RN/161
22.50
Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA (Grüne, Wien): Vielen Dank, lieber Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Liebe Zuseher:innen vor den Bildschirmen! Zu allererst möchte ich darauf eingehen, dass Einrichtungen für Menschen mit Behinderung nicht mehr per definitionem eine Pflegeeinrichtung sind und daher nicht mehr mit Elga verbunden werden – das ist nämlich auch Teil dieser Gesetzesnovelle.
Das ist einerseits sehr zu begrüßen, weil wir uns von der Medizinisierung von Menschen mit Behinderung verabschieden, denn Pflege hat natürlich immer einen stark medizinischen Blick. Einrichtungen für Menschen mit Behinderung sind aber keine bloßen Pflegeeinrichtungen, sondern solche mit multiprofessionellem, teilhabeorientiertem Fokus. Ein sogenanntes soziales Modell sollte im Umgang mit Menschen mit Behinderung Standard sein. Behinderung darf nämlich kein Problem der behinderten Person sein, sondern es geht darum, gesellschaftliche Barrieren abzubauen und Teilhabe zu ermöglichen.
In der Pflegepraxis bedeutet das, dass die Aufgabe darin besteht, Menschen zu befähigen, ein so gut wie möglich selbstbestimmtes Leben zu führen, indem Barrieren wie unzugängliche Räume, aber vor allem auch Vorurteile abgebaut werden. Es geht darum, die Person mit Behinderung als gleichberechtigten Teil der Gesellschaft zu sehen, die individuelle Unterstützung und eine bedarfsgerechte Assistenz benötigt.
Andererseits werden Personen in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen natürlich auch älter, und dann steht sehr wohl die Pflege im Vordergrund, also bräuchte es im Endeffekt eine differenzierte Herangehensweise je nach Behinderungseinrichtung. Digitale Instrumente sollten das auch möglich machen. Wir beziehungsweise die Behinderteneinrichtungen warten darauf.
Nun zum Thema EU-Rezept und EU-Krankenkurzakt: Überall in Europa zum Arzt gehen zu können oder ein Rezept einlösen zu können, sollte heute eigentlich schon lange möglich sein. Jedenfalls begrüßen wir es, denn es steht natürlich dafür, wofür die Europäische Union geschaffen wurde, nämlich Menschen zu verbinden und Grenzen zwischen den europäischen Mitgliedstaaten niederzureißen, auch digitale Grenzen. Unsere E-Card hat also die Chance, für die gesundheitliche Versorgungssicherheit für alle Unionsbürger:innen zur EU-Card zu werden.
Das heute zu beschließende Gesetz ermöglicht es, einerseits Rezepte in der gesamten EU einzulösen, andererseits können in einem ersten Schritt österreichische Gesundheitseinrichtungen Gesundheitskurzakte von nicht österreichischen EU-Bürger:innen abrufen. Umgekehrt aber noch nicht: Österreichische Patient:innenkurzakte können im EU-Ausland noch nicht abgerufen werden.
Trotzdem aber ist es natürlich wichtig, dass die nationale Kontaktstelle für digitale Gesundheit für die höchsten Sicherheitsstandards garantiert. Wenn Gesundheitsdaten die Grenze überschreiten, ist es natürlich auch wichtig, dass wir darauf vertrauen können, dass unsere Daten in unserer Obhut bleiben und nur von den Apotheken, dem Spital oder dem Arzt, zu dem wir gehen, zu unserem Nutzen verwendet werden.
Und ja, jegliche Fremdnutzung muss sichergestellt unterbunden werden und es muss nachvollziehbar sein, wer auf unsere Daten zugreift. Laut Mitarbeiter des Ministeriums im Ausschuss soll aber jede Abfrage und jeder Zugriff protokolliert werden. Die Kollegin von der Regierungspartei NEOS, Frau Deutsch, wird das danach, glaube ich, noch ein bisschen genauer erklären, es wird auch eine Opt-in- und eine Opt-out-Möglichkeit geben – das sind wichtige datenschutzrechtliche Optionen.
Zu warnen und zu schauen, wo es hakt, wo Gesetzesvorschläge verbesserungswürdig sind und auf etwas vergessen wurde, ist eine wichtige Aufgabe der Opposition. Stichwort vergessen: Die Umsetzung der wichtigen EU-Cybersicherheitsrichtlinie NIS2 ist schon seit mehr als einem Jahr überfällig. Erfolgreiche Cyberangriffe gehören fast schon zu unserem Alltag, selbst in Ministerien. Das können Hacker:innen sein, aber es können auch Staaten im Rahmen der hybriden Kriegsführung sein, und das darf nicht sein.
NIS2 soll die kritische Infrastruktur noch besser schützen, und dazu gehören natürlich auch Gesundheitsdaten und Gesundheitseinrichtungen. Daher bringe ich hier im Bundesrat, damit Sie es ja nicht vergessen, sehr geehrte Kolleg:innen von den Regierungsparteien, folgenden Antrag ein:
RN/161.1
Entschließungsantrag
der Bundesrätinnen MMag. Elisabeth Kittl, BA, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Cybersicherheits-Richtlinie NIS 2 unverzüglich umsetzen“
Der Bundesrat wolle beschließen:
„Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, die Richtlinie (EU) 2022/2555 über Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der Union (NIS-2-Richtlinie) unverzüglich umzusetzen.“
Die Bundesregierung ist leider seit mehr als einem Jahr säumig, die Richtlinie umzusetzen, obwohl schon seit 2024 ein Gesetzentwurf vorliegt – aber hiervon haben wir leider noch nichts gesehen.
Auch ein Vertragsverletzungsverfahren wurde von der EU eingeleitet. Daher bitte ich Sie: Ersparen Sie uns das Zahlen von Bußgeldern!, aber vor allem: Schützen Sie uns und unsere kritische Infrastruktur! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)
22.55
Der Gesamtwortlaut des Antrages ist unter folgendem Link abrufbar:
RN/161.2
Vizepräsident Günther Ruprecht: Der von den Bundesrätinnen MMag. Elisabeth Kittl, Kolleginnen und Kollegen eingebrachte Entschließungsantrag betreffend „Cybersicherheits-Richtlinie NIS 2 unverzüglich umsetzen“ ist genügend unterstützt und steht demnach mit in Verhandlung.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Mag.a Dr.in Julia Deutsch. Ich erteile es ihr.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.