RN/98

17.48

Bundesrat Martin Peterl (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon sehr beeindruckend, was uns die FPÖ da die letzten zwei Tage bietet – mit der Enquete und mit der heutigen Bundesratssitzung. Auf eines bin ich jetzt wirklich draufgekommen: Ich habe nämlich die Überschrift des neuen Parteiprogramms der FPÖ. Hören Sie mir gut zu: Zwei mal drei macht vier, widewidewitt, und drei macht neune; ich mach’ mir die Welt, widewidewitt, wie sie mir gefällt, liebe FPÖ! Das nämlich seid ihr! (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.) 

Ich weiß nicht, wovon wir da heute sprechen. Die Neutralität und das Neutralitätsgesetz ist ein Verfassungsgesetz, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, und Verfassung bedeutet, dass wir ein höheres Quorum haben; und keiner von uns will sie abschaffen! Ich glaube, ihr redet euch das selber ein – ihr wollt sie abschaffen, liebe FPÖ, also ich muss schon wirklich sagen! – Herr Kofler, ich habe Ihnen heute zugehört: Sie sind in Salzburg diskriminiert worden, weil Sie in die Universität nicht reingekommen sind. – Ich habe es nämlich fotografiert. Sie wissen ja gar nimmer, was draufgestanden ist. (Bundesrat Kofler [FPÖ/NÖ] hält ein ausgedrucktes Foto in die Höhe.) Da steht drauf: keine Festung Österreich. Was bedeutet das, keine Festung Österreich? (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Schon alles vorlesen! Ehrlich sein!) Wir können alles vorlesen. Sind Sie ein Faschist? – Da steht drauf: kein Antifaschist. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Dann lesen Sie es vor!) Sind Sie ein Faschist und deswegen diskriminiert? (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Nein! Das ist eine bewusste Beleidigung der FPÖ gewesen, um das geht es!) – Nein. Wo steht das? 

Herr Spanring, keine Festung Österreich bedeutet eine Neutralitätspolitik mit allen Ecken und Kanten, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Anscheinend wollen Sie das nicht. Sie machen sich wirklich die Welt, wie sie Ihnen gefällt, weil das, was wir gestern gehört haben, hat mich, muss ich ehrlich sagen, wirklich erschüttert, dass man nämlich so etwas in einer Enquete (als Enkett aussprechend) bringt und dann noch wirklich dran glaubt. (Rufe bei der FPÖ: Enquete!)

Lassen Sie mich über die österreichische Neutralität sprechen! (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Die Expertise von Ihnen möchte ich haben!) Wir sprechen nämlich über einen der Grundpfeiler unserer Zweiten Republik, über ein Versprechen, das Österreich sich selbst und der Welt gegeben hat. Das ist auch identitätsstiftend und in unserer österreichischen DNA, liebe Kolleginnen und Kollegen. 

Nie wieder Krieg, nie wieder Teilung, nie wieder blinde Gefolgschaft in den Machtspielen anderer! Verteidigung ja, aber uns selbst. 

Weil wir zuvor so viel über Sky Shield debattiert haben: Österreich ist für mich ein Cabrio und mit diesem Sky Shield geben wir das Dach drauf, damit wir auch von oben geschützt sind, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen. (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Das ist ein ganz toller Vergleich!)

Unsere immerwährende Neutralität – und das ist schon sehr oft gesagt worden – wurde 1955 beschlossen, und das war nicht nur ein außenpolitischer Akt, das war eine Erklärung des Friedenswillens, ein Symbol der Souveränität und der Hoffnung. Nach den Jahren der Zerstörung und der Besatzung war die Neutralität das Fundament, auf dem unser Land wieder aufbauen konnte. Diese Idee ist heute aktueller denn je. 

Herr Spanring, eines haben Sie richtig gesagt: Wir haben nämlich die Reserven der Vergangenheit aufgebaut (Bundesrat Spanring [FPÖ/NÖ]: Nein, ihr habt euch die Republik aufgeteilt!), die Sozialdemokratie hat die Reserven der Vergangenheit aufgebaut. In einer Welt, die zunehmend von Kriegen und Konflikten und Machtinteressen geprägt ist, ist diese Neutralität kein Zeichen von Schwäche, sie ist ein Zeichen von Stärke, Vernunft und Verantwortung. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Neutralität heißt nicht Gleichgültigkeit, Neutralität heißt aktive Friedenspolitik, Dialogbereitschaft und Solidarität mit den Leidtragenden von Konflikten. Gerade wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wissen das ganz genau, weil ein großer Sozialdemokrat gesagt hat – ich darf ihn zitieren, das kommt von unserem Willy Brandt –: „Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts.“ – Ich glaube, die SPÖ stellt einfach klar: Österreich soll ein Ort des Ausgleichs sein, Österreich soll eine Stimme der Vernunft in Europa bleiben und Österreich soll seine humanitäre Tradition als Vermittler, als Helfer und als Brückenbauer fortsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesrät:innen der ÖVP.)

Ja, natürlich müssen wir die Neutralität zeitgemäß leben. Das bedeutet: klare Haltung gegen Aggressionen, Einsatz für Menschenrechte, Unterstützung humanitärer Hilfe und eine starke europäische Zusammenarbeit – aber ohne militärische Bündnisverpflichtungen, ohne militärische Bündnisverpflichtungen, liebe ÖVP! – (Rufe bei der ÖVP: FPÖ!) Entschuldigung, FPÖ. (Ruf bei der FPÖ: Das ist die ÖVP und das ist die FPÖ!) Neutralität darf nie Passivität bedeuten, sie muss aktiv, engagiert und glaubwürdig sein. 

Gerade wir Sozialdemokrat:innen tragen diese Verantwortung mit Stolz, denn die Neutralität steht im Einklang mit unseren Werten: Friede, Solidarität und Menschlichkeit. Solange es Krieg gibt, solange Menschen auf der Flucht sind und solange Hass und Gewalt die Welt spalten, muss Österreich Neutralität leben, um das zu tun, was andere oft nicht mehr können, nämlich vermitteln, zuhören und helfen.

Unsere Neutralität, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist keine Ausrede, sich herauszuhalten, sie ist ein Auftrag, sich einzumischen, nämlich einzumischen für den Frieden. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.56

Vizepräsident Günther Ruprecht: Als Nächster zu Wort gemeldet in der Debatte ist Bundesrat Nikolaus Amhof. Ich erteile es ihm. 

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.