11133 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates
Bericht
des Finanzausschusses
über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Dezember 2022 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen (Wertpapierfirmengesetz – WPFG) erlassen wird und das Alternative Investmentfonds Manager-Gesetz, das Bankwesengesetz, das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz, das Finanzkonglomerategesetz, das Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz, das Investmentfondsgesetz 2011, das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz und das Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 geändert werden
Grundlagen des Beschlusses des Nationalrates:
Bislang unterlagen Wertpapierfirmen neben der Richtlinie 2014/65/EU („MiFID II“) in unterschiedlicher Ausprägung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 („CRR“) und der Richtlinie 2013/36/EU („CRD IV“). Somit basierte der bestehende Aufsichtsrahmen in bedeutendem Ausmaß auf den internationalen Standards, die vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht vorgegeben wurden und auf große, international tätige Kreditinstitute abstellen. Die speziellen Risiken, denen eine große Anzahl an Wertpapierfirmen ausgesetzt ist und die von einer großen Anzahl an Wertpapierfirmen ausgehen, fanden im bisherigen Aufsichtsregime nur teilweise Berücksichtigung.
Folglich hat die Europäische Kommission am 20. Dezember 2017 im Rahmen der Umsetzung des Aktionsplans zur Europäischen Kapitalmarktunion ein Legislativpaket für einen einheitlichen Aufsichtsrahmen für Wertpapierfirmen („Investment Firm Review“) vorgelegt. Das Legislativpaket beinhaltet die Verordnung (EU) 2019/2033 („IFR“) und die Richtlinie (EU) 2019/2034 („IFD“) und orientiert sich an dem im September 2017 von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde veröffentlichten Bericht zur Harmonisierung des Aufsichtsrahmens für Wertpapierfirmen (EBA/Op/2017/11).
Die Verordnung (EU) 2019/2033 harmonisiert die Eigenmittel- und Kapitalanforderungen („K-Faktoren“), Liquiditätsanforderungen sowie Berichterstattungs- und Offenlegungspflichten für Wertpapierfirmen. Darüber hinaus bedingt die Verordnung (EU) 2019/2033 durch die Änderungen der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 und der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 („MiFIR“) Anpassungen am Kreditinstitutsbegriff und am Äquivalenzregime. Inhalt der Richtlinie (EU) 2019/2034 sind die Befugnisse der Aufsichtsbehörden, Anfangskapitalbestimmungen, Aufsichtsmaßnahmen, Ermittlungsbefugnisse, die Beurteilung der Angemessenheit des internen Kapitals, die interne Risikobewertung, das aufsichtliche Überprüfungs- und Bewertungsverfahren, die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmengruppen und ein entsprechendes Sanktionsregime. Die organisatorischen Anforderungen, Wohlverhaltensregeln, Konzessionierung, Transparenz- und Informationspflichten, Anlegerschutzbestimmungen und die Regulierung des algorithmischen Handels verbleiben in der Richtlinie 2014/65/EU („MiFID II“) und auf nationaler Ebene im Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 – WAG 2018.
Mit dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates wird die Richtlinie (EU) 2019/2034 über die Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinien 2002/87/EG, 2009/65/EG, 2011/61/EU, 2013/36/EU, 2014/59/EU und 2014/65/EU, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 214 vom 17.06.2021 S 74, umgesetzt und werden flankierende Regelungen zur Verordnung (EU) 2019/2033 über Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010, (EU) Nr. 575/2013, (EU) Nr. 600/2014 und (EU) Nr. 806/2014, ABl. Nr. L 314 vom 05.12.2019 S. 1, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 261 vom 22.07.2021, S. 60 geschaffen.
Hauptgesichtspunkte des Beschlusses des Nationalrates:
Kategorisierung von Wertpapierfirmen
Die Verordnung (EU) 2019/2033 sieht eine einfachere Kategorisierung von Wertpapierfirmen vor, bei der die unterschiedlichen Risikoprofile erfasst und angemessene und verhältnismäßige Aufsichtsvorschriften, die auf die spezifischen Risiken von Wertpapierfirmen zugeschnitten sind, festgelegt werden. Das Wertpapierfirmengesetz – WPFG ist auf alle gemäß WAG 2018 konzessionierten Wertpapierfirmen anzuwenden.
Systemrelevante Wertpapierfirmen, die bankähnliche Tätigkeiten ausüben und über Vermögenswerte iHv mindestens 30 Milliarden Euro gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 verfügen, werden als „Klasse 1-Wertpapierfirmen“ bezeichnet. Diese Unternehmen müssen eine Konzession als Kreditinstitut vorweisen und unterliegen dem Aufsichtsregime der CRR und des Bankwesengesetzes – BWG sowie der Aufsicht durch die Europäische Zentralbank.
Wertpapierfirmen, die ebenfalls bankähnliche Tätigkeiten ausüben und über Vermögenswerte iHv mindestens 15 Milliarden Euro gemäß Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2019/2033 verfügen, werden als „Klasse 1 minus-Wertpapierfirmen“ bezeichnet. Unter bestimmten Umständen kann die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) Wertpapierfirmen, die bankähnliche Tätigkeiten ausüben und über Vermögenswerte iHv mindestens fünf Milliarden Euro verfügen, gemäß § 4 WPFG ebenfalls dieser Kategorie zuordnen. Klasse 1 minus-Wertpapierfirmen werden gemäß WAG 2018 konzessioniert, müssen allerdings die Anforderungen der CRR und der Bestimmungen des BWG, die Titel VII und VIII der Richtlinie 2013/36/EU umsetzen, einhalten und werden von der FMA beaufsichtigt. Derzeit gibt es in Österreich keine Klasse 1- oder Klasse 1 minus-Wertpapierfirmen.
Kleine und nicht-verflochtene Wertpapierfirmen („Klasse 3-Wertpapierfirmen“) gemäß Art. 12 der Verordnung (EU) 2019/2033 dürfen keine Kundengelder halten und unterliegen ausgewählten Bestimmungen des WPFG und somit einem vereinfachten und verwaltungskostenreduzierenden Aufsichtsregime. Ihre Eigenmittelanforderungen ergeben sich aus dem höheren Betrag aus der permanenten Mindestkapitalanforderung oder einem Viertel der fixen Gemeinkosten des Vorjahres. Die überwiegende Mehrheit der österreichischen Wertpapierfirmen ist dieser Kategorie zuzuordnen.
Die verbleibenden „Klasse 2-Wertpapierfirmen“ unterliegen zur Gänze dem maßgeschneiderten Regime des WPFG, das die Aufsichtsanforderungen mit Blick auf die Art, den Umfang und die Komplexität der Geschäfte der betreffenden Wertpapierfirma normiert. Ihre Eigenmittelanforderungen ergeben sich aus dem höheren Betrag aus der permanenten Mindestkapitalanforderung, einem Viertel der fixen Gemeinkosten des Vorjahres oder der sogenannten „K-Faktor-Anforderung“.
Ausweitung des Tätigkeitenkatalogs für Wertpapierfirmen
Um den Kapitalmarkt zu stärken, Markteintrittsbarrieren abzubauen und die Konsistenz mit den europarechtlichen Vorgaben zu erhöhen, werden sämtliche der in Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 2014/65/EU genannten Dienstleistungen und Tätigkeiten in § 3 Abs. 2 WAG 2018 abgebildet und bedarf die Ausübung ausgewählter Wertpapierdienstleistungen künftig keiner BWG-Konzession mehr.
Anfangskapital
Die Höhe des Anfangskapitals wird entsprechend der Dienstleistungen und Tätigkeiten, für die die Wertpapierfirmen gemäß WAG 2018 konzessioniert sind, mit 75 000 Euro, 150 000 Euro oder 750 000 Euro festgelegt und in der gesamten Europäischen Union harmonisiert.
Liquidität
Wertpapierfirmen haben gemäß Art. 43 der Verordnung (EU) 2019/2033 liquide Aktiva iHv mindestens einem Drittel der Anforderungen für die fixen Gemeinkosten zu halten. In Bezug auf kleine und nicht-verflochtene Wertpapierfirmen wurde der FMA die Verordnungsermächtigung eingeräumt, diese von der Liquiditätsanforderung aufgrund der Art, des Umfangs, des Risikogehalts und des Anlegerschutzes und der Komplexität deren Geschäfte auszunehmen.
Aufsichtliche Zuständigkeiten und Informationsaustausch
Der FMA werden entsprechende Zuständigkeiten als Behörde des Herkunfts- und Aufnahmemitgliedstaats übertragen. Es besteht die Möglichkeit, Kooperationsvereinbarungen mit zuständigen Behörden aus anderen Mitgliedstaaten abzuschließen. Zudem werden Bestimmungen zum Austausch von Informationen mit zuständigen Behörden aus anderen Mitgliedstaaten oder aus Drittländern unter Berücksichtigung von Geheimhaltungspflichten eingeführt.
Angemessenheit des internen Kapitals und aufsichtliche Überprüfung und Bewertung
In Anlehnung an die Vorgaben des BWG werden vereinfachte Anforderungen für Wertpapierfirmen und die FMA zur Bewertung der Angemessenheit der Regelungen und Verfahren vorgesehen, um sicherzustellen, dass die Bestimmungen des WPFG und der Verordnung (EU) 2019/2033 eingehalten werden. Die FMA ist dazu befugt, den aufsichtsrechtlichen Status von Wertpapierfirmen zu überprüfen und, falls notwendig, Änderungen in den Bereichen der internen Unternehmensführung und Kontrolle sowie Risikomanagementverfahren zu verlangen und gegebenenfalls zusätzliche Kapital- und Liquiditätsanforderungen vorzuschreiben.
Vergütung und Governance
Um eine überzogene Risikobereitschaft von Wertpapierfirmen zu vermeiden, wurden Regeln zur Vergütung und Governance erarbeitet, die eine ordnungsgemäße Funktionsweise von Wertpapierfirmen gewährleisten und die Unterschiede zwischen Wertpapierfirmen und Kreditinstituten widerspiegeln. Verglichen mit den Bestimmungen für Banken sieht das WPFG beispielsweise keinen Höchstwert für das Verhältnis zwischen dem festen und dem variablen Bestandteil der Vergütung vor, sondern verlangt, dass die Wertpapierfirmen selbst ein angemessenes Verhältnis festsetzen.
Ausweitung der Anwendung des Sanierungs- und Abwicklungsregimes auf manche mittelgroße Wertpapierfirmen
Die Änderungen der IFR und die Umsetzung der IFD im Wege des WPFG führen auch zu praktischen Auswirkungen und legistischem Anpassungsbedarf bei Wertpapierfirmen der Klasse 1, Klasse 1 minus und Klasse 2, die in das harmonisierte Sanierungs‑ und Abwicklungsregime des Sanierungs‑ und Abwicklungsgesetzes (BaSAG) und der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 (SRM-Verordnung) fallen. Während Klasse 1-Wertpapierfirmen zukünftig als CRR-Kreditinstitute vom Anwendungsbereich des BaSAG und der SRM-Verordnung erfasst sind, dürften manche mittelgroße Wertpapierfirmen als CRR-Wertpapierfirmen erstmalig unter das BaSAG fallen.
Im Zusammenhang mit dem Abwicklungsfinanzierungsmechanismus wird geklärt, dass sich der nationale Abwicklungsfinanzierungsmechanismus aus den von der Abwicklungsbehörde Bestimmten Wertpapierfirmen und EU-Zweigstellen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Größe und ihres jeweiligen Risikoprofils vorgeschriebenen Beiträgen zusammensetzt, wobei eine angemessene Mittelausstattung des Abwicklungsfinanzierungsmechanismus für diese Gruppe von Unternehmen sicherzustellen ist.
Im Zuge der Debatte im Plenum des Nationalrates haben die Abgeordneten Karlheinz Kopf, Mag. Nina Tomaselli, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der beschlossen und wie folgt begründet wurde:
„Zu Art. 9 (Wertpapieraufsichtsgesetz 2018):
Zu Z 30a (§ 74 Abs. 5):
§ 74 Abs. 5 vierter Satz Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 (WAG 2018) besagt bislang, dass die Kontrolle der ordnungsgemäßen Verwaltung des Sondervermögens durch die gesetzliche Interessenvertretung der Mitgliedsinstitute zu erfolgen hat.
Aufgrund der Konzessionserweiterung im WAG 2018, welche im Rahmen der Regierungsvorlage (1757 d.B.) vorgenommen wird, ist es nicht mehr zeitgemäß, dass die gesetzliche Interessenvertretung die ordnungsgemäße Verwaltung des Sondervermögens kontrollieren muss. Dies soll künftig ein Wirtschaftsprüfer erledigen. Mit der fachlichen Expertise eines Wirtschaftsprüfers wird gewährleistet, dass eine zielgerichtete Prüfung der ordnungsgemäßen Verwaltung des Sondervermögens erfolgt. Die Möglichkeit, denselben Wirtschaftsprüfer wie bei der Jahresabschlussprüfung zu beauftragen, soll die Effizienz der Prüfung erhöhen. Zum einen kennt der Jahresabschlussprüfer die Unterlagen der Entschädigungseinrichtung, zum anderen werden auch die Gesamtkosten für die Prüfung geringer ausfallen. Analog zu § 270a UGB iVm Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 soll eine Prüferrotation stattfinden.“
Der Finanzausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 19. Dezember 2022 in Verhandlung genommen.
Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Ing. Eduard Köck.
An der Debatte beteiligte sich das Mitglied des Bundesrates Dr. Johannes Hübner.
Bei der Abstimmung wurde mehrstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (dafür: V, F, G, dagegen: S).
Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Ing. Eduard Köck gewählt.
Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Wien, 2022 12 19
Ing. Eduard Köck Ingo Appé
Berichterstatter Vorsitzender