RN/61
13.13
Bundesminister für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport Vizekanzler Andreas Babler, MSc: Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Geschätzte Mitglieder des Bundesrates! Schön, wieder einmal bei Ihnen zu sein. (Bundesrat Samt [FPÖ/Stmk.]: Wir haben uns auch gefreut!) – Sehr schön, auf desen Zuruf habe ich gewartet. Gegenseitige Wertschätzung, es beginnt schon einmal ganz gut. (Heiterkeit bei Mitgliedern des Bundesrates von SPÖ und FPÖ.) Ich möchte aber trotzdem – im Unterschied zu Ihnen oder zu dir – wieder zur Tagesordnung zurückkehren und über den Medienbericht des ORF 2024 sprechen – eine Zeit, in der ich noch nicht für diesen Bereich verantwortlich war. Ich debattiere aber natürlich trotzdem gerne diesen Bericht und möchte ihn auch gerne in ein paar grundsätzliche Betrachtungen mit einbetten.
Ich sage es ganz offen – und das soll nicht zu pathetisch klingen –, der ORF gehört zu diesem Österreich, zu den Farben rot-weiß-rot genauso dazu wie die Donau, wie die Alpen, wie die Symphoniker, wie das gesamte Kultur- und Sportangebot, das wir in Österreich auch als kultur- und identitätsstiftend sehen. Er ist Kulturgut und seit Jahrzehnten die wichtigste Informationsquelle für alle Österreicherinnen und Österreicher.
Als Informationsquelle ist er heute relevanter denn je. Es ist nicht hoch genug einzuschätzen – und ich möchte das mit aller Klarheit sagen –, dass wir in Österreich über dieses Medium ORF verfügen, das eben nicht abhängig ist: von Konzernen, von Interessen, von großen Lobbys, von profitgetriebenen Eigentümerstrukturen, die auch auf Algorithmen setzen, die Konflikt und Radikalisierung in den Vordergrund stellen und dadurch ihr Geschäft machen. Das passiert deswegen nicht, weil der ORF aus unserem ganz anderen Anspruch heraus gedacht ein Medium ist, das uns allen gehört – jedem Österreicher, jeder Österreicherin. Von diesem Zugang aus gedacht ist der ORF das wichtigste Medium einer demokratisch aufgeklärten Debatte in unserem Land, meine sehr geehrten Mitglieder des Bundesrates. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Mitgliedern des Bundesrates von der ÖVP.)
Dazu gehört auch – aus diesem Zugang heraus, dass er uns allen gehört –, dass wir ihm auch die finanziellen Grundlagen dazu bieten, dieser Tätigkeit nachzukommen. Der ORF-Beitrag ist das, was jeder und jede von uns für diese demokratische Infrastruktur in Österreich beisteuert. Den Wert dieser demokratischen Infrastruktur kann man gar nicht hoch genug schätzen, und viele Redebeiträge, die ich vorher schon mithören durfte, beziehen sich genau auf diesen unschätzbaren Wert in einer Zeit, in der das dringend notwendig ist.
Wir haben als Bundesregierung auch dafür gesorgt – und ich sage es ganz offen, Sie wissen das –, dass gerade in einer Zeit, in der wenig Geld im Geldbörsel ist, in der auch der Staatshaushalt unter Druck steht, dieser Beitrag nicht ansteigt, er ist bis 2029 gedeckelt. Das ist ein wichtiger Beitrag für Teilhabe, für einen demokratischen Diskurs. Öffentliche Medien haben die Chance, mit niedrigen Barrieren eine wichtige Entlastungsmaßnahme für viele Menschen umzusetzen – mit der Einfrierung, der Nichtvalorisierung dieses Beitrags bis 2029. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich möchte es heute auch ein bisschen breiter machen, um ein bisschen zu verdeutlichen, was diesen ORF eigentlich für uns ausmacht. Wir haben es gehört, über „Guten Morgen Österreich“ (Heiterkeit der Bundesrätin Eder-Gitschthaler [ÖVP]) und „Liebesg’schichten und Heiratssachen“ – „Herzblatt“ gibt es ja nicht mehr. (Bundesrat Tiefnig [ÖVP/OÖ]: Heinz Conrads!) Wie Sie wissen, sind auch in meinem Ressort direkte Zuständigkeiten verortet und gebündelt, und fast jede dieser Materien hat auch etwas mit dem ORF zu tun.
Ich sage auch ganz stolz als Kulturminister, wie wichtig der ORF in dem Bereich ist, stark auf österreichische Inhalte zu setzen. Sie können die Statistiken auch in Stunden nachlesen, wie stark der Österreichbezug des österreichischen Rundfunkprogramms auch tatsächlich ist. Sowohl im Fernsehen als auch im Radio werden nicht nur Lieder, Filme, Serien aus Österreich ausgestrahlt, der ORF produziert auch selbst mit. Und vieles wäre ohne ORF-Mitfinanzierung, -Mitunterstützung als österreichisches Kulturgut in diesen Bereichen nicht möglich. Darum halte ich auch die von einem Teil dieses Hauses immer wieder aufgestellte Forderung, man möge doch dem ORF möglichst viele Mittel kürzen, für keine gute Idee. Es würden nicht nur viele österreichische Inhalte verloren gehen, sondern auch gleichzeitig – und das auch einmal mit aller Deutlichkeit – Tausende Arbeitsplätze in der österreichischen Kultur- und Kreativwirtschaft. Ich sage ganz klar: Für mich ist das keine Option. Ich will weiterhin, dass der ORF die Möglichkeit hat, österreichische Identität zu schaffen und zu unterstützen, meine sehr geehrten Mitglieder des Bundesrates. (Beifall bei der SPÖ und bei Mitgliedern des Bundesrates von der ÖVP.)
Ich möchte noch den zweiten Bereich meiner Zuständigkeiten heute einmal in den Fokus rücken, nämlich was österreichische Identitätsstiftung im Bereich Sport anbelangt – jetzt spreche ich als Sportminister zu Ihnen. Es geht nicht nur um den Spitzensport, den haben wir alle abrufbar. Der hat wahnsinnig hohe Zuschauerinnen- und Zuschauerquoten, schafft Identität, schafft kollektiven Stolz, erzeugt Zuversicht, Hoffnung, Glauben an dieses Land – all die Dinge, die wir auch politisch versuchen, in unseren Funktionen zu leben und auszustrahlen. Es sind auch die sogenannten Randsportarten – diesen Begriff finde ich eigentlich eh nicht so optimal –, also auch andere Sportarten, regionale Sportereignisse, die sonst nie die Möglichkeit gehabt hätten, wahrgenommen zu werden, für sich selber zu werben, auch die sportliche Vielfalt in unseren Bereichen in Österreich darzustellen.
Und nicht zuletzt und ganz spezifisch auch ein Blick auf den Nachwuchssport – ich spreche da auch im Interesse von vielen Kindern und ihren Eltern und Erziehungsberechtigten –: dass wir auch die Chance haben, Sport zu bewerben, Sport auch aus einem ernährungstechnischen, sozusagen gesundheitspolitischen Zugang zu verstehen. So Spiele wie die der Fußballnationalmannschaft, die wir im U17-Bereich erlebt haben, sind auch im ORF ausgestrahlt worden. Der ORF hat ermöglicht, dass wir in Österreich an den großartigen Erfolgen unseres Nachwuchsteams teilhaben konnten, zu denen wir wahrscheinlich alle miteinander dieselben Worte der Glückwünsche und der Hochachtung finden, denn das war wirklich eine unglaublich beeindruckende Leistung unserer Nachwuchssportler. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Mitgliedern des Bundesrates von FPÖ und Grünen.)
Ich möchte zum Schluss noch den Bogen zur spezifischen Rolle des für Medien verantwortlichen Ministers in diesem Land spannen. Mit dem ORF gibt es ein Medium, das per Gesetz – nur für unsere Wahrnehmung – zu Unabhängigkeit, Objektivität und journalistischer Sorgfalt verpflichtet ist. Alleine dieser Satz muss doch zu großer Zustimmung und zur Unterstützung dieses Mediums führen, dieser Einzigartigkeit, per Gesetz für uns alle, für jeden einzelnen Österreicher, für jede einzelne Österreicherin, zu Sorgfalt, Objektivität und Unabhängigkeit verpflichtet zu sein. Gibt es einen höheren Anspruch einer demokratisch entwickelten, aufgeklärten Gesellschaft an ein Medium, als dieser eine Satz zum Ausdruck bringt?
Ich möchte nicht verhehlen, dass der ORF natürlich auch noch über viele Potenziale verfügt. Das ist ja ein offenes Geheimnis, und Sie finden ja nicht umsonst auch den Hinweis im Regierungsprogramm, dass wir auch noch Reformen im ORF-Bereich angehen müssen. Es werden viele Punkte im Vordergrund stehen und diskutiert werden, die für die Zukunft des ORF von großer Bedeutung sein werden und sind, etwa die Fragen, welche Möglichkeiten im digitalen Raum der ORF in Zukunft haben soll oder wie der öffentlich-rechtliche Auftrag auf der anderen Seite den veränderten Verhältnissen, die über alle Medienhäuser, über alle Bereiche jetzt hereinbrechen, sinnvoll angepasst werden kann, oder auch, auf welche Art und Weise – das ist mir sehr wichtig, und da haben wir schon gute Fortschritte erzielt – der ORF mit privaten Medien kooperieren soll und muss.
All diese Fragen und noch viele mehr werden, ja, müssen wir uns stellen; und ja, auch der effiziente Einsatz der zur Verfügung gestellten Mittel wird ein Thema sein. Immerhin sind es – daher ist es mir so wichtig, dass wir über Effizienz sprechen – die Mittel, die einzelnen Beiträge von Bürgerinnen und Bürgern, die das finanzieren, und sie haben das Recht darauf, dass mit ihren Mitteln effektiv und sparsam umgegangen wird, auch im ORF. Das ist auch die Zielsetzung unserer Reformbestrebungen. (Beifall bei der SPÖ.)
Auf diese Art und Weise, vor dem Hintergrund all dieser Zugänge, von der Identitätsstiftung über die Wichtigkeit journalistischer Sorgfalt, von Unabhängigkeit und Objektivität, wollen wir den ORF weiterentwickeln. Wir wollen ihn zukunftsfitter machen. Wir wollen ihn zukunftsfit für all jene Herausforderungen, vor die er gestellt wird, machen: durch die fortschreitende Digitalisierung, die Entwicklung der künstlichen Intelligenz, die Konkurrenz durch internationale Onlineplattformen mit all ihren intransparenten Algorithmen und ihren Auswirkungen, die wir tagtäglich an beispielsweise jungen Frauen und Mädchen sehen, wenn es um ihre Körperdarstellung und -wahrnehmung geht, bis zu den Radikalisierungen. Dazu braucht es ein Gegengewicht, und dieses Gegengewicht ist der ORF in diesem Land, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Dabei soll der ORF auch die privaten Medien mitnehmen. Als größtes und als öffentlich-rechtlich finanziertes Medienhaus trägt er große Mitverantwortung für die Medienvielfalt im Allgemeinen in Österreich, und diese Medienvielfalt wird es nur dann weiter geben, wenn sich die österreichischen Medien gegen die Konkurrenz von diesen rein profitorientierten, von Algorithmen getriebenen Plattformen durchsetzen können. Das ist die Zukunftsfrage, wenn wir über Demokratie, über Medien der Zukunft sprechen: Werden wir uns durchsetzen können gegen all das, was über uns hereinbricht, mit intransparenten Algorithmen, die ganz andere, nämlich meistens profitorientierte oder spalterische Anliegen betreiben? Das ist die Philosophie, wenn wir über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in diesem Land als Gegenpol, als demokratisches Schutzschild gegenüber der gesamten Medienwahrnehmung und den demokratischen Ansprüchen eines Landes reden. (Beifall bei der SPÖ.)
Ich sage es ganz offen in die gesamte Breite dieses Hauses: Das wird nur gemeinsam gehen. Es braucht ein gemeinsames Grundbekenntnis, was die Zukunftsfähigkeit eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks anbelangt, die Zukunftsvision einer demokratischen Gesellschaft, die sich auch wehren kann, die mit einer Stärkung dieser Unabhängigkeit ganz entscheidende Schritte setzt, die ein Gegenpol sein muss zu all den Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Ich möchte und ich werde in meiner politischen Verantwortung dazu einen Beitrag leisten, und ich weiß, dass die meisten von Ihnen, auch in diesem Haus, bei diesem Anliegen hinter mir stehen.
Ich darf alle einladen, sich auch der demokratiepolitischen Verantwortung, neben jeder tagespolitischen, populistischen Möglichkeit, die man manchmal auch gerne ausnutzen mag, zu stellen. Er ist einer unserer demokratischen Grundpfeiler im System, wenn wir dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Mittel geben, die er braucht, um ein Gegenpol zu sein. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ, bei Mitgliedern des Bundesrates von der ÖVP sowie der Bundesrätin Jagl [Grüne/NÖ].)
13.24
Vizepräsident Michael Wanner: Danke schön.
Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Klara Neurauter. Ich erteile es ihr.
Die angezeigte Rede ist noch nicht nach § 65 Abs. 2 GO-BR autorisiert.