10939 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Innovation, Technologie und Zukunft

über den Beschluss des Nationalrates vom 23. März 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein GeoSphere Austria Gesetz erlassen und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Forschungsfinanzierungsgesetz, das Forschungsorganisationsgesetz sowie das Mineralrohstoffgesetz geändert werden (GeoSphere Austria-Errichtungsgesetz)

Klimawandel, Rohstoffverknappung, Naturgefahrenprävention und Katastrophenmanagement, Fragen der nachhaltigen Energieversorgung, der Energiespeicherung und des Grundwasserschutzes gehören zu den zentralen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Die Vulnerabilität der Gesellschaft erhöht sich laufend auf Grund globaler politischer und wirtschaftlicher Vernetzungen und Abhängigkeiten, des weltweiten Wachstums sensibler Infrastrukturen, des in seinen Auswirkungen noch bei weitem nicht abschätzbaren technologischen Wandels etc. (World Economic Forum, The Global Risks Report 2020, https://www.weforum.org/reports/the-global-risks-report-2020 [07.03.2021]). Durch die fortschreitende Digitalisierung unserer Welt, durch empfindliche Kommunikations- und Mobilitätsinfrastrukturen, durch den weiterhin ansteigenden Flächenbedarf in geotechnischen Risikoräumen und durch weitere Faktoren werden Schlüsselsektoren der Wirtschaft und die Gesellschaft im Allgemeinen anfälliger gegenüber Auswirkungen des Klimawandels. Zusätzlich bewirken Maßnahmen zur Reduktion des Klimawandels und zur Anpassung an dessen Auswirkungen (zB die Etablierung alternativer Energieformen) eine Nutzungsintensivierung der kritischen Zone, jenes schmalen Bandes im Übergangsbereich von geologischem Untergrund und Atmosphäre, in dem wir leben. Damit einhergehend werden vielfältige Nutzungskonflikte induziert.

Aktuell dringliche Herausforderungen sind:

–      nachhaltige Raumordnungs- und Raumnutzungskonzepte unter besonderer Berücksichtigung des Untergrunds (zB 4D-Raumplanung),

–      der Schutz von Siedlungs- und Wirtschaftsraum sowie Infrastruktur vor Naturgefahren,

–      die nachhaltige und umweltverträgliche Rohstoffgewinnung,

–      die nachhaltige Sicherung der Grundwasserreserven in qualitativer und quantitativer Hinsicht,

–      die Nutzung alternativer Energieformen (wie etwa Geothermie, Solar- oder Windenergie) sowie

–      die nachhaltige Energiespeicherung (wie etwa die Abdeckung von Belastungsspitzen mit Pumpspeicherwerken, die Gewinnung von Rohstoffen für Batterien oder auch die Nutzung des Untergrunds als Energiespeicher).

Die wirtschaftliche Stabilität und nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft hängt von unserem Umgang mit diesen Herausforderungen ab. Die Brisanz dieser Herausforderungen ist auch an internationalen Entwicklungen zu sehen, wie etwa der UN-Resolution A/RES/69/283 vom 3. Juni 2015, mit der das so genannte Sendai Framework for Disaster Risk Reduction 2015-2030 (https://www.un.org/en/development/desa/population/migration/generalassembly/docs/globalcompact/A_RES_69_283.pdf [07.02.2021]) angenommen wurde.

Die Entwicklung entsprechender Konzepte und Technologien zur Bewältigung dieser Herausforderungen braucht sowohl Spitzenforschung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene, als auch die Bereitschaft von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die gewonnenen Erkenntnisse rasch in der Praxis umzusetzen. Dies birgt auch große Chancen für den Wirtschaftsstandort Österreich durch technologische, wirtschaftliche und soziokulturelle Innovationen.

Noch immer unterschätzt wird die dramatisch ansteigende Abhängigkeit moderner Volkswirtschaften von einer stabilen und nachhaltigen Energieversorgung. Die dafür verantwortlichen Technologien und Infrastrukturen (zB IT-Infrastrukturen, Stromversorgungsinfrastrukturen) ermöglichen uns einerseits, dem Klimawandel mit technologischen Innovationen und Infrastrukturkonzepten entgegenzutreten; andererseits machen sie uns für bislang zu wenig beachtete Naturphänomene wie Sonnenstürme („Space Weather“) deutlich anfälliger.

Aber auch bislang als „sicher“ erachtete Ressourcen in Österreich – Stichwort: Grundwasservorkommen – können in komplexer Weise auf den Klimawandel reagieren, sowohl hinsichtlich Verfügbarkeit als auch hinsichtlich Wasserqualität. Wenn nachhaltige Grundwasserversorgung der Bevölkerung unter dem Einfluss des Klimawandels planbar gemacht werden soll, braucht Hydrogeologie einen stärkeren klimatologischen Bezug. Grund dafür ist die enge Koppelung der dynamischen Prozesse von Atmosphäre und Geosphäre in der kritischen Zone der menschlichen bzw. zivilisatorischen Einwirkungen. Die Bündelung von meteorologisch-klimatologischer mit geologisch-geophysikalischer Kompetenz ist daher ein Gebot der Stunde und bietet die große Chance, zur Stärkung der gesellschaftlichen Resilienz in Österreich beizutragen.

Angesichts solcher Szenarien kommen der staatlichen Vorsorge und der Unterstützung von Wirtschaft und Gesellschaft bezüglich wirksamer sowie leistbarer Vermeidungs- und Anpassungsmaßnahmen im Kontext des Klimawandels und weiterer kritischer Veränderungsprozesse (zB Biodiversitätsverlust) höchste Priorität zu. Diese Anpassungsmaßnahmen müssen dabei inter- und transdisziplinär gedacht und umgesetzt werden sowie gleichermaßen auf wissenschaftlichem und zivilgesellschaftlichem Wissen einerseits und wirksamen partizipativen Konzepten andererseits aufbauen. So gibt es bereits zahlreiche sehr erfolgversprechende Fallbeispiele für die erkenntnis-, lösungs- und innovationsorientierte Einbindung der Bevölkerung in die Entwicklung wünschenswerter gesellschaftlicher Zukunftsentwürfe, zB

–      in der nachhaltigen Raumordnung inkl. Untergrund,

–      in der endogenen Regionalentwicklung oder auch

–      im Urban Design.

Die konsequente Weiterentwicklung dieser Konzepte auf Theorie- und Methodenebene ist dringend erforderlich.

Mit globalen Wandelprozessen (zB digitaler Wandel) sind allerdings nicht nur Risiken verbunden, sie eröffnen doch auch Chancen, die es vermehrt zu nutzen gilt: Die Miniaturisierung in der Sensorik (Mikrosatelliten, drohnenbasierte Sensorsysteme, in-situ-Sensornetzwerke), die Möglichkeiten moderner Satellitendaten und des Internet of Things (zB von in Autos verbauten Regensensoren als Monitoringsystem für Niederschläge), die durch moderne Web-Technologie erst ermöglichte zentralisierte Sammlung und Verfügbarmachung von in unterschiedlichen Bereichen generierten Daten sowie die stärkere Einbindung der Gesellschaft in Datengenerierung und -analyse sowie darauf aufbauende Forschung (Citizen Science, Open Labs, Maker Spaces) führen zu einem enormen Datenschatz, der verarbeitet werden muss. Damit daraus auch qualitätsgesicherte Schlüsse gezogen, also aus den Daten relevante und belastbare „Informationen“ generiert werden können, sind unabhängige Expertise und oft enorme Rechenleistung sowie Wissen über Möglichkeiten moderner Big-Data-Technologien nötig. Die so generierte Information muss schnell verfügbar, verlässlich und nutzungsgerecht aufbereitet sein. Die dafür notwendigen Systeme haben ausfallsicher zu sein, damit sie sowohl kurzfristig im Katastrophenfall als auch mittel- und langfristig, etwa zur Erfüllung nationaler Verpflichtungen, bereitstehen.

Die dauerhafte Verfügbarkeit belastbarer geologischer und meteorologischer Daten ist von zentraler Bedeutung für zahlreiche Aufgaben des Bundes und der Länder sowie für privatwirtschaftliche Interessen am geologischen Untergrund, der Erdoberfläche sowie der Atmosphäre, die wie nachhaltige Rohstoffgewinnung, Naturgefahrenvorsorge, Klimawandelanpassung oder Energiegewinnung im öffentlichen Interesse liegen. So ist zum Beispiel der Zugang zu geologischen Daten, dh. von geologischen Fach-, Nachweis- und Bewertungsdaten, eine wichtige Voraussetzung für die nachhaltige Rohstoffversorgung sowie für vielfältige weitere Möglichkeiten zur Nutzung des Untergrundes.

Auf der Grundlage bereits vorhandener Daten können innovative Lösungen und technisches Know-how für die Nutzung und den Umgang mit der begrenzten Ressource Untergrund entwickelt werden. Ebenso stellen belastbare Daten eine Grundlage für die Lösung von aus unterschiedlichen Nutzungen des Untergrundes entstehenden Interessenskonflikten dar. Somit dient die öffentliche Bereitstellung geologischer und meteorologischer Daten der Schaffung neuer Wirtschaftsbereiche, der Ermöglichung der Partizipation der Öffentlichkeit an Entscheidungsprozessen, der Erhöhung von Transparenz von Entscheidungsverfahren, und der Schaffung gleicher wettbewerblicher Voraussetzungen. Sie verfolgt somit ein starkes öffentliches Interesse.

Der Informationsbedarf von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren ist in einem Katastrophenfall kurzfristig enorm hoch, doch die Verfügbarkeit notwendiger Information hinkt oft hinterher. Jedes Mehr an kurzfristig verfügbaren Informationen bedeutet ein Weniger an menschlichem Leid und wirtschaftlichem Schaden. Auch in diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die Bündelung von unterschiedlicher Expertise aus Geologie, Geophysik, Meteorologie, Klimatologie und Fernerkundung die Effizienz und Effektivität vor- und nachsorgenden staatlichen Handels deutlich verbessern kann.

Vorsorgerelevantes Know-how, praxisnahe Beratungsleistungen und effiziente sowie effektive Unterstützung von Einsatzstäben im Katastrophenfall können nur durch eine unabhängige und in ihrem Bestand langfristig gesicherte Expertinnen- und Experteneinrichtung geleistet werden, die mit den relevanten Stakeholdern von Politik, Wirtschaft, Medien und Gesellschaft eng zusammenarbeitet. Der volkswirtschaftliche Nutzen solcher staatlichen Dienstleister auf dem Gebiet von auswirkungsorientierten multi hazard-Warnungen wird laut internationalen Studien auf bis zu 1:70 geschätzt.

Durch die vorgeschlagene Reform sollen:

1)     dem Klimawandel und den geoökologischen Herausforderungen wirksam begegnet werden;

2)     die Verfügbarkeit von belastbaren Daten und Informationen durch ein optimiertes Daten-, Service- und Wissensmanagement gewährleistet werden;

3)     die institutionellen und rechtlichen Voraussetzungen für zukunftsfähige staatliche Dienste geschaffen werden;

4)     fächerübergreifende Synergien geschaffen, Kooperationen gefördert und das Dienstleistungsspektrum innovativer gestaltet werden.

Das derzeitige rechtlich-institutionelle Profil der beiden nachgeordneten Dienststellen in diesem Bereich, dh. der Geologischen Bundesanstalt (GBA) und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) ist gut geeignet, langfristige Erhebungs- und Archivierungsaufgaben wahrzunehmen und dauerhaft einschlägige Fachexpertise bereitzuhalten. Es erweist sich jedoch als Hemmschuh, wenn es darum geht, effizient und flexibel auf unterschiedlichste Nutzungsinteressen zu reagieren und Problemlösungen sowie innovative Dienstleistungen in interdisziplinaren, interinstitutionellen und internationalen Kooperationen zu entwickeln. Die für die GBA und ZAMG vorgesehene Teilrechtsfähigkeit (§§ 18 ff des Forschungsorganisationsgesetzes [FOG], BGBl. Nr. 341/1981) kann dieses Defizit nur teilweise kompensieren.

Der vorliegende Beschluss des Nationalrates sieht daher insbesondere Folgendes vor:

–      eine vollrechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts mit dem Namen „GSA“ (Art. 1 § 1 Abs. 1 des vorgeschlagenen Bundesgesetzes);

–      verstärkte Flexibilität der Finanzierung und des Personalwesens der GSA (Art. 1 §§ 6 ff des vorgeschlagenen Bundesgesetzes), damit die „[w]esentliche Zielsetzung einer Ausgliederung [, das] ist in diesen Fällen mehr Flexibilität in der Organisation, bei der Finanzierung und im Personalwesen zu erreichen, um vorgegebene Sachziele (Leistungsziele) besser umsetzen zu können“ (Prammer, Öffentliche Ausgliederungen: Bilanzkosmetik oder nachhaltige Verbesserung? – Fallstudie für Österreich, Geldpolitik & Wirtschaft Q1/09, 125 [127]);

–      die Einrichtung einer flexibleren und gleichzeitig verantwortungsvollen Organisation mit Aufsichtsrat und wissenschaftlichem Beirat (Art. 1 §§ 13 ff des vorgeschlagenen Bundesgesetzes);

–      die Zusammenlegung der GBA und der ZAMG durch Vermögensübertragung auf und Gesamtrechtsnachfolge der GSA hinsichtlich der GBA und der ZAMG (Art. 1 § 24 Abs. 1 bis 3 des vorgeschlagenen Bundesgesetzes);

–      die Übernahme des bestehenden Personals unter Wahrung aller – insbesondere verfassungsrechtlichen – Rechte (Art. 1 § 26 des vorgeschlagenen Bundesgesetzes).

 

Im Zuge der Debatte im Nationalrat haben die Abgeordneten Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA, Mag. Eva Blimlinger, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der beschlossen und wie folgt begründet wurde:

„Die Schlussbestimmungen zu den Sozialversicherungsnovellen werden redaktionell berichtigt.“

 

Der vorliegende Beschluss des Nationalrates enthält Grundsatzbestimmungen. Die Frist für die Erlassung von Ausführungsgesetzen durch die Länder ist gemäß Artikel 1 § 29 Z 1 des vorliegenden Beschlusses des Nationalrates länger als ein Jahr, weshalb es hierzu gemäß Artikel 15 Absatz 6 B-VG der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

 

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 5. April 2022 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Otto Auer.

An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates Mag. Bettina Lancaster, Stefan Schennach, Michael Bernard, Otto Auer und Marco Schreuder.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen,

1.     gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (dafür: V, F, G, dagegen: S),

2.     dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 15 Absatz 6 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen (dafür: V, F, G, dagegen: S).

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Otto Auer gewählt.

Der Ausschuss für Innovation, Technologie und Zukunft stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1.     gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2.     dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 15 Absatz 6 B-VG die verfassungs-mäßige Zustimmung zu erteilen.

Wien, 2022 04 05

                                      Otto Auer                                                                    Stefan Schennach

                                   Berichterstatter                                                                        Vorsitzender