10766 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Oktober 2021 betreffend ein Abkommen im Bereich der sozialen Sicherheit zwischen der Republik Österreich und Kanada

Allgemeine Überlegungen

Die Revision des Abkommens zwischen der Republik Österreich und Kanada über soziale Sicherheit hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B‑VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Abkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B‑VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Abkommen keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B‑VG.

1. Werdegang des Abkommens

2014 wurden Expertengespräche aufgenommen, die nach nur zwei Besprechungsrunden auf Expertenebene erfolgreich abgeschlossen werden konnten.

2. Das Abkommen im Allgemeinen

Das Abkommen baut auf dem alten Abkommen auf und enthält mit Ausnahme der neuen Pensionsberechnung keine grundsätzlichen Änderungen im Vergleich zur derzeit geltenden Rechtslage; allerdings wurden einige Änderungen vorgenommen (zB umfassende Datenschutzregelung), um es in materiellrechtlicher Hinsicht weitestgehend den in letzter Zeit von Österreich geschlossenen Abkommen (zB Abkommen mit Serbien vom 26.1.2012, BGBl. III Nr. 155/2012) anzupassen.

Das Abkommen ist in fünf Abschnitte gegliedert:

Abschnitt I enthält allgemeine Bestimmungen und legt im Wesentlichen den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich, den Grundsatz der Gleichbehandlung sowie die Gebietsgleichstellung hinsichtlich der Gewährung von Geldleistungen aus der Pensionsversicherung fest.

Abschnitt II normiert in Bezug auf die jeweils hinsichtlich der Versicherungspflicht anzuwendenden Rechtsvorschriften den Grundsatz des Beschäftigungslandprinzips sowie davon abweichende Sonderregelungen (insbesondere eine Entsenderegelung) und sieht die Möglichkeit vor, im Einzelfall Ausnahmen hiervon zu vereinbaren. Diese Regelungen werden grenzüberschreitend tätigen Unternehmen und Personen helfen, doppelte Beitragszahlungen zu vermeiden.

Abschnitt III legt die Leistungsfeststellung im Bereich der kanadischen bzw. österreichischen Pensionsversicherung fest. Diese erfolgt unter Zusammenrechnung der in den beiden Vertragsstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten für den Anspruch und unter Berechnung grundsätzlich entsprechend den in jedem Vertragsstaat zurückgelegten Versicherungszeiten, wobei eine Vereinheitlichung der zwischenstaatlichen Berechnung angestrebt wird.

Abschnitt IV enthält verschiedene Bestimmungen über die Durchführung und Anwendung des Abkommens.

Abschnitt V enthält Übergangs- und Schlussbestimmungen.

Im EU-Bereich stehen hinsichtlich von Abkommen über soziale Sicherheit mit Drittstaaten keine EU-Vorschriften in Kraft, sodass die Mitgliedstaaten einen diesbezüglichen Gestaltungsspielraum haben. Das vorliegende Abkommen entspricht aber den in diesem Bereich maßgebenden Grundsätzen der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (ABl. Nr. L 166 vom 30.4.2004, S. 1). Der vom EuGH in der Rs C-55/00, Gottardo, unmittelbar aus Art. 45 AEUV (Arbeitnehmerfreizügigkeit) abgeleiteten Verpflichtung der Mitgliedstaaten, bei Abkommen mit Drittstaaten die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten den jeweils eigenen Staatsangehörigen gleichzustellen, wird dadurch entsprochen, dass der persönliche Geltungsbereich aber auch die Gleichbehandlungsregelung des vorliegenden Abkommens unbeschränkt ist und daher alle versicherten Personen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit erfasst.

3. Finanzielle Auswirkungen

Keine.

Das Abkommen schafft keine neue Rechtslage, sondern fasst nur die Rechtslage aufgrund des bestehenden Abkommens in der Fassung des Zusatzabkommens zusammen. Einzige materielle Rechtsänderung ist die Umstellung bei der Pensionsberechnung von der bisher vorgesehen gewesenen „Direktberechnung“ auf die Berechnung nach europäischem Recht (Verordnung (EG) Nr. 883/2004).

Diese Neuerung hat aber – aus theoretischer Sicht – überhaupt nur Auswirkungen auf jene Fälle, in denen eine Zusammenrechnung der Versicherungszeiten erforderlich ist, um einen österreichischen Pensionsanspruch zu eröffnen. Auch bei diesen Fällen betrifft die Umstellung nur eine ganz geringe Fallzahl. Für die Alterspensionen führt diese Berechnung nach dem europäischen Recht zu keinen anderen Ergebnissen als die Direktberechnung. Lediglich im Bereich der Invaliditätsleistungen könnte es aufgrund der unterschiedlichen Berechnung aus theoretischer Sicht zu minimalen Auswirkungen im Ergebnis kommen. Solche Unterschiede könnten sich daraus ergeben, dass bei Zurechnungszeiten (zB nach § 6 Abs. 2 Z 2 APG) und Lücken in der zwischenstaatlichen Versicherungskarriere die Invaliditätsleistung nach der „Direktberechnung“ etwas günstiger sein könnte als jene nach dem EU-Recht (siehe auch die Erläuterungen zu Art. 16), wobei aber eine Quantifizierung dieses Einsparungspotentials nicht möglich ist. Zunächst ist die geringe Anzahl der Fälle ausschlaggebend (zum Stand 2019 betrafen von 5.405 Fällen, in denen österreichische Pensionen nach Kanada gezahlt wurden, nur 6 Fälle Invaliditätsleistungen). Von diesen sind dann nur jene Fälle betroffen, in denen eine Zusammenrechnung der Versicherungszeiten für den Anspruch erforderlich ist und eklatante Lücken in der zwischenstaatlichen Versicherungskarriere auftreten. Zusätzlich ist noch zu beachten, dass sich die Anzahl der Fälle betreffend Invaliditätsleistungen generell in zwischenstaatlichen Fällen erheblich verringert, da nunmehr für jene Personen, für die vorübergehend eine Invalidität für mindestens 6 Monate festgestellt wurde, nach nationalem österreichischen Recht als Leistung aus der Krankenversicherung das Rehabilitationsgeld gewährt wird, welches vom sachlichen Geltungsbereich des Abkommens nicht umfasst ist (bereits zuerkannte befristete Invaliditätspensionen bleiben nur bis zum Ablauf der Befristung aufrecht). Diese Reduktion der zwischenstaatlichen Fälle würde sich ohnehin, also auch ohne Revision des Abkommens, ergeben. Zusammenfassend muss man daher zum Ergebnis kommen, dass keine finanziellen Auswirkungen mit der Revision verbunden sind.

 

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 19. Oktober 2021 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Andreas Lackner.

An der Debatte beteiligte sich das Mitglied des Bundesrates Dr. Andrea Eder-Gitschthaler.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmeneinhelligkeit beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Andreas Lackner gewählt.


Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2021 10 19

                               Andreas Lackner                                                           Korinna Schumann

                                   Berichterstatter                                                                         Vorsitzende