10.48

Bundesrat Sandro Beer (SPÖ, Wien): Sehr geschätzter Herr Präsident! Sehr geschätzter Herr Staatssekretär! Werte Kolleginnen und Kollegen und liebe Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal und auch via Livestream! Unser Bundesratskollege hat schon ausgeführt, worum es bei diesem Tagesordnungspunkt geht, und ich möchte vielleicht ein bisschen näher in die Details einsteigen, denn wenn man sich die Novelle und auch deren Tragweite ansieht, dann muss man schon ein bisschen ins Detail gehen, um auch den praktischen Nutzen sichtbar zu machen.

Die Novelle stärkt die Handlungsfähigkeit unseres Staates, indem sie klare und verlässliche Rahmenbedingungen für wichtige Infrastrukturvorhaben schafft. Es geht darum, Projekte rechtzeitig voranzubringen, Verwaltungsverfahren so weiterzuentwickeln, dass sie effizient funktionieren und dabei – ganz wichtig! – die rechtsstaatlichen Prinzipien, die uns leiten, selbstverständlich gewahrt bleiben. 

Die Änderung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes, die AVG-Novelle, ist daher weit mehr als eine Anpassung von Paragrafen. Sie ist eine notwendige Weiterentwicklung und ein Stück Zukunftssicherung. Es ist wichtig, vorweg darauf zu blicken: Wofür brauchen wir diese Novelle? – Wir stehen in unserem Land vor gewaltigen Aufgaben. Der Umbau unseres Energiesystems, der Ausbau der Bahn- und Stromnetze, der Bau von Straßen, von Leitungen, von Anlagen, die den Wirtschaftsstandort stärken und die die Klimaziele erreichbar machen: All das braucht Planung, all das braucht Genehmigungen und – wir kennen es aus der Praxis – es braucht Zeit, oft zu viel Zeit. Verfahren, die über viele Jahre laufen, frustrieren nicht nur die Projektwerber, sie belasten auch die Bevölkerung und letztlich den Staat selbst. 

Wenn wir uns die großen Aufgaben, die vor uns liegen – Energiewende, Klimaschutz und vor allem auch den Ausbau moderner Infrastruktur –, ansehen, dann gilt es auch, Verfahren zu modernisieren, die darüber entscheiden – genau das schafft diese AVG-Novelle. 

Die wichtigsten Neuerungen kurz ausgeführt – der zentrale Schritt ist schnell beschrieben –: Großverfahren gelten künftig bereits ab 50 Beteiligten, bisher brauchte es 100. Warum ist das essenziell und wichtig? – Weil ab dieser Schwelle spezielle Regeln greifen, die die Verfahren strukturieren, beschleunigen und wesentlich einfacher gestalten – und vor allem digitaler machen. Viele Projekte lagen bisher knapp unter der bisherigen Grenze, jetzt geben wir den Behörden das Werkzeug, um für klare Linien zu sorgen. 

Darüber hinaus enthält die Novelle mehrere Maßnahmen, die in Kombination eine echte Wirkung entfalten. Fristen für weitere Vorbringen können gleichzeitig mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung gesetzt werden. Das bringt Klarheit, reduziert Wiederholschleifen und verhindert, dass ein Verfahren zerläuft. 

Die Behörde kann für einzelne Teile einer Sache den Schluss des Ermittlungsverfahrens erklären. Das klingt ein bisschen technisch, hat aber eine enorme Wirkung, denn viele Verfahren scheitern nicht an der Komplexität des Ganzen, sondern an der Verzögerung von einzelnen Teilbereichen.

Die Ediktskundmachung – sprich: die öffentliche Kundmachung – wird reformiert und die Ediktalsperre – also das Veröffentlichungsverbot in Urlaubszeiten – fehlt. In einer digitalen Verwaltung ist es schlicht nicht mehr zeitgemäß, die Öffentlichkeit nur zu bestimmten Jahreszeiten zu informieren. 

Schließlich wird der Einsatz von nicht amtlichen Sachverständigen wesentlich erleichtert. Das ist ganz entscheidend, denn der Engpass liegt oft nicht beim Verfahrensrecht, sondern bei der Verfügbarkeit von Fachwissen. Wenn wir schneller sein wollen, müssen wir Expertise dort einsetzen können, wo sie gebraucht wird. Diese Maßnahmen sind sehr präzise und detaillierte Schritte, die in der Praxis große Wirkung zeigen werden. 

Warum ist diese Novelle auch kein Risiko für den Rechtsschutz? Das wurde schon kurz ausgeführt, es ist wichtig, hier auch klar auszusprechen: Diese Novelle kürzt weder Rechte noch Einspruchsfristen noch Parteienstellungen, sie verschiebt auch keine Verantwortlichkeiten, aber sie tut Folgendes: Abläufe klarer, digitaler und strukturierter gestalten. Rechtsschutz und schnelle Verfahren sind also kein Widerspruch. Im Gegenteil! Ein Verfahren, das sich über Jahre zieht, ist auch kein fairer Rechtsschutz; Rechtsschutz braucht Verlässlichkeit und Verlässlichkeit braucht auch hier Tempo. (Beifall bei der SPÖ und bei Mitgliedern des Bundesrates von der ÖVP.) 

Ich darf in diesem Zusammenhang – damit man es greifen kann – ein paar wesentliche Beispiele bringen: Wenn große Infrastrukturprojekte, vom Windpark bis zur Bahntrasse, ein bis zwei Jahre früher fertiggestellt werden können, dann hat das enorme Auswirkungen: auf Energiepreise, auf Verkehrsbelastung, auf Versorgungssicherheit, auf Wettbewerbsfähigkeit, auf regionale Entwicklung und auch auf heute schon angesprochene Klimaziele. Verfahrensbeschleunigung ist daher nicht nur ein Verwaltungsdetail, sondern ein Standortfaktor, ein Gesellschaftsfaktor und ein Modernisierungsfaktor. Und sie ist ein wichtiger Beitrag, der verhindert, dass Debatten über Großprojekte zu jahrelangen Hängepartien werden, bei denen letztlich niemand gewinnt. 

Es gibt natürlich einiges zu tun. (Bundesrätin Steiner-Wieser [FPÖ/Sbg.]: Das sag’ ich auch!) Die Novelle ist ein erster Schritt, aber sie ist mit Sicherheit nicht das Ende – da haben wir vielleicht ähnliche Tendenzen –: Digitale Verwaltungsplattformen auszubauen, ist natürlich auch ein Ziel für die Zukunft; Expertise schneller verfügbar zu machen, da sind die ersten Schritte eingeleitet worden. Wichtig ist auch für die Zukunft, Doppelgleisigkeiten zwischen Behörden und Gerichten zu reduzieren. Und vor allem ein wichtiger Punkt ist, die Bevölkerung früher und besser einzubinden, Partizipation auch möglich zu machen. 

Geschätzte Damen und Herren! Werte Bundesräte, werte Bundesrätinnen! Die AVG-Novelle ist ein Beispiel dafür, wie man Verwaltung modernisieren kann, ohne Grundsätze aufzugeben. Sie ist ein Beispiel dafür, wie man Verfahren beschleunigen kann, ohne Rechte zu beschneiden. Und sie ist ein Beispiel dafür, wie Politik funktionieren kann, wenn man die Sachlichkeit in den Mittelpunkt stellt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ und bei Mitgliedern des Bundesrates von der ÖVP.) 

10.55

Vizepräsident Günther Ruprecht: Vielen Dank, Herr Kollege. 

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Marlies Steiner-Wieser. – Ich erteile es dir, Frau Kollegin. 

Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.