Afghanistan abgeschoben haben. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ] – erheitert –: Einen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig [ÖVP/OÖ]. – Bundesrat Wanner [SPÖ/Sbg.]: Das sind 100 Prozent mehr wie beim Kickl! Der hat ja gar nichts zusammengebracht, schlechtester Innenminister aller Zeiten!)

Ich frage Sie, vielleicht erinnern Sie sich - - (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Einen, bravo!) – Einer ist besser als die Null von Herbert Kickl, und an dieser Stelle sei vielleicht erwähnt: Als Herbert Kickl Innenminister war, gab es die Taliban in Afghanistan noch nicht als Regierung. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) Da hätte man ein bisschen einfacher verhandeln können, da hätte man vielleicht einmal hinfliegen können. (Beifall bei der ÖVP. Ruf bei der FPÖ: ... vergessen eigentlich nicht!)

Zum eigentlichen Thema, der Neutralität und auch dem Bundesheer. Es wirkt ja oft, wenn man nur der FPÖ zuhört, so, als wäre der Rest von uns gegen das Bundesheer, gegen die Neutralität und als würden wir das alles ablehnen. (Ruf bei der FPÖ: Ja! Das glauben wir!) Das ist gewissermaßen auch Blödsinn. Wir stehen zu unserer Neutralität, und das muss man auch einmal so sagen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Gerade diese Neutralität verpflichtet uns zu einer regelbasierten internationalen Ordnung. Ich weiß, Sie fangen damit vielleicht nicht ganz so viel an, aber: Das Recht des Stärkeren darf nicht gelten. Das haben wir heute schon mehrfach gehört. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

Die Neutralität ist keine Passivität, in die ich mich zurückziehen kann und mit der ich hoffen kann, dass schon alles wieder werden wird. Wenn wir nicht dafür eintreten, dass internationales Recht eingehalten wird, dann können wir uns auch nicht darauf verlassen, dass internationales Recht gilt, wenn es um uns geht. Da gibt es ein kleines Zauberwort im Völkerrecht: Reziprozität – Sie können es gerne einmal googeln (Heiterkeit bei der SPÖ), ich übersetze es aber so auch noch (Zwischenruf des Bundesrates Pröller [FPÖ/OÖ]): Gegenseitigkeit. Das ist ein Grundprinzip des Völkerrechts. 

Ich weiß, Sie bemühen auch in Ihrer Anfrage lieber die eigenen Medien wie „Unzensuriert“ oder auch gerne einmal einen fiktiven Roman von Orwell, wobei ich die Herleitung heute auch nicht ganz verstanden habe, aber ich habe mir gedacht - - (Bundesrat Kofler [FPÖ/NÖ]: Das spricht aber nicht für dich, wenn du es nicht verstanden hast!) – Na, ich habe Orwell schon verstanden (Bundesrat Kofler [FPÖ/NÖ]: Ach doch!) – keine Sorge! –, ich habe es in der Schule gelesen, sogar auf Englisch, in der Originalfassung. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Ich habe mir gedacht, ich bringe vielleicht ein Fachjournal mit – Sie finden anscheinend keine, die man bei diesen Gelegenheiten zitieren kann –, das „Austrian Journal of Political Science“ in der Ausgabe von 2024, Volumen 53. Da gibt es einen Artikel mit einer kurzen Ideengeschichte der völkerrechtlichen Neutralität in Europa. Darin gibt es ein Zitat vom Völkerrechtler Albert Friedrich Berner. 

Bevor Sie jetzt wieder etwas wegen der Universitäten sagen, die ja so befangen und linksradikal und weiß ich nicht was sind (Heiterkeit des Bundesrates Wanner [SPÖ/Sbg.]): Das Zitat ist aus 1862, also ich glaube, das ist vielleicht ein bisschen abseits von Befangenheit. Er warnt schon damals - - (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ] – erheitert –: Jetzt hast du gerade zugegeben, dass es heute so ist!) – Ich habe ja gesagt, ihr braucht euch keine Sorgen zu machen. Ich habe relativ wenig Sorgen an der Uni, ich treibe mich manchmal an der rechtswissenschaftlichen Fakultät herum, keine Sorge. Da kann man einmal für einen Kurs hingehen. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Haben die kein Sicherheitspersonal? – Heiterkeit bei der FPÖ.) – Nein. Ich mag mich schon wehren, keine Sorge. (Heiterkeit bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Nein, wegen dem Herumtreiben habe ich das gemeint!) 

Er warnt jedenfalls schon 1862, Neutralität und Unparteilichkeit in eins zu setzen, sagt, dass insbesondere dem neutralen Staat Solidarität nicht zu untersagen ist. Was heißt denn das, Solidarität? – Solidarität mit denen, die völkerrechtswidrig angegriffen werden. Das ist in der Neutralität nicht untersagt, sondern wird ausdrücklich befürwortet. Wenn wir nicht dagegen auftreten, wenn internationales Recht verletzt wird: Wer sichert denn dann uns, wenn unsere Neutralität verletzt wird, wenn unsere Souveränität verletzt wird – dass man sich noch auf irgendetwas beziehen kann? (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Unser Bundesheer!) – Das Bundesheer, ja. 

Beim Bundesheer frage ich mich aber schon, warum Sie dann so gegen Sky Shield sind. Sky Shield ist ja keine Angriffskooperation. Das ist eine Schutzkooperation Sky Shield. Was mit einem ungeschützten Luftraum passiert: Da brauche ich, glaube ich, jetzt nicht Fotos von Konflikten aus aller Welt herzuzeigen, wovor eine Raketenabwehr schützen soll. Ich glaube, der Informationsaustausch im Rahmen von einer Radarzusammenarbeit (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Sky Shield kostet Milliarden, bringt aber nichts und bindet uns in eine europäische Militärallianz ein!) ist sehr wohl im europäischen Zusammenhang nicht schlechter. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir uns in der Terrorbekämpfung mit internationalen Partnern austauschen, über Grenzen hinweg, dann werden wir uns doch auch beim Angriff durch Flugobjekte mit unseren europäischen Nachbarn austauschen – das ist doch ganz logisch, meiner Meinung nach. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie fordern, dass wir die Neutralität nutzen, um zu vermitteln. Jetzt haben viele meiner Vorredner schon ein bisschen das allgemeine Gedächtnis bemüht. Ich möchte vielleicht an dieser Stelle noch daran erinnern: Wer war denn damals 2022 als Erster bei Präsident Putin und hat versucht, zu vermitteln? (Rufe bei der ÖVP: Karl Nehammer!) War das der österreichische Kanzler Karl Nehammer? (Beifall bei der ÖVP.) Ich kann aber niemanden vermitteln, der nicht vermittelt werden möchte (Rufe bei der ÖVP: Genau!), der sich nicht austauschen möchte, der jemanden, der sich als neutraler Vermittler anbietet, in einem kurzen Gespräch abschasselt und sagt: Interessiert mich nicht! (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Waren Sie dabei, oder woher wissen Sie das?)

Das war anscheinend ein sehr kurzes Gespräch, und damals ist von Ihrem Parteichef sogar kritisiert worden, dass es so ergebnislos war. (Bundesrat Pröller [FPÖ/OÖ]: Der war ja nicht einmal dort!) – Na ja, wenn es der Herr Kickl kritisieren kann? (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Der ist ja nicht einmal zu ihm gekommen! – Bundesrat Kofler [FPÖ/NÖ]: Na schwach in der Ausführung halt! – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Aber er ist dafür jetzt ein guter Banker geworden! Er ist ja Universal...!)

Wunderbar, aber jedenfalls: Wenn ich vermitteln will, dann kann ich das nur machen, wenn die Parteien auch zustimmen. Und ganz ehrlich: Wenn ich es mit einem kriegstreiberischen Sturschädel zu tun habe, dann kann ich noch so viel der größere Sturschädel sein – am Verhandlungstisch werde ich in diesem Fall nichts erreichen. Da kann ich mich am Verhandlungstisch festkleben wie der ärgste Klimakleber, es wird sich nichts tun. (Beifall bei der ÖVP.)

Deswegen ist die Verteidigungsfähigkeit für unsere Neutralität natürlich das oberste Gebot, weil wir nicht nur unsere Neutralität verteidigen müssen, sondern, wie wir in den letzten Wochen immer mehr gesehen haben, unsere Infrastruktur, auch unsere Sicherheit und unsere Staatsbürger. Da sind Drohnen ein wesentlicher Bestandteil. Also ganz ehrlich: Was, wenn nicht ein Schutzschild im Himmel, soll uns da helfen? (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ich habe gar nicht gewusst, dass Sky Shield jetzt gegen Drohnen auch hilft! Ich erfahre heute lauter Neuigkeiten!) – Wahnsinn, was man alles erfährt, nicht? (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Es stimmt halt nicht!)

Prinzipiell glaube ich, dass man auf Radaraufnahmen durchaus auch Drohnen erkennen kann, als ich das letzte Mal geschaut habe, denn sonst dürfte ja in der Nähe vom Flughafen einfach so eine Drohne fliegen – aber bitte. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Aber was hat jetzt die Abwehr mit einem Radar zu tun?) – Weil Sky Shield sich sehr stark auf die Radarüberwachung bezieht und nicht nur auf die Raketenabwehr. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Aber die Radarüberwachung, die haben wir ja! Die haben wir österreichweit!) – Ja, gut, wir reden nachher einmal. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Ich freue mich schon, wenn ihr den Pensionisten erklärt, dass sie sparen müssen ...!)

Abschließend aber noch zum Thema, weil es jetzt so oft beschworen worden ist: der Verhandlungsort Budapest. Sie fahren alle miteinander so gern nach Ungarn – Nationalfeiertagsempfang und ich weiß nicht, was alles. Da frage ich mich halt schon: Ungarn ist in der Nato, Ungarn hat Sky Shield zugestimmt. Die haben sogar schon entsprechend das Material für die ungarische Armee bestellt. Warum ist das dann bei uns so ein Problem? (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Weil wir neutral sind! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ. – Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Die Schweizer haben es bestellt, weil sie gesagt haben, die Österreicher machen mit!) Putin, wenn er tatsächlich nach Budapest fährt, hat ja anscheinend mit der Abwehr kein Problem. Vielleicht liegt es also gar nicht an uns, sondern vielleicht liegt es ja am Aggressor.

Außerdem: Budapest als Ort für Verhandlungen über die Sicherheit der Ukraine vorzuschlagen, ist ja wohl ein schlechter Treppenwitz der Geschichte – bei aller Liebe. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Den haben ja nicht wir vorgeschlagen!) – Ich habe ja nicht gesagt, dass Sie es vorgeschlagen haben; ich habe nur gesagt, es ist ein Treppenwitz der Geschichte. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Aber wenigstens tun sie was!)

Österreich steht jedenfalls klar auf der Seite des Rechts, der Freiheit und der Menschenwürde (Beifall bei der ÖVP), denn erst das Recht und der Respekt vor dem Recht ermöglichen unsere Neutralität. Unsere Neutralität ist kein Ausweg aus unbequemen Situationen, sondern eine Verpflichtung, die wir ernst nehmen und die wir verteidigen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesrät:innen der SPÖ sowie der Bundesrätin Deutsch [NEOS/W].)

17.34

Vizepräsident Günther Ruprecht: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Christoph Matznetter. – Herr Kollege, ich erteile es dir.

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.