10820 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates
Bericht
des Gesundheitsausschusses
über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2021 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Epidemiegesetz 1950 und das COVID‑19-Maßnahmengesetz geändert werden
Die Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen haben den dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates zu Grunde liegenden Initiativantrag am 13. Oktober 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Es werden redaktionelle Anpassungen vorgenommen.“
Ein im Zuge der Debatte im Gesundheitsausschuss des Nationalrates eingebrachter und beschlossener Abänderungsantrag war wie folgt begründet:
„Die Wirksamkeit seuchenrechtlicher Maßnahmen zur Eindämmung pandemischer Geschehnisse hängt wesentlich von deren Einhaltung durch die Normunterworfenen ab. Vor diesem Hintergrund werden nun — neben den bisherigen Höchststrafen — auch Mindeststrafen festgelegt. Aus der Judikatur des VfGH kann abgeleitet werden, dass eine Mindeststrafe zulässig ist, sofern sie insbesondere zur Schuld des Täters in einem angemessenen Verhältnis steht und sachlich rechtfertigbar ist (siehe zum Ganzen VfS1g. 18.775; VfS1g. 16.407; VfGH 9.3.2011, G 53/10: Erfordernis der Ermöglichung einer sachgerechten Beurteilung der verbotenen Verhaltensweisen; dazu auch Muzak, migraLex 2011, 45, der hervorhebt, dass eine sachliche Differenzierung notwendig sei und die Mindeststrafe in einem angemessenen Verhältnis zu vergleichbaren Verboten stehen müsse; VfS1g. 20.378: selbst bei strengeren Strafen aus general- und spezialpräventiven Gründen müsse eine Strafe in einem angemessenen Verhältnis zum Grad des Verschuldens und zur Höhe des durch das Vergehen bewirkten Schadens stehen, wobei im Anlassfall keine Möglichkeit bestand, die spezifischen Unwertgehalte zu berücksichtigen).
Zu beachten ist auch, dass die Mindeststrafe im Verhältnis zum Strafrahmen stehen muss, um die verschiedenen Unwertgehalte im Einzelfall berücksichtigen zu können. Um dieses Verhältnis auch weiterhin zu wahren, wurde die jeweilige Mindeststrafe mit einem Betrag in Höhe von zehn Prozent der Höchststrafe bemessen.
145€ Mindeststrafe für
§8
(1) Wer
1.eine Betriebsstätte oder einen Arbeitsort betritt oder befährt oder ein Verkehrsmittel benutzt, deren/dessen Betreten, Befahren oder Benutzen gemäß § 3 untersagt ist, oder
2.einen Ort betritt oder befährt, dessen Betreten oder Befahren gemäß § 4 oder § 4a untersagt ist,
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von „145 EURO“ bis zu 1 450
Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu vier Wochen, zu bestrafen.
(5) Wer einer Verordnung gemäß § 6 zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von „145 EURO“ bis zu 1 450 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu vier Wochen, zu bestrafen.
(5a) Wer
1. eine Zusammenkunft organisiert und dabei eine Untersagung oder Bewilligungspflicht gemäß § 5 missachtet oder an einer untersagten oder nicht bewilligten Zusammenkunft teilnimmt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von „145 EURO“ bis zu 1 450 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu vier Wochen, zu bestrafen;
(6) Wer entgegen § 9 den Organen der Bezirksverwaltungsbehörde, den von ihnen herangezogenen Sachverständigen oder den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes das Betreten oder die Besichtigung, die Auskunftserteilung oder die Vorlage von Unterlagen, die mit der Einhaltung von Voraussetzungen und Auflagen nach diesem Bundesgesetz im Zusammenhang stehen, verwehrt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von „145 EURO“ bis zu 1 450 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu vier Wochen, zu bestrafen.
50€ Mindeststrafe für
(2) Wer
1.eine Betriebsstätte oder einen Arbeitsort entgegen den in einer Verordnung gemäß § 3 festgelegten Voraussetzungen oder an ihn gerichteten Auflagen betritt oder befährt oder ein Verkehrsmittel entgegen den in einer Verordnung gemäß § 3 festgelegten Voraussetzungen oder an ihn gerichteten Auflagen benutzt oder
2.die in einer Verordnung gemäß § 4 oder § 4a genannten Orte entgegen den dort festgelegten Zeiten, Voraussetzungen oder an ihn gerichteten Auflagen betritt oder befährt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von „50 EURO“ bis zu 500 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu einer Woche, zu bestrafen.
(5a) Wer
2. eine Zusammenkunft entgegen den sonstigen gemäß § 5 Abs. 4 festgelegten Beschränkungen organisiert oder daran teilnimmt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von „50 EURO“ bis zu 500 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu einer Woche, zu bestrafen;
3000€ Mindeststrafe für
(3) Wer als Inhaber einer Betriebsstätte oder eines Arbeitsortes, als Betreiber eines Verkehrsmittels, als Betreiber eines Alten- und Pflegeheimes oder einer stationären Wohneinrichtung der Behindertenhilfe oder als gemäß § 4 hinsichtlich bestimmter privater Orte, nicht von Abs. 1 erfasster Verpflichteter nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, der Arbeitsort, das Verkehrsmittel, das Alten- und Pflegeheim oder die stationäre Wohneinrichtung der Behindertenhilfe oder der bestimmte private Ort, deren/dessen Betreten oder Befahren gemäß §§ 3 bis 4a untersagt ist, nicht betreten oder befahren wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von „3000 EURO“ bis zu 30 000 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu sechs Wochen, zu bestrafen.
(5a) Wer
3. gewerbsmäßig Zusammenkünfte organisiert und dabei eine Untersagung oder eine Bewilligungspflicht gemäß § 5 missachtet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von „3000 EURO“ bis zu 30 000 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu sechs Wochen, zu bestrafen;
360€ Mindeststrafe für
(4) Wer als Inhaber einer Betriebsstätte oder eines Arbeitsortes, als Betreiber eines Verkehrsmittels, als Betreiber eines Alten- und Pflegeheimes oder einer stationären Wohneinrichtung der Behindertenhilfe oder als gemäß § 4 hinsichtlich bestimmter privater Orte, nicht von Abs. 2 erfasster Verpflichteter nicht dafür Sorge trägt, dass die Betriebsstätte, der Arbeitsort, das Verkehrsmittel, das Alten- und Pflegeheim oder die stationäre Wohneinrichtung der Behindertenhilfe oder der bestimmte private Ort nicht entgegen den in einer Verordnung gemäß §§ 3 bis 4a festgelegten Personenzahlen, Zeiten, Voraussetzungen oder Auflagen betreten oder befahren wird, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von „360 EURO“ bis zu 3 600 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu vier Wochen, zu bestrafen.
(5a) Wer
4. gewerbsmäßig Zusammenkünfte organisiert und dabei sonstige gemäß § 5 Abs. 4 festgelegte Beschränkungen missachtet oder nicht dafür Sorge trägt, dass gemäß § 5 Abs. 4 festgelegte Beschränkungen eingehalten werden, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von „360 EURO“ bis zu 3 600 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu vier Wochen, zu bestrafen.“
Ein im Zuge der Debatte im Nationalrat eingebrachter und beschlossener Abänderungsantrag war wie folgt begründet:
„Zu Artikel 1(Epidemiegesetz1950)
Zu Z 2 bis 6 (§§ 39, 40 sowie 50 Abs. 8 und 27):
Die Festlegung von Mindeststrafen im COVID-19-Maßnahmengesetz verfolgt den Zweck der Einhaltung der in einer Verordnung nach diesem Bundesgesetz festgelegten Ge- und Verbote, die dem rechtmäßigen Ziel des Schutzes der Gesundheitsinfrastruktur vor Überlastung dienen. Im Lichte einer gesamthaften und sachlichen Betrachtung sind zur Erreichung dieses Schutzzieles nicht nur die Strafbestimmungen des COVID-19-Maßnahmengesetzes, sondern auch solche des Epidemiegesetzes 1950 mit einer Mindeststrafe zu versehen. Der Anzeigepflicht nach dem Epidemiegesetz 1950 unterliegen nur Krankenheiten, die vor dem Hintergrund der Wahrung der öffentlichen Gesundheit, auf Grund der zugrundeliegenden Übertragbarkeit und Gefiihrlichkeit, die Setzung behördlicher Maßnahmen erfordern. Zur Wahrung der Funktionsfiihigkeit der Gesundheitsinfrastruktur ist es demnach auch erforderlich, die mit diesen Krankheiten uU verbundene Mehrbelastung gering zu halten. Darüber hinaus werden behördliche Maßnahmen nach dem Epidemiegesetz auch im Hinblick auf COVID-19 getroffen (z.B. Absonderungen nach§ 7). Ferner darf an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass nach§ 20 VStG die Mindeststrafe bis zur ·Hälfte unterschritten werden kann, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist. Ungeachtet der Formulierung handelt es sich hierbei nicht um eine „Ermessensbestimmung", sondern besteht ein Rechtsanspruch auf die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes (s Weilguni in Lewisch/Fister/ Weilguni, VStG2 § 20 Rz 3 [Stand 1.5.2017, rdb.at]). Da diese Maßnahme in unmittelbarem Zusammenhang mit der durch die gegenwärtige COVID-19-Pandemie bedingten Belastung des Gesundheitssystems steht, werden die mit diesem Bundesgesetz verankerten Mindeststrafen - im Einklang mit dem COVID-19-Maßnahmengesetz - mit 30. Juni 2022 wieder außer Kraft gesetzt.
Darüber hinaus wird die Regelung, wonach die Bezirksverwaltungsbehörde ermächtigt ist, dem Bürgermeister den Namen und die erforderlichen Kontaktdaten einer von einer Absonderungsmaßnahme nach dem Epidemiegesetz wegen COVID-19 betroffenen Person, die in seinem Gebiet wohnhaft ist, mitzuteilen, wenn und soweit es zur Versorgung dieser Person mit notwendigen Gesundheitsdienstleistungen oder mit Waren oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs unbedingt notwendig ist, bis zum 30. Juni 2022 verlängert.
Zu Artikel 2 (COVID-19-Maßnahmengesetz)
Zu Z 2 bis 5 (§ 8):
Die Wirksamkeit seuchenrechtlicher Maßnahmen zur Eindämmung pandemischer Geschehnisse hängt wesentlich von deren Einhaltung durch die Normunterworfenen ab. Im Besonderen wird damit der Schutz der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsinfrastruktur verfolgt. Vor diesem Hintergrund werden nun - neben den bisherigen Höchststrafen - auch Mindeststrafen festgelegt. Aus der Judikatur des VfGH kann abgeleitet werden, dass eine Mindeststrafe zulässig ist, sofern sie insbesondere zur Schuld des Täters in einem angemessenen Verhältnis steht und sachlich rechtfertigbar ist (siehe zum Ganzen VfSlg. 18.775; VfSlg. 16.407; VfGH 9.3.2011, G 53/10: Erfordernis der Ermöglichung einer sachgerechten Beurteilung der verbotenen Verhaltensweisen; dazu auch Muzak, migraLex 2011 , 45, der hervorhebt, dass eine sachliche Differenzierung notwendig sei und die Mindeststrafe in einem angemessenen Verhältnis zu vergleichbaren Verboten stehen müsse; VfSlg. 20.378: selbst bei strengeren Strafen aus general- und spezialpräventiven Gründen müsse ·eine Strafe in einem angemessenen Verhältnis zum Grad des Verschuldens und zur Höhe des durch das Vergehen bewirkten Schadens stehen, wobei im Anlass fall keine Möglichkeit bestand, die spezifischen Unwertgehalte zu berücksichtigen). Ferner darf an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass nach § 20 VStG die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden kann, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist. Ungeachtet der Formulierung handelt es sich hierbei nicht um eine „Ermessensbestimmung", sondern besteht ein Rechtsanspruch auf die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes (s Weilguni in Lewisch/Fister/ Weilguni, VStG2 § 20 Rz 3 [Stand 1.5.2017, rdb.at]).
Zu beachten ist auch, dass die Mindeststrafe im Verhältnis zum Strafrahmen stehen muss, um die verschiedenen Unwertgehalte im Einzelfall berücksichtigen zu können. Um dieses Verhältnis auch weiterhin zu wahren, wurde die jeweilige Mindeststrafe mit einem Betrag in Höhe von zehn Prozent der Höchststrafe bemessen.“
Der Gesundheitsausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 20. Dezember 2021 in Verhandlung genommen.
Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger.
An der Debatte beteiligte sich Bundesrätin Korinna Schumann.
Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (dafür: V, G, dagegen: S, F).
Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger gewählt.
Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Wien, 2021 12 20
Claudia Hauschildt-Buschberger Christoph Steiner
Berichterstatterin Vorsitzender