10933 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten

über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird

Die Abgeordneten Dr. Christian Stocker, Mag. Georg Bürstmayr, Kolleginnen und Kollegen haben den dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates zu Grunde liegenden Initiativantrag am 20. Jänner 2022 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„In § 94a erfolgt eine sprachliche Anpassung nach dem Vorbild anderer Materiengesetze.“

 

Im Ausschuss für innere Angelegenheiten des Nationalrates wurde ein Abänderungsantrag eingebracht und beschlossen, der wie folgt begründet wurde:

Zu § 36a Abs. 1a:

Die letzten Monate der COVID-19-Pandemie haben eine Tendenz zur Radikalisierung öffentlicher Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen erkennen lassen. Corona-Maßnahmengegner rufen – insbesondere in sozialen Netzwerken – zu Aktionen vor Krankenanstalten auf, um gegen die Regierung und ihre Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung zu protestieren. Im Zuge dieser Protestaktionen kam es bereits zu mehreren Vorfällen, bei denen Corona-Maßnahmengegner den Zugang bzw. die Zufahrt zu Gesundheitseinrichtungen behindert bzw. blockiert haben. Solche Verhaltensweisen können zu einer Störung der Funktionsfähigkeit einer Gesundheitseinrichtung führen und stellen dadurch auch eine massive Gefahr für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten dar. Damit im Anlassfall ein geeignetes sicherheitspolizeiliches Instrument zur Verfügung steht, wird durch die gegenständliche Änderung eine Erweiterung der Regelung der Schutzzone für jene Gesundheitseinrichtungen vorgenommen, die zur kritischen Infrastruktur zählen (§ 22 Abs. 1 Z 6 SPG).

Die Aufgabe der Sicherheitsexekutive zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit umfasst neben der Gefahrenabwehr insbesondere auch den vorbeugenden Schutz der kritischen Infrastruktur. Als kritische Infrastruktur unterliegen bspw. wesentliche Gesundheitseinrichtungen (z.B. Krankenhäuser, Pharmahersteller und -großhändler) dieser vorbeugenden, sicherheitspolizeilichen Aufgabe.

§ 36a SPG ermächtigt die Sicherheitsbehörden bereits jetzt, zum Schutz Minderjähriger (§ 21 Abs. 2 ABGB) durch Verordnung Schutzzonen bei Schulen, Kindergärten oder vergleichbaren Schutzobjekten festzulegen. Durch die gegenständliche Änderung soll nunmehr die Möglichkeit geschaffen werden, auch zum vorbeugenden Schutz jener kritischen Infrastrukturen, die dem öffentlichen Gesundheitsdienst dienen, Schutzzonen einzurichten.

Künftig soll es den Sicherheitsbehörden möglich sein, einen bestimmten Ort, an dem auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, dass es an diesem Ort zu einer Störung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitsdienstes (Abs. 1a) kommen wird, mit Verordnung zur Schutzzone zu erklären (Abs. 1a). Eine solche Störung liegt jedenfalls dann vor, wenn die Funktionsfähigkeit dieser Einrichtung (Abs. 1a) oder die Verrichtung einzelner mit dieser im Zusammenhang stehender Aufgaben verhindert oder in einem nicht unerheblichen Ausmaß verlangsamt oder behindert werden, etwa wenn der ordnungsgemäße Ablauf des Betriebs in einer Gesundheitseinrichtung nicht unerheblich beeinträchtigt wird. Die Schutzzone umfasst den öffentlichen Gesundheitsdienst (Abs. 1a) als Schutzobjekt sowie einen Bereich im Umkreis von bis zu 150 Metern um diesen herum. Die Entfernungsangabe von 150 Metern ist von den äußeren Grenzen des Schutzobjektes zu berechnen. Ob eine um die Gesundheitseinrichtung (Abs. 1a) liegende Freifläche zum Schutzobjekt zu zählen ist, hängt von den Umständen ab, etwa davon, ob die Freifläche noch spezifisch der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitsdienstes (Abs 1a) dient. Insbesondere Zufahrten und Zugänge zu diesem sind daher Teil des Schutzobjekts.

Die Gefährdungsprognose nach Abs. 1a muss sich dabei auf bestimmte Tatsachen, beispielsweise auf Vorfälle in der Vergangenheit oder Aufrufe zur konkreten Störung des öffentlichen Gesundheitsdienstes (Abs. 1a) etwa in sozialen Netzwerken stützen. Die bloße Möglichkeit, dass es an einem solchen Ort zu einer Störung der Funktionsfähigkeit kommen kann, reicht für die Einrichtung einer Schutzzone nicht aus.

Zu § 36a Abs. 2:

Die Regelungen des Abs. 2 zu Umfang, Inkrafttreten, Kundmachen und Dauer der Verordnung gelten auch für die Schutzzonen gemäß Abs. 1a.

Zu § 36a Abs. 3a:

Mit der Einrichtung von Schutzzonen ist die Befugnis der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes verbunden, gegen bestimmte Personen ein Betretungsverbot auszusprechen und diese – falls das Betretungsverbot innerhalb der Schutzzone ausgesprochen wird oder trotz Betretungsverbot betreten wird – aus der Schutzzone wegzuweisen (Abs. 3a). Das Betretungsverbot kann demnach innerhalb oder außerhalb einer Schutzzone ausgesprochen werden. Diese Befugnis bezieht sich auf Menschen, von denen auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie durch ihr Verhalten, wenn auch nur im Zusammenhalt mit einer oder mehreren Personen, innerhalb der Schutzzone die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Gesundheitsdienstes (Abs. 1a) stören werden. Die bloße Möglichkeit, ein bestimmter Mensch könnte die Funktionsfähigkeit stören, reicht für die Erlassung eines Betretungsverbotes nicht aus.

Die Regelungen des Abs. 4 zur Mitteilung an die Sicherheitsbehörde, deren Prüfpflicht und die Dauer des Betretungsverbotes gelten auch für Betretungsverbote gemäß Abs. 3a.

Im Übrigen kommen die bestehenden Bestimmungen im Zusammenhang mit Schutzzonen gemäß § 36a SPG zur Anwendung: Zum Zweck der Verhängung und Durchsetzung von Betretungsverboten nach Abs. 3a ist gemäß § 35 Abs. 1 Z 8 SPG die Feststellung der Identität zulässig. Übertretungen von Betretungsverboten sind gemäß § 84 Abs. 1 Z 4 SPG verwaltungsbehördlich strafbar. Die Evidenthaltung von Wegweisungen und Betretungsverboten nach § 36a SPG erfolgt auf Grundlage von § 53a Abs. 4 SPG.

Zu § 94 Abs. 55:

In Anbetracht dessen, dass nicht absehbar ist, wie sich die pandemische Lage sowie die damit einhergehenden Tendenzen zur Radikalisierung öffentlicher Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen entwickeln werden und ob somit der Bedarf der Erweiterung der Schutzzonenregelung nach § 36a über den 31. Dezember 2022 hinaus gegeben ist, werden die Änderungen des § 36a SPG vorerst befristet eingeführt.

Zu § 94a:

In § 94a erfolgt eine sprachliche Anpassung.“

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 5. April 2022 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Dr. Peter Raggl.

Gemäß § 30 Abs. 2 GO-BR wurde beschlossen, Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky mit beratender Stimme an den Verhandlungen teilnehmen zu lassen.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (dafür: V, G, dagegen: S, F).

 

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Dr. Peter Raggl gewählt.


Der Ausschuss für innere Angelegenheiten stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2022 04 05

                                 Dr. Peter Raggl                                                           Mag. Harald Himmer

                                   Berichterstatter                                                                        Vorsitzender