10873 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates
Bericht
des Gesundheitsausschusses
über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Januar 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das COVID-19-Maßnahmengesetz und das Epidemiegesetz 1950 geändert werden
Im Zuge seiner Beratungen über den Antrag 2173/A der Abgeordneten Gabriela Schwarz, Ralph Schallmeiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz über die Impfpflicht gegen COVID-19 (COVID-19-Impfpflichtgesetz – COVID-19-IG), hat der Gesundheitsausschuss am 17. Jänner 2022 beschlossen, dem Nationalrat gemäß § 27 Abs. 1 Geschäftsordnungsgesetz einen Selbständigen Antrag vorzulegen, der eine Novelle zum COVID-19-Maßnahmengesetz und zum Epidemiegesetz 1950 zum Gegenstand hat.
Dieser Antrag war wie folgt begründet:
„Inhaltlicher Zusammenhang mit dem Impfpflichtgesetz
Das Bundesgesetz über die Impfpflicht gegen COVID-19 stellt eine zentrale Maßnahme zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie dar. Der Impfschutz führt zu einer Verringerung der Transmissionswahrscheinlichkeit von SARS-CoV-2 und zu einer Verringerung schwerer Verläufe von COVID-19 und trägt somit zum Schutz der Gesundheitsinfrastruktur bei. Diesem Ziel dienen auch die im COVID-19-MG und EpiG vorgesehenen Änderungen. Die Einführung eigener Tatbestände für Verstöße gegen das Betreten und Befahren von Betriebsstätten, Arbeitsorten, bestimmten Orten, öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit, Alten- und Pflegeheimen sowie stationären Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe, das Benutzen von Verkehrsmitteln oder die Teilnahme an einer Zusammenkünften entgegen dem vorgesehenen Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefahr, die Anhebung der Höchststrafen im COVID-19-MG und im EpiG sowie die Erweiterung der Kontrollorgane stehen damit im inhaltlichen Zusammenhang, da diese Maßnahmen ebenso dem Schutz der Gesundheitsinfrastruktur dienen. Ferner stellen Auflagen, Bedingungen und Voraussetzungen gelindere Mittel im Verhältnis zu Betretungsverboten oder Ausgangsregelungen nach dem COVID-19-MG dar. Die Forcierung von Schutzimpfungen gegen COVID-19 im Wege des COVID-19-Impfpflichtgesetzes ist vor dem Hintergrund der Wahrung des wirtschaftlichen Wohles der Gesamtwirtschaft und im Verhältnis zu den mit den zuvor erwähnten Betretungsverboten und Ausgangsregelungen verbundenen Eingriffen in verfassungsrechtlich geschützte Rechte ebenso als gelinderes Mittel zur Verhinderung einer Überlastung der Gesundheitsinfrastruktur (im Zusammenhang mit COVID-19) anzusehen Der inhaltliche Zusammenhang zwischen dem COVID-19-Impfpflichtgesetz und den Änderungen im COVID-19-MG und im EpiG besteht daher einerseits darin, dass diese Maßnahmen dem Schutz der Gesundheitsinfrastruktur vor Überlastung dienen und andererseits darin, dass es sich um gelindere Maßnahmen im Vergleich zu Betretungsverboten und Ausgangsregelungen handelt. Ferner findet sich in der Novelle zum EpiG eine Regelung, die ausdrücklich auf das COVID-19-Impflichtgesetz Bezug nimmt und damit den bestehenden inhaltlichen Zusammenhang noch weiter verdeutlicht.
Zu Artikel 1 (COVID-19-Maßnahmengesetz):
Zu Z 1 (§ 8):
Die Wirksamkeit seuchenrechtlicher Maßnahmen zur Eindämmung pandemischer Geschehnisse hängt wesentlich von deren Einhaltung durch die Normunterworfenen ab. Der VfGH leitet aus dem Gleichheitsgrundsatz ab, dass das Strafausmaß zur Straftat nicht unverhältnismäßig sein darf (s VfSlg 12.151). Vor diesem Hintergrund werden die derzeit in § 8 des COVID-19-Maßnahmengesetzes verankerten Strafrahmen aus Gründen der Spezial- und Generalprävention gleichmäßig erhöht. Ferner dient dies – gleichartige Maßnahmen werden im EpiG vorgesehen – dem Schutz der Gesundheitsinfrastruktur zur Vermeidung von Überlastung auch im Bereich der Versorgung von Patient:innen, die keiner Intensivbetreuung bedürfen.
Der Kontrolle von Nachweisen einer geringen epidemiologischen im Rahmen kommt im Rahmen der Eindämmung des pandemischen Geschehens große Bedeutung zu, weshalb für diese Auflage oder Voraussetzung für das Betreten oder Befahren nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz eigene Tatbestände eingeführt werden. Wer entgegen dem in einer Verordnung gemäß §§ 3 bis 4a festgelegten Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefahr eine Betriebsstätte oder einen Arbeitsort betritt oder befährt, ein Verkehrsmittel benutzt oder die in einer Verordnung gemäß § 4 oder § 4a genannten Orte betritt oder befährt, begeht nach § 8 Abs. 3 eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 50 Euro bis zu 1000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 2 000 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu einer Woche, zu bestrafen.
Im Zusammenhang mit der Sorgetragungspflicht von Inhabern von Betriebsstätten oder Arbeitsorten, von Betreibern von Verkehrsmitteln, von Alten- und Pflegeheimen oder stationären Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe oder von gemäß § 4 hinsichtlich bestimmter privater Orte nicht von § 8 Abs. 3 erfasster Verpflichteter wird in § 8 Abs. 5 festgelegt, dass wenn die Betriebsstätte, der Arbeitsort, das Verkehrsmittel, das Alten- und Pflegeheim oder die stationäre Wohneinrichtung der Behindertenhilfe oder der bestimmte private Ort entgegen dem in einer Verordnung gemäß §§ 3 bis 4a festgelegten Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefahr betreten oder befahren wird, eine Verwaltungsübertretung begangen wird und eine Geldstrafe von 360 Euro bis zu 7 200 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 14 400 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu vier Wochen, zu verhängen ist.
Zu Z 2 (§ 9 Abs. 1):
Die Befugnisse der zur Vollziehung der für die gewerberechtlichen Vorschriften zuständigen Organe der Bezirksverwaltungsbehörde, der Aufsichtsorgane gemäß §§ 24ff des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes – LMSVG, BGBl. I Nr. 151/2005, und der Organe der Arbeitsinspektion werden jenen der zur Vollziehung der für die gesundheitsrechtlichen Vorschriften zuständigen Organe der Bezirksverwaltungsbehörde gleichgestellt. Diese Maßnahme dient der Verstärkung der Überprüfung der Einhaltung der Maßnahmen nach dem COVID-19-MG.
Zu Artikel 2 (Epidemiegesetz 1950):
Zu Z 1 (§ 4 Abs. 6):
Zwar besagt der rechtswissenschaftliche Grundsatz „lex posterior derogat legi priori“, dass ein späteres Gesetz einem früheren Gesetz derselben Rangordnung vorgeht, jedoch soll aufgrund der gebotenen Vorhersehbarkeit von Eingriffen in Grundrechte (hier: Das Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 DSG) der Widerspruch zwischen dem strengen Weiterverarbeitungsverbot in dieser Bestimmung mit § 5 Abs. 2 Z 2 des COVID-19-Impfpflichtgesetzes behoben werden.
Zu Z 2 bis 4 (§§ 39 und 40):
Die Anhebung der Höchststrafen im EpiG – im COVID-19-MG werden gleichartige Maßnahmen vorgesehen – dient dem Schutz der Gesundheitsinfrastruktur zur Vermeidung von Überlastung auch im Bereich der Versorgung von Patient:innen, die keiner Intensivbetreuung bedürfen. Hierbei handelt es sich um ein legitimes Schutzziel, das auch der Verfassungsgerichtshof iSd Schutzes der öffentlichen Gesundheit anerkannt hat (s V 411/2020).
Zu Z 5 (§ 50 Abs. 28):
Die Bestimmungen der §§ 39 und 40 treten – ebenso wie das COVID-19-MG – mit 30. Juni 2022 außer Kraft und am 1. Juli 2022 in der Fassung BGBl. I Nr. 183/2021 wieder in Kraft.
Diese Bestimmung regelt das In- und Außerkraftreten. Da das COVID-19-Impfpflichtgesetz mit Ablauf des 31. Jänner 2024 außer Kraft treten soll, soll auch § 4 Abs. 6 in der Fassung dieses Bundesgesetzes wieder außer Kraft treten.“
Ein im Zuge der Debatte im Nationalrat eingebrachter und beschlossener Abänderungsantrag war wie folgt begründet:
Zu a) (Artikel 1 Z 1 [§ 8 Abs. 8]):
Bereinigung eines Redaktionsversehens.
Zu b) (Artikel lZ 1 [§ 8 Abs. 9 und10]):
Mit dem nunmehr eingefügten Abs. 9 soll der Bezirksverwaltungsbehörde - nach dem Vorbild des § 360 Abs. 3 GewO - die Möglichkeit eingeräumt werden, zusätzlich zu den in den § 8 Abs. 4 bis 6 und 8 vorgesehenen Geldstrafen bei besonders schwerwiegenden Verstößen gegen die Sorgetragungspflichten durch Bescheid eine Betriebsschließung für die Dauer von bis zu einer Woche zu verhängen. In den ·gesetzlichen Voraussetzungen, dass der Inhaber der Betriebsstätte oder Organsiator einer Zusammenkunft bereits mehrmals wegen identer Verwaltungsübertretungen bestraft wurde oder aber seine Pflichten mit Absicht außer Acht gelassen hat bzw. Kunden zur Missachtung ihrer Pflichten angestiftet hat, kommt zum Ausdruck, dass das Gefährdungelement, dem mit Hilfe dieser Sicherungsmaßnahme begnet werden soll, im erwarteten wiederholten Rechtsbruch liegt. Demgemäß umschreiben die Z 1 bis 3 jene Fälle, in denen von einer Tatwiederholung ausgegangen werden kann.
Dies soll zunächst dann zulässig sein, wenn der Betreiber oder Organsiator bereits zumindest drei Mal wegen Übertretungen gemäß Abs. 5 und 6 oder Abs. 8 Z 2, 3, 5 und 6 bestraft wurde (zB Überschreiten einer etwaigen Personenbeschränkung, fehlende Kontrollen von Nachweisen einer geringen epidemiologischen Gefahr). Mit dem Abstellen auf eine bereits erfolgte Bestrafung wird klargestellt, dass es sich um getrennt voneinander abgeschlossene Strafverfahren handeln muss. Verstöße gegen Betretungsverbote bzw. Untersagungen nach Abs. 4 und Abs. 8 Z 1 und 4 sind vom zugrundeliegenden Unwertgehalt höher einzuordnen, so dass hier die Schließung schon ab einer zumindest zweimailigen Bestrafung verhängt werden kann. Ein im Unrechtsgehalt gleichwertiges Beharren in der Rechtswidrigkeit kann aber im Einzelfall auch bei einem einmaligen, besonders schwerwiegenden Verstoß vorliegen. Ein solcher Verstoß ist anzunehmen, wenn die Sorgetragungspflicht in der Absicht, seine Sorgetragungspflicht zu missachten oder unter Aufforderung zum Rechtsbruch missachtet wurde. Bei der Absichtlichkeit kommt es dem Täter gerade auf die Verwirklichung des entsprechenden Merkmals an '(Lewisch in Lewisch!Fister/Weilguni, VStG2 § 5 Rz 14). Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Betreiber oder Organisator entgegen eines Betreungsverbots oder der Auflage eines Nachweises einer geringen epidemiologischen Gefahr zum Besuch der Betriebsstätte oder zum Ort der Zusammenkunft ohne Einhaltung von Maßnahmen aufruft. Festgehalten werden darf, dass vor Inkrafttreten dieser Bestimmung gelegene Übertretungen nicht in die Mindestanzahlen nach Abs. 9 Z 2 und 3 miteinzuberechnen sind.
Hiebei handelt es sich um zukunftgerichtete Sicherungsmaßnahmen, die dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienen, zumal davon auszugehen ist, dass an solchen Orten mangels Einhaltung der vorgeschriebenen Maßnahmen besonders ungünstige epidemiologische Verhältnisse herrschen. Demgemäß ist auch Voraussetzung für die Betriebsschließung, dass eine solche zilr Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich sein muss. Damit geht zum einen das Erfordernis einer Prognosbeurteilung einher: Die Betriebsschließung muss demnach erforderlich sein, um eine sonst durch Deliktwiederholung drohende Gesundheitsgefahr zu vermeiden. Zum anderen erfordert dies auch eine strenge Verhältnismäßigkeitprüfung im Einzelfall. Das Ermessen der Bezirksverwaltungsbehörde ist demgemäß nach Maßgabe der Art, Schwere und Gefährlichkeit der begangenen Übertretung auszuüben, so dass eine - vorübergehende - Betriebsschließung durch Bescheid zu erfolgen hat, wenn dies zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erforderlich ist.
Zu c) (Artikel 1 1 [§ 9 Abs. 1)):
Mit der Ergänzung in § 9 Abs. 1 soll klargestellt werden, dass die Organe der Arbeitsinspektion nur dort kontrollieren dürfen, wo sie auch zur Überwachung der Einhaltung der dem Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dienenden Bestimmungen berufen sind. Werden dem Organ der Arbeitsinspektion bei seiner Tätigkeit vermutliche Übertretungen von COVID-19-Vorschriften bekannt, so ist es zu entsprechenden Kontrollen berechtigt.“
Der Gesundheitsausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 1. Februar 2022 in Verhandlung genommen.
Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger.
Gemäß § 30 Abs. 2 GO-BR wurde beschlossen, Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky mit beratender Stimme an den Verhandlungen teilnehmen zu lassen.
Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (dafür: V, G, dagegen: S, F).
Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin Claudia Hauschildt-Buschberger gewählt.
Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Wien, 2022 02 01
Claudia Hauschildt-Buschberger Christoph Steiner
Berichterstatterin Vorsitzender