10612 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates
Bericht
des Ausschusses für Innovation, Technologie und Zukunft
über den Beschluss des Nationalrates vom 22. April 2021 betreffend eine Erklärung europäischer Regierungen über die Phase des Einsatzes der Träger Ariane, Vega und Sojus vom Raumfahrtzentrum Guayana aus
Seit 1980 gibt es eine multilaterale, zwischenstaatliche Vereinbarung (Erklärung europäischer Regierun-gen über die Produktionsphase der Ariane-Träger) der Mitgliedsstaaten der Europäischen Weltraumorga-nisation (ESA), die die Beziehungen zwischen den Teilnehmern am Ariane-Entwicklungsprogramm, der ESA und der französischen privatrechtlichen Aktiengesellschaft Arianespace regelt. Dieser Gesellschaft ist die Produktion, Abwicklung von Starttätigkeiten und Vermarktung der von der ESA entwickelten Trägerrakete Ariane übertragen. Österreich ist Mitglied der ESA und hat am Entwicklungsprogramm Ariane 5 teilgenommen und war somit Vertragspartei der bis Ende 2008 gültigen Erklärung europäischer Regierungen über die Produktionsphase der Ariane-Träger.
2007 folgte die Erklärung europäischer Regierungen über die Phase des Einsatzes der Träger Ariane, Vega und Sojus vom Raumfahrtzentrum Guayana aus (sogenannte „Erklärung 2007“), die eine Erweite-rung der Erklärung über die Ariane-Produktions-Phase um die Träger Vega und Sojus enthält. Österreich hat die Annahme der Erklärung 2007 am 15. Mai 2009 dem Generaldirektor der ESA notifiziert; die Erklärung ist gemäß ihrem Art. V Abs. 1 für Österreich mit 26. November 2009 in Kraft getreten und ist – wie in der Erklärung vorgesehen – bis Ende 2020 gültig.
Seit Anfang 2010 hat sich der Markt für Startsysteme weltweit erheblich verändert, insbesondere bzgl. der Kosten. Dadurch wurde die bis dahin starke europäische Position deutlich geschwächt. Vor diesem Hintergrund hat der ESA-Ministerrat 2008 und 2012 eine Weiterentwicklung von Ariane-5 und Vega sowie eine neue Ariane-Version (Ariane-6) beschlossen. Beim ESA-Ministerrat 2014 wurde eine neue Strategie für die Zukunft der europäischen Trägerprogramme festgelegt, um weiterhin einen unabhängi-gen europäischen Zugang zum Weltraum sicherzustellen. Die betroffenen Staaten haben beschlossen, die neuen Trägerraketen Ariane-6 (im Wesentlichen eine Neu-Industrialisierung von Ariane-5) und Vega-C (eine Weiterentwicklung von Vega) zu entwickeln und vor allem dem Privatsektor eine größere Rolle und Verantwortung zu übertragen (neue Governance). Weiters wurde zugesagt, diese beiden Trägerraketen in Zukunft bevorzugt einzusetzen (europäische Präferenz), um damit einen europäischen institutionellen Basis-Markt zu schaffen. Die Verantwortung für den zusätzlichen kommerziellen Markt sollte vollstän-dig, insbesondere auch finanziell, auf den Privatsektor (Arianespace, ArianeGroup, Avio) übertragen werden. Darüber hinaus erhielt die ArianeGroup durch den Kauf der Arianespace-Aktien von CNES die Kontrolle über Arianespace.
Diese grundlegende Änderung der Governance sowie die Kontrolle von ArianeGroup über Arianespace machten eine Revision der Erklärung 2007 notwendig. Die Regierungsvertreter der ESA-Mitgliedsstaaten, einschließlich der nicht am Ariane- oder Vega-Entwicklungsprogramm teilnehmenden neuen ESA-Mitgliedsstaaten, führten ab März 2016 Verhandlun-gen zur Festlegung der gegenständlichen neuen Erklärung und nahmen einvernehmlich am 4. Dezember 2017 den Wortlaut des Schlussdokuments an (sogenannte „Erklärung 2017“). Diese Erklärung soll jene aus 2007 ersetzen.
Die dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates zugrundeliegende neue Erklärung basiert auf der Erklärung 2007, wurde wo erforderlich bzgl. der betreffenden Träger – die bisherigen Ariane-5 und Vega-Träger werden um Ariane-6 und Vega-C ergänzt – sowie hinsichtlich der Governance leicht angepasst, und soll bis 2035 gelten. Sie übernimmt die Struktur der Erklärung 2007 und erläutert die Rechte und Pflichten der Vertragsstaaten, der ESA und des Startdienstbetreibers Arianespace. Sie ist somit im Wesentlichen eine Fortschreibung der Erklärung 2007 und bildet den Rahmen für den Einsatz der Träger für weitere 15 Jahre (bis Ende 2035).
Das österreichische Interesse an der Annahme der Erklärung besteht darin, bei der weltweiten Vermarktung der Trägerraketen Ariane-5 und -6, Vega und Vega-C sowie Sojus weiter mitzuwirken und vor allem Aufträge an österreichische Zulieferfirmen für Ariane-5, Ariane-6 und Vega-C zu lukrieren. Österreich profitiert als Teilnehmer an der Erklärung sowohl von dem Bekenntnis zur europäischen Solidarität auf dem Raumfahrtsektor als auch von den gleichen individuellen und kollektiven Rechten (z.B. Kontrollrechte über Arianespace und Schutz vor dem Austausch österreichischer Zulieferfirmen) wie alle übrigen Vertragsparteien.
Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 4. Mai 2021 in Verhandlung genommen.
Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Marco Schreuder.
An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA, Mag. Christian Buchmann und Stefan Schennach.
Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Marco Schreuder gewählt.
Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Wien, 2021 05 04
Marco Schreuder Stefan Schennach
Berichterstatter Vorsitzender