10510 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Wirtschaftsausschusses

über den Beschluss des Nationalrates vom 10. Dezember 2020 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und –organisationsgesetz 2010 geändert wird

Dynamische energiewirtschaftlichen Veränderungen sowohl in Österreich als auch in den Nachbarländern führen zu steigenden Netzbelastungen und folglich auch zeitweise zu erhöhtem Redispatchbedarf.
Mit dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates werden daher Regelungen zur Einführung einer Netzreserve festgelegt, um diesen Veränderungen effizient und kostengerecht zu begegnen.

Die neuen Regelungen sollen den gesicherten Weiterbetrieb von für das Engpassmanagement relevanten Kraftwerken ermöglichen, die für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit unerlässlich sind.
Der Regelzonenführer wird verpflichtet, den Bedarf an vorzuhaltender Leistung mittels einer Systemanalyse zu ermitteln und in einem wettbewerblichen Verfahren die nötigen Ressourcen zu kontrahieren, um für die Zwecke des Engpassmanagements jederzeit in ausreichendem Maß verfügbare Kraftwerke oder Verbraucher aktivieren zu können. Die Teilnahme am Ausschreibungsverfahren steht neben inländischen und europäischen Erzeugungsanlagen auch Aggregatoren sowie Entnehmern, die ihre Verbrauchsanlagen temporär reduzieren oder verlagern können, offen. Es werden auf verschiedenen Ebenen ökologische Kriterien berücksichtigt und ein striktes Marktverbot während der Kontrahierung sorgt für die Hintanhaltung von Marktverzerrungen. Zudem wird vorgesehen, dass systemrelevante Kraftwerke, welche aus wirtschaftlichen Gründen ihre Verfügbarkeit derart reduzieren, dass sie nicht mehr an den Kurzfristmärkten teilnehmen können, notfalls zum Weiterbetrieb verpflichtet werden können. Ein solches Stilllegungsverbot ist durch die Regulierungsbehörde bescheidmäßig auszusprechen.

Im Zuge der Debatte im Nationalrat wurde von den Abgeordneten Lukas Hammer, Tanja Graf, Kolleginnen und Kollegen ein Abänderungsantrag eingebracht, der beschlossen und wie folgt begründet wurde:

Allgemeines zu den Änderungen:

Die Einführung einer Netzreserve stellt eine staatliche Beihilfe iSd Art. 107 Abs. 1 AEUV dar, weswegen die hierfür notwendige Novellierung des ElWOG 2010 der Prüfung und Genehmigung durch die Europäische Kommission unterliegt. Die vorliegenden Änderungen sind allesamt auf beihilferechtliche Vorgaben bzw. Kritikpunkte der Europäischen Kommission zum ursprünglichen Gesetzesantrag im Rahmen des hierzu anhängigen Beihilfeverfahrens zur Zahl SA.52263(2020/N) zurückzuführen.

Zu § 7 Abs. 1 Z 52b und Z 61a:

Angesichts der Änderungen in den §§ 23a ff sowie der nunmehr in § 23b Abs. 2 enthaltenen Produktdefinitionen war es notwendig, den saisonalen Netzreservevertrag zu definieren. Im Zusammenhang mit § 23b Abs. 7 Z 4 ist klargestellt, dass der saisonale Netzreservevertrag nur eine einzelne (dh. die nächstfolgende) Winter- oder Sommersaison umfassen darf. Für die Festlegung der Vertragslaufzeit besteht eine gewisse Flexibilität; daher ist bei Vertragsbeginn und Vertragsende eine einmonatige Abweichung von dem in § 7 Abs. 1 Z 61a und Z 66b festgelegten Saisonbeginn bzw. Saisonende (sowohl nach oben als auch nach unten hin) möglich. Unter Monat im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 61a ist – wie auch im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 66b – stets ein Kalendermonat zu verstehen.

Zu § 7 Abs. 1 Z 66c:

Unter dem Begriff der temporären Stilllegung ist ein elektrizitätsrechtlich spezifischer Zustand zu verstehen, der ausschließlich im Zusammenhang mit der (technischen) Verfügbarkeit für das Engpassmanagement Rechtsfolgen nach sich zieht. Maßgeblich ist, dass eine Erzeugungsanlage aufgrund vorläufiger Maßnahmen nicht innerhalb der für den Übertragungsnetzbetreiber notwendigen Zeit zur Behebung von Engpässen zur Verfügung steht. Mit anderen Worten ist die Erzeugungsanlage nicht in der Lage, in der technisch hierfür notwendigen Zeitspanne eine geforderte Anpassung ihrer Einspeisung (sog. Redispatch) umzusetzen, um einen Netzengpass zu beheben. Es handelt sich hierbei lediglich um einen vorläufigen Zustand, der mit einer zu langen Vorlaufzeit für das Redispatch einhergeht; hiermit wird jedoch keine Betriebseinstellung der Anlage (etwa im Sinne des § 27 Abs. 3 WRG 1959 oder ähnlicher anlagenrechtlicher Bestimmungen) bewirkt.

Zu § 23a Abs. 2 sowie § 23b Abs. 2 und Abs. 7:

Die Systemanalyse hat hinsichtlich des Netzreservebedarfs einen zweijährigen Betrachtungszeitraum zugrunde zu legen. Dies korrespondiert mit der höchstmöglichen Vertragsdauer gemäß § 23b Abs. 2 letzter Satz.

Die Produkte gemäß § 23b Abs. 2 Z 3 sind auf Basis der Ergebnisse der Systemanalyse sowie der eingelangten Stilllegungsanzeigen gemäß § 23a Abs. 1 zu definieren und im Aufruf zur Interessensbekundung zu veröffentlichen; bei der Festlegung bzw. Veröffentlichung der auszuschreibenden Produkte hat der Regelzonenführer zunächst von allen im Gesetz genannten Möglichkeiten auszugehen und anschließend zu überprüfen, ob sich ein entsprechender Bedarf auch aus der Systemanalyse sowie den angezeigten Stilllegungen ergibt. Weiters sind dabei die Kriterien des § 23b Abs. 7 Z 1 bis 4 zu berücksichtigen: Zweijährige Netzreserveverträge dürfen daher nur ausgeschrieben werden, wenn auf Basis der Systemanalyse ein kontinuierlicher Netzreservebedarf für den gesamten Vertragszeitraum festgestellt wurde (§ 23b Abs. 7 Z 2). Weiters dürfen zweijährige Verträge nicht für Zeiträume abgeschlossen werden, in denen frühere zweijährige Verträge aus allfälligen vorherigen Ausschreibungsverfahren weiterhin aufrecht sind (§ 23b Abs. 7 Z 3). Hiermit sollen überlappende mehrjährige Netzreserveverträge verhindert werden.

Zu § 23b Abs. 5:

Zielsetzung der Referenzwertberechnung ist es, extrem hochpreisige Angebote, die allenfalls zuzuschlagen sind, aus dem Bieterkreis auszuschließen. Zu diesem Zweck wird ein Referenzpreis gebildet, der um einen bestimmten Prozentsatz überschritten werden darf, ohne ausgeschlossen zu werden. Dieser Referenzwert muss so gebildet werden, dass alle Angebote mit diesem verglichen werden können. Da Angebote zu verschiedenen Leistungen und Vertragslaufzeiten angeboten werden können (s. § 23b Abs. 2 letzter Satz), ist eine Standardisierung notwendig. Dazu wird der angebotene Preis pro MW und pro Monat herangezogen. Hinsichtlich der Zeitdauer ist anzumerken, dass hier die tatsächliche Verfügbarkeitsdauer während der Vertragslaufzeit heranzuziehen ist, die Vertragslaufzeit wird daher um allfällige geplante Wartungszeiten und allfällige weitere (zB gesetzliche) Einschränkungen reduziert. In die Durchschnittsbildung nach dieser Bestimmung sind die Angebote zu allen ausgeschriebenen Produkten, abzüglich der teuersten 10 % der insgesamt angebotenen Leistung, einzubeziehen.

Zu § 23b Abs. 6:

Für die Frage der geringsten Kosten als Kriterium für die Zuschlagserteilung kommt es auf die Gesamtkosten an, sodass auch die Gesamteffizienz der Anlage zur Behebung eines bestimmten Engpasses (auch im Hinblick auf Standort und Wirksamkeit) relevant sein kann.

Zu § 111 Abs. 5:

Der in § 111 Abs. 5 Z 2 genannte Wert sowie die in der ersten Ausschreibung gewonnenen Erfahrungswerte und Ergebnisse sind in den kommenden Ausschreibungsjahren bei der Festlegung der Signifikanzschwelle zu berücksichtigen.

Zu den sonstigen Änderungen:

Die sonstigen Änderungen betreffen redaktionelle Anpassungen.“

 

Dieser Beschluss des Nationalrates ist ein Fall des Artikels 44 Absatz 2 B-VG und bedarf daher der in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrates.

 

Der Wirtschaftsausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 15. Dezember 2020 in Verhandlung genommen.

Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA.

An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates Michael Bernard, Ing. Isabella Kaltenegger und Günther Novak.

Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA gewählt.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 15. Dezember 2020 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1.     gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2.     dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Absatz 2 B-VG die verfassungs-mäßige Zustimmung zu erteilen.

Wien, 2020 12 15

                      MMag. Elisabeth Kittl, BA                                                         Sonja Zwazl

                                  Berichterstatterin                                                                       Vorsitzende