10571 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für BürgerInnenrechte und Petitionen

über Beschluss des Nationalrates vom 24. Februar 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Volksanwaltschaftsgesetz 1982 geändert wird

Die Abgeordneten Martina Diesner-Wais, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen haben den dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates zugrundeliegenden Initiativantrag am 20. November 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

Zu Z 1 (§ 12 Abs. 1):

Die Frage, in welcher Form die Mitglieder der von der Volksanwaltschaft eingesetzten Kommissionen (Art. 148h Abs. 3 B-VG) gemäß § 12 Abs. 4 des Volksanwaltschaftsgesetzes 1982 – VolksanwG, BGBl. Nr. 433/1982, abzuberufen sind, hat in der Praxis zu einer Judikaturdivergenz zwischen dem Verfassungs­gerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof geführt.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH 24.11.2017, E 1641/2017) ging zunächst davon aus, dass die von der Volksanwaltschaft nach Art. 148h Abs. 3 B-VG einzusetzenden Kommissionen – wie die Volks­anwaltschaft – als deren Hilfsorgan der Staatsfunktion Gesetzgebung zuzurechnen seien. Behördliche Befugnisse kämen der Volksanwaltschaft – abgesehen von der Ausübung der Diensthoheit durch ihren Vorsitzenden nach Art. 148h Abs. l und 2 B-VG – nicht zu, weshalb das Bundesverwaltungsgericht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen sei, dass die Abberufung eines Kommissionsmitgliedes durch das Kollegium der Volksanwaltschaft nach § 12 Abs. 4 VolksanwG keinen tauglichen Anfechtungsgegenstand nach Art. 130 Abs. l B-VG bilde. In einem später ergangenen Beschluss (VfGH 24.2.2020, E 7/2020) ließ der Verfassungsgerichtshof offen, wie der dem angefoch­tenen Beschluss zugrunde liegende Akt der Abberufung eines Kommissionsmitgliedes zu beurteilen ist, weil dem Kollegium der Volksanwaltschaft in keiner Konstellation – weder als Verwaltungsorgan noch als (Hilfs-)Organ der Gesetzgebung – eine Beschwerdelegitimation an den Verfassungsgerichtshof zukomme.

Der Verwaltungsgerichtshof dagegen (VwGH 26.6.2019, Ro 2018/03/0009; 25.2.2020, Ra 2020/03/0003) deutete den Akt der Abberufung als Bescheid, im Wesentlichen unter Berufung auf eine völker­rechts­konforme Interpretation (vgl. das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 18. Dezember 2002 – OPCAT), rechtsstaatliche (subjektives Recht auf Abberufung nur unter den gesetzlichen Voraus­setzungen) und gleichheitsrechtliche (im Hinblick auf die Bediensteten der Volksanwaltschaft) Überlegungen.

Um diese Judikaturdivergenz zu beseitigen, soll im Sinn der Rechtsprechung des Verfassungs­gerichts­hofes gesetzlich ausdrücklich klargestellt werden, dass die Einsetzung der Kommissionen sowie alle damit zusammenhängenden Akte der Volksanwaltschaft, insbesondere die Bestellung und die Abbe­rufung der Mitglieder der Kommissionen, der Gesetzgebung zuzurechnen sind. Während das B-VG nämlich für den Vorsitzenden der Volksanwaltschaft, der in bestimmten Personalangelegenheiten, wie der Ernennung der Beamten, der Anstellung von Bediensteten und der Diensthoheit, oberstes Verwaltungs­organ ist (vgl. Art. 148h Abs. 1 und 2 B-VG sowie dazu Thienel/Leitl-Staudinger, Art. 148h B VG, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 18. Lfg. [2017] Rz. 2-4), ausdrücklich eine sachliche Ausnahme von der Zurechnung der (aller) Akte der Volksanwaltschaft zur Staatsfunktion Gesetzgebung statuiert, normiert es für die Volksanwaltschaft selbst – also für das aus drei Mitgliedern bestehende Kollegialorgan (vgl. Art. 148g Abs. 1 zweiter Satz B-VG) – keine solche Ausnahme, weshalb es insoweit eben bei der allgemeinen Regel der Zurechnung (aller) ihrer Akte zur Staatsfunktion Gesetzgebung zu bleiben hat. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis wird in der Recht­sprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch verkannt.

Den völkerrechtlichen funktionalen Unabhängigkeitsgarantien des Nationalen Präventionsmechanismus gemäß Art. 18 OPCAT ist durch die gesetzliche Festlegung von Bestellungs- und Abberufungs­voraus­setzungen und einer rechtsförmlichen Vorgangsweise entsprochen: Die Bestellung und die Abberufung der Mitglieder der Kommissionen unterliegen der kollegialen Beschlussfassung (vgl. § 1 Abs. 2 Z 6 VolksanwG) der – in Ausübung ihres Amtes unabhängigen – Volksanwaltschaft nach vorheriger Anhörung des Menschenrechtsbeirates, wobei eine vorzeitige Abberufung von Kommissionsmitgliedern nur unter engen gesetzlichen Voraussetzungen zulässig ist (vgl. § 12 Abs. 4 VolksanwG und § 19 Abs. 5 der Geschäftsordnung der Volksanwaltschaft, ihrer Kommissionen, des Menschenrechtsbeirates und der Rentenkommission – GeO der VA 2018, BGBl. II Nr. 240/2018).

Da die Kommissionen der Volksanwaltschaft staatliche Funktionen ausüben und ihre Mitglieder keine öffentlich Bediensteten sind, erscheinen auch die vom Verwaltungsgerichtshof angestellten rechts­staatlichen und gleichheitsrechtlichen Überlegungen nicht zielführend.

Zu Z 2 (§ 23 Abs. 5):

Die vorgeschlagene Ergänzung des § 12 Abs. 1 soll zwar erst mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft treten. Da die (Verfassungs-)Rechtslage durch sie nur klargestellt, aber nicht geändert werden soll, können daraus jedoch keinerlei e-contrario-Schlüsse gezogen werden: Die Einsetzung der Kommissionen der Volksanwaltschaft sowie alle damit zusammenhängenden Akte der Volksanwaltschaft, insbesondere die Bestellung und die Abberufung der Mitglieder der Kommissionen, sind nämlich schon nach geltender (Verfassungs-)Rechtslage der Staatsfunktion Gesetzgebung zuzurechnen. Daraus folgt insbesondere, dass die Mitglieder der Kommissionen von Verfassung wegen schon bisher nicht mit Bescheid bestellt oder abberufen zu werden brauchten (derartige Bescheide wurden in der Vergangenheit auch nicht erlassen).“

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 9. März 2021 in Verhandlung genommen.

Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin MMag. Elisabeth Kittl, BA gewählt.

Der Ausschuss für BürgerInnenrechte und Petitionen stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2021 03 09

                      MMag. Elisabeth Kittl, BA                                            Andrea Michaela Schartel

                                  Berichterstatterin                                                                       Vorsitzende