10611 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates
Bericht
des Ausschusses für Innovation, Technologie und Zukunft
über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird
Mit Klage vom 23. März 2018 beantragte die Europäische Kommission beim EuGH die Feststellung, dass die Republik Österreich im Bereich des Patentanwaltsrechts gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 14 Nr. 1, Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b und c und Abs. 3 sowie Art. 25 der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt („Dienstleistungsrichtlinie“) und aus den Art. 49 und 56 AEUV verstoßen habe.
Laut EuGH-Urteil vom 29.07.2019, Rs. C-209/18, Europäische Kommission/Republik Österreich, liegen folgende drei Verstöße gegen die Richtlinie 2006/123/EG vor:
- unzulässige Anforderungen an den Ort des Sitzes für Patentanwalts-Gesellschaften,
- unzulässige Anforderungen an die Rechtsform und die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen für Patentanwalts-Gesellschaften,
- Beschränkung multidisziplinärer Tätigkeiten für Patentanwalts-Gesellschaften.
Der EuGH ist in seinem Urteil in wesentlichen Teilen der Ansicht der Kommission gefolgt.
Das Patentanwaltsgesetz wurde zuletzt durch die Novelle BGBl. I Nr. 39/2019 novelliert. Die Prüfung und das Urteil des EuGH erfolgte auf Basis des Patentanwaltsgesetzes in der Fassung vor der jüngsten Novelle, da das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, und dass später etwa eingetretene Veränderungen vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden können.
Aus der Analyse und Evaluierung des EuGH-Urteils ergibt sich, dass das Patentanwaltsgesetz auch in der seit der Novelle BGBl. I Nr. 39/2019 geltenden Fassung zu novellieren ist. Insbesondere sind im Lichte des Urteils des EuGH jene Regelungen, die Beschränkungen in Bezug auf den Sitz, die Rechtsform und die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen von Patentanwaltsgesellschaften vorsehen, richtlinienkonform zu gestalten. Daneben ist auch die Möglichkeit multidisziplinärer Tätigkeiten für Patentanwalts-gesellschaften vorzusehen.
Nach der Richtlinie (EU) 2018/958 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, vor der Einführung neuer oder der Änderung bestehender Rechts- und Verwaltungsvorschriften, mit denen der Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränkt wird, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. Dabei bedarf es einer Beurteilung, ob solche in Aussicht genommene Regelungen durch Ziele des Allgemeininteresses gerechtfertigt und für die Verwirklichung des angestrebten Ziels geeignet sind; zu prüfen ist ferner das Nichtvorliegen einer direkten oder indirekten Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes.
Diese Richtlinie soll durch ein Bundesgesetz über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlassung neuer Berufsreglementierungen (Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz – VPG), das derzeit als Ministerialentwurf (47/ME) vorliegt, umgesetzt werden. Dieses Gesetz soll auch für die durch die Organe der Patentanwaltskammer zu erlassenden einschlägigen Normen gelten, weshalb von einer sektoralen Umsetzung im Patentanwaltsgesetz abgesehen wird. Mittels des gegenständlichen Beschluss des Nationalrats sollen lediglich ergänzende Bestimmungen in Bezug auf die Zuständigkeit für die durchzuführende Verhältnismäßigkeitsprüfung sowie zum erforderlichen Begutachtungsverfahren aufgenommen werden.
Zur Ermöglichung von Beratungen und der Herstellung der Beschlussfähigkeit von Organen der Patentanwaltskammer in Fällen, in denen nicht alle oder einzelne Teilnehmer physisch anwesend sein können, sollen Sitzungen auch ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer durchgeführt und Beschlüsse mittels Videokonferenz gefasst werden können. Darüber hinaus soll dem Vorstand in einfacheren Angelegenheiten die Beschlussfassung auch im Umlaufweg ermöglicht werden. Ferner soll die Pauschalvergütung für die Beiordnung von Patentanwälten inflationsangepasst erhöht werden.
Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 4. Mai 2021 in Verhandlung genommen.
Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Marco Schreuder.
An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates Otto Auer und Stefan Schennach.
Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Marco Schreuder gewählt.
Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Wien, 2021 05 04
Marco Schreuder Stefan Schennach
Berichterstatter Vorsitzender