10552 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates
Bericht
des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus
über den Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz über die Absicherung des österreichisch-jüdischen Kulturerbes (Österreichisch-Jüdisches Kulturerbegesetz – ÖJKG)
Das jüdische gesellschaftliche und kulturelle Leben ist ein wesentlicher Bestandteil der österreichischen Geistes- und Kulturgeschichte. Zahlreiche Persönlichkeiten, die zur Bildung des österreichischen Selbstverständnisses beitrugen und unser Land auch in seiner Außenwirkung bis heute prägen, waren und sind Jüdinnen und Juden bzw. jüdischer Herkunft.
Aufgrund von Repressalien, Terror und Verfolgung durch die NS-Herrschaft, an der sich viele Österreicherinnen und Österreicher beteiligt haben, mussten zwischen März 1938 und November 1941 126.000 bis 128.000 Jüdinnen und Juden ihre Heimat verlassen. Über 64.000 jüdische Österreicherinnen und Österreicher wurden Opfer des Holocaust. Die Vertreibung und Ermordung von Jüdinnen und Juden hinterließ eine unwiederbringliche Lücke und bedeutet einen Verlust, der nicht abgegolten werden kann, ein Verbrechen, das unentschuldbar ist.
Die jüdische Bevölkerung in Österreich wird heute auf etwa 15.000 Personen geschätzt, die Israelitische Religionsgesellschaft - IRG hat rund 8.000 Mitglieder; davon leben die meisten in Wien. Trotz dieser im Vergleich überschaubaren Zahl wird die jüdische Gemeinde in Österreich und vor allem in Wien als bedeutend erachtet, nicht zuletzt aufgrund des vielfältigen materiellen und immateriellen kulturellen Erbes des Judentums in Österreich.
Dieses Erbe wird von der gesamten jüdischen Gemeinschaft in Österreich gepflegt, erhalten und weiterentwickelt. Dies gelingt nur durch hohen ideellen und materiellen Einsatz der Gemeinschaft. Auch das Bestehen und die Zukunft von Gemeinden ist nicht selbstverständlich, sondern das Ergebnis von vielfachen Möglichkeiten der Verbundenheit und Verwurzelung.
Die Republik Österreich hat hier Verantwortung für die jüdischen Gemeinden und erbringt seit Jahren Leistungen im Interesse des jüdischen Gemeindelebens. Dennoch ist jüdisches Leben in Österreich nicht selbstverständlich, sondern lebt gerade aus Sicht der jüngeren Generation von nachhaltigen Zukunftsperspektiven. Solche Perspektiven sind:
- der Schutz jüdischer Einrichtungen,
- die Erhaltung und Pflege des gemeinsamen zukunftsorientierten materiellen und immateriellen österreichisch-jüdischen Kulturerbes,
- die Aufrechterhaltung des jüdischen Gemeindelebens und seiner Struktur in Österreich,
- der Dialog der Religionen,
- die Förderung von Projekten mit und zugunsten der jungen Generation und
- die
Förderung von Initiativen des gesellschaftlichen Austausches und des
Zusammenhalts.
Der Beschluss umfasst hauptsächlich folgende Maßnahmen:
- Schutz jüdischer Einrichtungen wie Synagogen, Bethäuser, jüdische Institutionen und Veranstaltungen in Österreich,
- Erhaltung und Ausbau der Struktur und Dienstleistungen für die Mitglieder der israelitischen Religionsgesellschaft,
- Förderung von Informationsvermittlung über das jüdische Kulturerbe (gemeinsame Veranstaltungen, Informationsabende und Themenschwerpunkte) für die nichtjüdische und jüdische Bevölkerung Österreichs,
- Förderung von Projekten des interreligiösen Dialogs,
- Förderung von Programmen, die speziell auf jüdische Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene abgestimmt sind.
Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 9. März 2021 in Verhandlung genommen.
Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner.
Gemäß § 30 Abs. 2 GO-BR wurde beschlossen, Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky mit beratender Stimme an den Verhandlungen teilnehmen zu lassen.
An der Debatte beteiligte sich das Mitglied des Bundesrates Mag. Daniela Gruber-Pruner.
Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin Dipl.-Ing. Andrea Holzner gewählt.
Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Wien, 2021 03 09
Dipl.-Ing. Andrea Holzner Karl Bader
Berichterstatterin Vorsitzender