11173 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus

über den Beschluss des Nationalrates vom 31. Jänner 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung 1992, die Europawahlordnung, das Bundespräsidentenwahlgesetz 1971, das Volksabstimmungsgesetz 1972, das Volksbefragungsgesetz 1989, das Volksbegehrengesetz 2018, das Wählerevidenzgesetz 2018 und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden (Wahlrechtsänderungsgesetz 2023)

Die Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen haben den dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates zugrundeliegenden Initiativantrag am 18. November 2022 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Der gegenständliche Gesetzesentwurf dient der Umsetzung des Abschnittes „Wahlrechtsreform“ aus dem Regierungsprogramm 2020-2024. Aus dem Wortlaut des erwähnten Ab-schnitts des Regierungsprogramms ergeben sich drei Schwerpunkte, die sich auf den gesamten Entwurf erstrecken:

•              Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen

•              Umfangreiche Neuordnung der Wahlkartenlogistik

•              Änderungen betreffend die Administration und das Tätigwerden von Wahlbehörden auf allen       Ebenen.

Die Klubs der Regierungsparteien haben bei Erstellung des Entwurfs auf die umfangreichen Erfahrungen der im Bundesministerium für Inneres für die Administration von Wahlereignissen zuständigen Fachabteilung zurückgegriffen. Auf Ersuchen der Klubs hat die erwähnte Abteilung im Zuge der Erarbeitung des Entwurfs Konsultationen mit der Österreichischen Post AG getätigt und darüber hinaus im Rahmen von Workshops mit Vertreterinnen und Vertretern von für Menschen mit Behinderungen tätigen Organisationen die Möglichkeiten, Verbesserungen für den in Rede stehenden Personenkreis zu erwirken, eingehend ausgelotet und ein Einfließen zahlreicher Wünsche in den Entwurf begleitet.

Es liegt in der Natur der Sache, dass bei der Umsetzung einer so umfangreichen Wahlrechtsreform zahlreiche Behörden, Stellen und Institutionen auf unterschiedlichste Weise massiv betroffen sein können. Daher scheint für die Klubs die Durchführung eines parlamentarischen Ausschussbegutachtungsverfahrens unerlässlich. Bei den geplanten Gesetzesänderungen hat man sich vorläufig auf den Entwurf einer Novellierung der Nationalrats-Wahlordnung 1992 (NRWO) konzentriert, in der Absicht, dass inhaltlich gleichlautende Bestimmungen, insbesondere der Europawahlordnung und des Bundespräsidentenwahlgesetzes 1971, nur einmal – erst nach Berücksichtigung der Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens – konzipiert werden müssen.

Die geplanten Änderungen der Bestimmungen des Volksabstimmungsgesetzes 1972, des Volksbefragungsgesetzes 1989, des Wählerevidenzgesetzes 2018, des Europa-Wählerevidenzgesetzes und des Volksbegehrengesetzes 2018 sind, bedingt durch umfangreiche Verweisungen auf die NRWO, inhaltlich von geringer Bedeutung, sieht man vom Vorhaben ab, bei Volksbegehren die Öffnungszeiten der Eintragungslokale während des Eintragungszeitraums mit Blick auf den seit Inkrafttreten des Volksbegehrengesetzes 2018 – mit der Möglichkeit, Volksbegehren unabhängig vom Hauptwohnsitz in einer beliebigen Gemeinde und auch via Internet unterstützen zu können – wesentlich gestiegenen Anteil an Online-Unterstützungen geringfügig (um insgesamt sechs bzw. acht Stunden) zu verkürzen (vgl. Art. 6 Z 1 und 2, § 8 Abs. 1 VoBeG).

Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen

Mit der gesetzlichen Verankerung des Erfordernisses, wonach alle Wahllokale zukünftig barrierefrei erreichbar sein müssen und in jedem Wahllokal eine barrierefrei erreichbare Wahlzelle vorhanden sein muss, konnte einer zentralen Forderung der oben erwähnten Organisationen Rechnung getragen werden (vgl. Art. 1 Z 50 und 54, §§ 56 und 57 Abs. 6 NRWO).

Ebenso wichtig war den Organisationen die Schaffung einer zeitgemäßen Terminologie betreffend Menschen mit Behinderungen, die sich auf den gesamten Entwurf erstreckt (vgl. insbesondere Art. 1 Z 21, 22, 39, 40, 50, 64, 65, 67, 68, 69, 74, 75, 77 und 78, §§ 20a Abs. 4 Z 2, 38 Abs. 2, 39 Abs. 5 Z 2 und 3, 52 Abs. 6, 66, 72 bis 74 NRWO).

Wo es möglich war, wurde die Veröffentlichung von Informationen über den Wahlvorgang in leicht lesbarer Sprache gesetzlich verankert. Insbesondere die gedruckte Information über die Stimmabgabe mittels Wahlkarte soll in Hinkunft verpflichtend in leicht lesbarer Sprache bereitgestellt werden (vgl. Art. 1 Z 38 und 69; §§ 39 Abs. 4 und 66 Abs. 6 NRWO).

Als weitere Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen seien erwähnt:

•              Gesetzliche Verankerung einer Wahlkarten-Schablone, verwendbar von blinden oder stark sehbehinderten Personen zur selbstständigen Vornahme der Stimmabgabe mittels Briefwahl (vgl. Art. 1 Z 38 und 118, § 39 Abs. 3 sowie Anlage 8 NRWO);

•              Einführung einer Abschrägung des amtlichen Stimmzettels samt entsprechender Kennzeichnung der Abschrägung (ermöglicht erleichtertes Einlegen des Stimmzettels in die Schablone) (vgl. Art. 1 Z 79 und 117, § 75 Abs. 2 sowie Anlage 6 NRWO);

•              Gesetzliche Verankerung von Mindest-Schriftgrößen für Drucksorten, insbesondere des Informationsblatts für die Stimmabgabe mittels Wahlkarte (vgl. Art. 1 Z 38, 48, und 104, §§ 39 Abs 4, 49 Abs. 8 und 106 Abs. 7 NRWO);

•              Klarstellung, dass Erwachsenenvertreterinnen und -vertretern in Wahlangelegenheiten kein Vertretungsrecht zukommt (vgl. Art. 1 Z 37 und 66, §§ 39 Abs 1 und 66 Abs. 3 NRWO).

Maßnahmen zur Verbesserung der Wahlkartenlogistik

Die Lösung stellt eine Entflechtung der Auswertung der zur Stimmabgabe mittels Briefwahl verwendeten Wahlkarten auf die örtlichen Wahlbehörden dar, die insbesondere mit Blick auf die – nicht zuletzt durch die COVID-19-Pandemie – laufend angewachsene und immer größer werdende Menge an Briefwahl-Wahlkarten dringend angezeigt erscheint und dem Regierungsprogramm vollinhaltlich Rechnung trägt („Prüfung von Auszählung aller Urnen- sowie Briefwahlstimmen am Wahltag unter Beibehaltung sämtlicher Wahlgrundsätze, sodass das Ergebnis bereits am Wahltag bereitgestellt werden kann“):

•              Wahlkarten werden wie bisher von den Gemeinden ausgestellt. Vom Hersteller der Wahlkarten-Vordrucke (dem Drucksorten-Provider) wird bereits beim Druck jede Wahlkarten-Tasche mit einem – für eine Wahl oder auch für einen längeren Zeitraum unverwechselbaren – QR-Code versehen. Bei Ausstellung der Wahlkarte wird dieser Code seitens der Gemeinde der Antragstellerin oder dem Antragsteller durch entsprechenden Vermerk in der Datenverarbeitung „ZeWaeR“ eindeutig zugeordnet (vgl. Art. 1 Z 38, und 41, §§ 39 Abs. 3 und 40 Abs. 1 NRWO).

•              In Umsetzung des entsprechenden Punkts im Regierungsprogramm („Drei Wochen vor einer Wahl müssen Wahlberechtigte die Möglichkeit haben, die Briefwahl persönlich zu beantragen und unmittelbar im Anschluss auch auf der Gemeinde ihre Stimme abzugeben“) wird die bei Statutarstädten schon bisher angebotene Möglichkeit der Stimmabgabe mittels Briefwahl (anlässlich der persönlichen Beantragung der Wahlkarte unmittelbar nach ihrer Ausstellung) auf alle Gemeinden (zu den Amtszeiten) ausgedehnt („Quasi-Vorwahltag“) (vgl. Art. 1 Z 43, § 40 Abs. 5 NRWO).

•              Das hinkünftige Erfordernis der Gemeinden, die Wahlkarten-Vordrucke selbst mit der Anschrift der jeweiligen Gemeindewahlbehörde zu versehen (bisher waren die Vordrucke schon mit den Anschriften der Bezirkswahlbehörden versehen, was jedoch für über 2.000 logistisch nicht machbar ist), könnte in der Praxis häufig mit der Unterstützung von IT-Dienstleistern erfolgen (vgl. Art. 1 Z 38, § 39 Abs. 3 NRWO).

•              Alle zur Briefwahl verwendeten Wahlkarten, die bis Freitag vor dem Wahltag, 12.00 Uhr, bei der jeweiligen Gemeindewahlbehörde (am Sitz der Gemeinde) bzw. bei der Bezirkswahlbehörde (am Sitz der jeweiligen Statutarstadt bzw. des Magistratischen Bezirksamts) vorliegen, werden nach Erfassung unter Verschluss genommen und für die Auswertung am Wahltag der zuständigen Sprengelwahlbehörde zugeführt, sofern zumindest eine solche in einer Gemeinde eingerichtet ist. Andernfalls werden die Wahlkarten im Gemeindeamt für die Auswertung durch die Gemeindewahlbehörde aufbewahrt (vgl. Art. I Z 43, § 40 Abs. 5 und 6 NRWO). Zur Erleichterung der Tätigkeit der örtlichen Wahlbehörden am Wahltag werden die Wahlkarten – im Einklang mit der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes – schon bei der Erfassung hinsichtlich des allfälligen Vorliegens jener Nichtigkeitsgründe, die ohne Öffnen der Wahlkarten sichtbar sind, vorsortiert (vgl. Art. 1 Z 43, § 40 Abs. 6 NRWO).

•              Zur Briefwahl verwendete Wahlkarten, die einer Gemeinde nicht bis zum Freitag vor der Wahl zugestellt werden können, werden gemeinsam mit den Wahlkarten aus der – in Hinkunft gesetzlich verankerten – „Samstagsentleerung“ (die sich auf alle Briefkästen in Österreich erstreckt und in die auch die bei den Post-Verteilzentren am Samstag vor der Wahl aus dem Ausland eingetroffenen Wahlkarten einbezogen werden) am Wahltag gegen 16.00 Uhr – unbeschadet des auf die jeweilige Gemeindewahlbehörde lautenden Adressaufdrucks auf einer Wahlkarte – durch die Österreichische Post AG der zuständigen Bezirkswahlbehörde zugestellt. Das hierzu erforderliche Prozedere, bei dem eine an eine Gemeinde adressierte Wahlkarte unter Heranziehung einer Codierung ab einem bestimmten Zeitpunkt (Samstag vor dem Wahltag) dennoch der zuständigen Bezirkswahlbehörde (und nicht der Gemeinde) zugestellt wird, wird gesetzlich verankert und in der Folge mit der bezüglich der geplanten Lösung schon im Vorfeld kontaktierten Österreichischen Post AG administrativ umgesetzt (vgl. Art. 1 Z 43 und 55, §§ 40 Abs. 7 und 60 NRWO).

•              Zur Briefwahl verwendete Wahlkarten werden durch die jeweils laut Wählerverzeichnis zuständige Sprengelwahlbehörde – in kleinen Gemeinden durch die Gemeindewahlbehörde – nach Schließung des jeweiligen Wahllokals, aber noch vor der allgemeinen Stimmauszählung, ausgewertet (ausgewertet = Wahlkarte auf Nichtigkeitsgründe geprüft, Wahlkuvert anonymisiert und der späteren Stimmauszählung zugeführt). Zu diesem Zweck gelangen bei der Ausstellung der Wahlkarten ausschließlich blaue, ungummierte Wahlkuverts zum Einsatz (diese werden durch eine örtliche Wahlbehörde nur in jenen Fällen gegen mit der Nummer des jeweiligen Landeswahlkreises versehene beigefarbene Kuverts ausgetauscht, bei denen eine Stimmabgabe am Wahltag, nicht vor der zuständigen örtlichen Wahlbehörde, erfolgt) (vgl. insb. Art. 1 Z 70, § 68 Abs. 1 NRWO).

•              Mit der geplanten Lösung kann eine große Anzahl der abgegebenen Stimmen (inklusive Briefwahlstimmen) bereits am Wahltag in den späten Abendstunden oder allenfalls am darauffolgenden Tag in den frühen Morgenstunden ausgezählt sein (vgl. Art. 1 Z 83, § 84 Abs. 2 NRWO).

Die stark minimierte „Montagsrunde“ (Auswertung von Wahlkarten insbesondere aus der „Samstagsleerung“ bei den Bezirkswahlbehörden) sowie die „Donnerstagsrunde“ (Auswertung von Wahlkarten und Auszählung der beigefarbenen Wahlkuverts bei den Landeswahlbehörden) sind aber mit Blick auf die Vorgabe des Regierungsprogramms unerlässlich, einerseits, weil die Stimmabgabe mit Wahlkarten in einem regionalwahlkreis-fremden Wahllokal weiterhin möglich sein muss („Die Regelungen bezüglich der Abgabe der Stimme mittels Briefwahlkarte in einem fremden Wahllokal bleibt bestehen. Wie bisher zählt die Bezirkswahlkommission diese Stimmen aus.“), andererseits, weil „fliegende Wahlkommissionen“, mit welchen insbesondere erkrankten oder behinderten Menschen eine Stimmabgabe vor einer Wahlbehörde ohne zwingendes Erfordernis der Nutzung der Briefwahl ermöglicht wird, weiterhin bestehen bleiben („Fliegende Wahlkommissionen werden weiterhin bei Krankheitsfällen eingesetzt. …“) (vgl. insb. Art. 1 Z 96, § 90 Abs. 1 NRWO).

•              Für die beabsichtigte Wahlkartenlösung ist eine umfangreiche technische Neuausgestaltung der Wahlkartenlogistik, insbesondere eine wesentliche Erweiterung der Datenverarbeitung „Zentrales Wählerregister (ZeWaeR), alternativlos. Nicht nur wegen der Vorgabe des Regierungsprogramms in Richtung Verfolgbarkeit des Weges von Wahlkarten [„Briefwahl auf dem Postweg analog zu Paketsendungen nachvollziehbar machen (z. B. mit Barcode). Zumindest der Eingang bei der Wahlbehörde sollte bestätigt werden.“], sondern auch wegen der verschachtelten Bewegung der Wahlkarten muss das ZeWaeR als Steuerungsinstrument der Wahlkarten eingesetzt werden.

Einerseits werden (zuständige) Wahlbehörden und wahlberechtigte Personen den Status ihrer Wahlkarte (z.B. „im Postweg“, „bei Gemeindewahlbehörde XY“, „bei Bezirkswahlbehörde XY“) überprüfen können, anderseits wird das ZeWaeR ermöglichen, dass „Begleitzettel“ zu Wahlkarten-Konvoluten nicht handschriftlich ausgefüllt werden müssen, sondern stets elektronisch generiert werden können. (vgl. insb. Art. 1 Z 43, §§ 40 Abs. 7 und 87 Abs. 4 NRWO)

Maßnahmen betreffend die Administration und das Tätigwerden von Wahlbehörden

Die Erfahrungen der letzten Jahre mit einer stetig sinkenden Bereitschaft von Wahlberechtigten, sich von einer wahlwerbenden Gruppe als Beisitzerin oder Beisitzer einer Wahlbehörde oder allenfalls als Vertrauensperson nominieren zu lassen, und der Umstand, dass die Mitglieder der örtlichen Wahlbehörden aufgrund des Erfordernisses, zur Stimmabgabe mittels Briefwahl verwendete Wahlkarten vor der Auszählung der vor der Behörde abgegebenen Stimmen hinsichtlich allfälliger Nichtigkeitsgründe zu überprüfen, in Hinkunft zusätzliche Aufgaben wahrzunehmen werden haben, macht eine grundlegende Reform der den genannten Personen zustehenden Entschädigungen unumgänglich (vgl. Art. 1 Z 20, § 20 NRWO).

Die Möglichkeit, eine Person zum Tätigwerden im Rahmen eines öffentlichen Ehrenamtes verpflichten zu können, wenn sie in der Gemeinde, in der sie als Mitglied einer Wahlbehörde tätig werden soll, ihren Hauptwohnsitz hat, entspricht in keiner Weise mehr den realpolitischen Gegebenheiten und soll daher entfallen. Aber auch in Hinkunft soll die Tätigkeit als „öffentliches Ehrenamt“ definiert sein (die Definition wurde – hervorstechend – in den § 6 Abs. 2 NRWO verschoben). Der genannte Personenkreis soll allerdings in Hinkunft angemessen entschädigt werden. Die Entschädigungen sollen „steuerfrei“ bezogen werden können, wozu es im Lauf des Jahres 2023 zur Klarstellung noch der Schaffung einer entsprechenden einkommenssteuerrechtlichen Ausnahmeregelung bedürfen wird. Für Rechtsstreitigkeiten über den Entschädigungsanspruch von Mitgliedern von Wahlbehörden bzw. von Vertrauenspersonen – ein entsprechender Verweis findet sich in § 15 Abs. 4 NRWO – wird eine entsprechende Rechtsschutzmöglichkeit, insbesondere ein verwaltungsgerichtlicher Rechtszug, verankert (derzeit ist laut Gesetz „kein Rechtsmittel zulässig“) (vgl. Art. 1 Z 20, § 20 Abs. 4 und 5 NRWO).

Insbesondere – aber nicht nur – im Licht der zu verankernden Wahlkartenlogistik erscheint eine nach Öffnungszeiten der Wahllokale gestaffelte, angemessene Entschädigung der Mitglieder der örtlichen Wahlbehörden unerlässlich, werden doch Mitglieder von Sprengelwahlbehörden, insbesondere in größeren Städten, nach einem Tätigwerden von 6.00 bis 17.00 Uhr noch mehrere Stunden für die Auswertung der Briefwahl-Wahlkarten und die daran anschließende Stimmauszählung in beschlussfähiger Zusammensetzung zur Verfügung stehen müssen (vgl. Art. 1 Z 20, § 20 Abs. 1 und 2 NRWO).

An der seit 2003 bestehenden Pauschalierungsregelung, aufgrund welcher die Gemeinden für die bei ihnen im Zuge der Administration der Wahl entstehenden Kosten pro wahlberechtigter Person einen bestimmten Betrag erhalten, wird festgehalten, es besteht aber kein Zweifel daran, dass wegen des durch die geplanten, auch im Regierungsprogramm skizzierten Regelungen („Prüfung einer einheitlichen Abgeltung von Wahlbeisitzerinnen und Wahlbeisitzern“) bewirkten Anstiegs der bei den Gemeinden entstehenden Kosten der in § 124 Abs. 1 NRWO festgelegte Vergütungssatz – unbeschadet der Aktualisierung der Valorisierungsregelung (vgl. Art. 1 Z 107, § 124 Abs. 2 NRWO) – deutlich angehoben werden muss (vgl. Art. 1 Z 106, § 124 Abs. 1 NRWO).

Mit Hilfe des ZeWaeR soll auch die Administration von Wahlbehörden-Mitgliedern unterstützt werden. Mit der Erfassung von (nominierten) Beisitzerinnen und Beisitzern, Ersatzbeisitzerinnen und Ersatzbeisitzern sowie Vertrauenspersonen sollen – u.U. anfechtungsrelevante – Inkompatibilitäten verhindert werden. Die jeweiligen Wahlbehörden erhalten einen Überblick über die Quote der Nominierungen und können mit dem betroffenen Personenkreis z.B. wegen Schulungen individuell in Kontakt treten. Klargestellt ist, dass eine Wahlleiterin oder ein Wahlleiter immer nur Zugang zu den Daten jener Personen hat, für deren Bestellung sie oder er zuständig ist (vgl. Art. 1 Z 13, § 15 Abs. 7 bis 9 NRWO). Von Parteien nominierte Beisitzerinnen und Beisitzer werden von der berufenden Wahlleiterin oder vom berufenden Wahlleiter, möglichst per E-Mail, verständigt, wobei ein Sich-Verschweigen innerhalb einer Woche als Zustimmung zur Nominierung gilt (vgl. Art. 1 Z 9 und 13, §§ 14 Abs. 1 und 15 Abs. 7 NRWO).

Neben der Anhebung der Entschädigungen für Beisitzerinnen und Beisitzer ist laut Regierungsprogramm auch die „Prüfung der Einrichtung eines Pools für Bürgerinnen und Bürger zur Beschickung der Wahlkommissionen hinsichtlich der von den Parteien nicht besetzten Beiratspositionen“ vorgesehen. Eine solche Pool-Lösung, die eine Änderung des Art. 26a Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes voraussetzen würde, stellt einen vielversprechenden Ansatz dar, um die tatsächliche Beschickung von Wahlbehörden mit Beisitzerinnen und Beisitzern zu verbessern. Ebenso kann sie dazu dienen, einem breiteren Kreis an Menschen einen Anreiz zu geben, einen aktiven Beitrag zu Wahlvorgängen und somit zum Funktionieren der Demokratie zu leisten. Die Schaffung einer dahingehenden Regelung könnte nach einer Evaluierung der sich aus den Änderungen in § 20 NRWO ergebenden Auswirkungen als nächster Schritt folgen.

Im Übrigen sollen für Wahlbehörden folgende Regelungen in die Nationalrats-Wahlordnung 1992 einfließen:

•              Ersatzloser Entfall der Gemeindewahlbehörden in Statutarstädten (nach Wegfall des administrativen Instanzenzugs im Jahr 2014 ist der Fortbestand dieser Behörden in Statutarstädten sinnesentleert, deren Aufgaben übernehmen in Hinkunft die Bezirkswahlbehörden, wie dies schon für den Wahltag nach geltendem Recht verankert ist) (vgl. Art. 1 Z 5 und 11, §§ 8 Abs. 1 und 15. Abs. 3 NRWO);

•              Verankerung einer positiven Regelung, dass die Ausübung mehrerer Funktionen in ein und derselben Wahlbehörde unzulässig ist (vgl. Art. 1 Z 4, § 6 Abs. 5 NRWO);

•              Verankerung des Erfordernisses einer Losentscheidung bei gleichem Anspruch auf den Sitz in einer Wahlbehörde auf allen Ebenen (derzeit nur bei Bundeswahlbehörde und Landeswahlbehörde vorgesehen) (vgl. Art. 1 Z 13, § 15 Abs. 6 NRWO);

•              Schaffung der Möglichkeit, für Vorsitzende einer Gemeindewahlbehörde oder einer Sprengelwahlbehörde mehr als eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter zu bestellen (auf anderen Ebenen bereits möglich) (vgl. Art. 1 Z 7, § 8 Abs. 3 NRWO);

•              Klarstellung des gesetzlichen Begriffs der „örtlichen Wahlbehörde“ (vgl. Art. 1 Z 1, § 2 Abs. 2 NRWO);

•              Klarstellung, dass Einrichtung, Organisation und Beschlussfähigkeit von besonderen („fliegenden“) Wahlbehörden in gleicher Weise wie bei Sprengelwahlbehörden erfolgt (im geltenden Recht nur rudimentär geregelt) (vgl. Art. 1 Z 10, § 15 Abs. 2 NRWO);

•              Verankerung der Zulässigkeit, dass alle Sprengelwahlbehörden auch zu einem späteren Zeitpunkt (in der Praxis: Wahltag) ihre konstituierende Sitzung abhalten können (derzeit nur in Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnerinnen und Einwohnern zulässig) (vgl. Art. 1 Z 15, § 16 Abs. 3 NRWO);

•              Klarstellung, dass eine Ersatzbeisitzerin oder ein Ersatzbeisitzer jede Beisitzerin oder jeden Beisitzer der gleichen Partei vertreten kann (vgl. Art. 1 Z 17, § 17 Abs. 3 NRWO);

•              Ergänzung der Regelungen über die Neuberechnung der Sitzverteilung von Beisitzerinnen und Beisitzern, für den Fall, dass eine wahlwerbende Partei der zurückliegenden Wahl keinen Wahlvorschlag mehr einbringt (vgl. 2017 Liste „FRANK“: die derzeit normierte Rechtsgrundlage, insbesondere in § 19 Abs. 3, scheint nicht auszureichen) (vgl. Art. 1 Z 18, § 19 Abs. 3 NRWO);

•              Zulässigkeit der Nachnominierung von Mitgliedern in Wahlbehörden bei „Leerbleiben“ während Legislaturperiode bzw. vor Wahlereignissen, um Unterbesetzungen entgegenzuwirken (derzeit fixe Frist, danach nie mehr Nachnominierung möglich) (vgl. Art. 1 Z 19, § 19 Abs. 5 NRWO).

Maßnahmen, die in Zusammenhang mit der Datenverarbeitung ZeWaeR stehen

An die Stelle der individualisierten, d.h. hinsichtlich der Zahl der in einem Haus nach den in den einzelnen Wohnungen lebenden Personen oder oftmals sogar nach Namen der Bewohnerinnen und Bewohner aufgeschlüsselten „Kundmachung in den Häusern“ tritt eine österreichweit einheitliche Kundmachung, die nur noch hinsichtlich des Ortes und der Zeiten, zu denen in einer Gemeinde eine Einsichtnahme in die Wählerverzeichnisse getätigt und allenfalls bezüglich einer beliebigen Person ein Berichtigungsantrag gestellt werden kann, individualisiert ist. Die „neue“ Kundmachung, mit der dem entsprechenden Punkt des Regierungs-programms („Prüfung von elektronischen Alternativen zur physischen Auflage des Wählerverzeichnisses in Gemeinden“) entsprochen werden soll, wird einen QR-Code aufweisen, der eine Überprüfung der „eigenen“ Eintragung einer Person in das Wählerverzeichnis einer Gemeinde – ausschließlich unter Verwendung eines elektronischen Identitätsnachweises (E-ID) – erleichtern soll (vgl. Art. 1 Z 28, § 26 NRWO). Die Möglichkeit der Überprüfung wird nicht nur für Wählerverzeichnisse im Vorfeld von Wahlen, sondern generell hinsichtlich der Erfassung einer Person in der Wählerevidenz oder in der Europa-Wählerevidenz verankert (vgl. Art. 7 Z 2, § 5 Abs. 1 WEviG, sowie (vgl. Art. 8 Z 2, § 6 Abs. 1 EuWEG).

Zusätzlich zu den Wählerverzeichnissen in ausgedruckter Form, die die Gemeinden nur den im Nationalrat vertretenen Parteien sowie anderen Parteien, die sich an der Wahlbewerbung beteiligen wollen, auszufolgen haben, erhalten die zustellungsbevollmächtigen Vertreterinnen und Vertreter aller Landeswahlvorschläge – oder von diesen bevollmächtige Personen – die Wählerverzeichnisse der örtlichen Wahlbehörden von den Gemeinden in bearbeitbarer Form, sobald die Kandidatur der jeweiligen wahlwerbenden Gruppen in einem Landeswahlkreis feststeht (vgl. Art. 1 Z 29, § 27 Abs. 5 NRWO).

Im Übrigen sollen im Zusammenhang mit der Datenverarbeitung ZeWaeR folgende Regelungen in die Nationalrats-Wahlordnung 1992 einfließen:

•              Rechtliche Klarstellung des Umgangs mit exakt am Stichtag stattfindenden „Zuzügen“ und „Wegzügen“ von wahlberechtigten Personen durch Verankerung einer vorgegebenen Uhrzeit (24.00 Uhr) (vgl. Art. 1 Z 23, § 24 Abs. 1 NRWO);

•              Eintragung von Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreichern in das Wählerverzeichnis außerhalb des Berichtigungs- und Beschwerdeverfahrens im Fall einer Antragstellung vor Ablauf des Einsichtszeitraums (mit der Präzisierung wird eine seit Jahrzehnten übliche Verwaltungspraxis positiv abgebildet) (vgl. Art. 1 Z 31, § 31 Abs. 2 NRWO);

•              Schaffung der Möglichkeit für Auslandösterreicherinnen und Auslandösterreicher, ihre Eintragung in der Wählerevidenz oder Europa-Wählerevidenz einer Gemeinde, sofern technisch implementiert, im Weg der Datenverarbeitung ZeWaeR zu beantragen (vgl. Art. 7 Z 1, § 3 Abs. 6 WeviG, sowie (vgl. Art. 8 Z 1, § 4 Abs. 7 EuWEG);

•              „Adresse“, definiert als Hauptwohnsitz und bei Auslandsösterreicherinnen und Auslandösterreichern als Wohnsitz im Ausland (vgl. Art. 1 Z 45, § 43 Abs. 1 Z 2 NRWO);

•              Entfernung des Hinweises über die Eintragung bei Wahlberechtigten des Präsenz-, Aus-bildungs- oder Zivildienstes (die Regelung kann bereits seit Jahrzehnten als „totes Recht“ bezeichnet werden) (vgl. Art. 1 Z 24, Wegfall des § 24 Abs. 3 NRWO);

•              Klarstellung, dass bei der bereits durch das Wahlrechtsänderungsgesetz 2022 neugeregelten amtswegigen Veröffentlichung die Zahl der im Ausland lebenden Wahlberechtigten getrennt auszuweisen ist (vgl. Art. 1 Z 34, § 35 Abs. 1 NRWO);

•              Vorverlegung des Zeitpunkts, zu dem eine amtliche Wahlinformation zuzustellen ist (vgl. Art. 1 Z 35, § 36 Abs. 3 NRWO);

•              Ausstattung sämtlicher amtlicher Wahlinformationen mit einem Code für die Glaubhaftmachung der Identität bei Beantragung der Ausstellung einer Wahlkarte (mit dieser Regelung wird eine bereits österreichweit verbreitet geübte Praxis positiv in der NRWO verankert) (vgl. Art. 1 Z 35 und 37, §§ 36 Abs. 3 und 39 Abs. 1 NRWO).

Weitere im Rahmen des Wahlrechtsänderungsgesetzes 2023 geplante Präzisierungen und Bereinigungen

Auf Anregung des Bundesministeriums für Inneres wird das geplante Gesetzesvorhaben zum Anlass genommen, auch die nachstehenden Präzisierungen und Bereinigungen in den Wahlrechtskodifikationen vorzunehmen:

•              Wegfall der Möglichkeit einer gerichtlichen oder notariellen Beglaubigung auf Unterstützungserklärungen bei Nationalratswahlen und Bundespräsidentenwahlen, wie dies bereits bei Europawahlen verankert ist (wegen des Erfordernisses des persönlichen Erscheinens einer unterstützungswilligen Person bei der Gemeindebehörde kann auch die Möglichkeit der notariellen oder gerichtlichen Beglaubigung der Unterschrift auf einer Unterstützungserklärung als „totes Recht“ bezeichnet werden) (vgl. Art. 1 Z 44, § 42 Abs. 3 NRWO);

•              Präzisierung der Vorgangsweise der Bundeswahlbehörde und der Landeswahlbehörden beim Umgang mit Titeln und Graden bei Überprüfung von Landes- und Bundeswahlvorschlägen (nach geltendem Recht ist es oft schwierig, Angleichungen, Verbesserungen oder Änderungen auf den zu veröffentlichenden Wahlvorschlägen vorzunehmen) (vgl. Art. 1 Z 47, 101 und 103, §§ 49 Abs. 6 und 106 Abs. 4 und 6 NRWO);

•              Wegfall der Verankerung der Spalte „leer“ für nicht mehr kandidierende Parteien auf dem amtlichen Stimmzettel (die geplante Gesetzesänderung entspricht einer bereits nach mehreren Wahlrechtskodifikationen der Länder geübten Praxis) (vgl. Art. 1 Z 46, § 49 Abs. 5 NRWO);

•              terminologische Vereinheitlichung der Ausdrücke „Hilfskräfte“ und „Hilfsorgane“ (vgl. Art. 1 Z 57, 63, 74, 82, 96 und 100, §§ 60 Abs. 7, 65 Abs. 1, 72 Abs. 3, 84 Abs. 1, 90 Abs. 1 und 96 Abs. 2 NRWO);

•              Verankerung der Ermöglichung des Austauschs von Wahlzeuginnen und Wahlzeugen nach Nominierung, vergleichbar dem bereits zulässigen Austausch von Beisitzerinnen, Beisitzern und Vertrauenspersonen (vgl. Art. 1 Z 58, § 61 Abs. 1 NRWO);

•              Verankerung der Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Durchsetzung der Ordnungsgewalt der Wahlleiterin oder des Wahlleiters (bei Ahndung von Verwaltungsübertretungen) (vgl. Art. 1 Z 59 und 60, § 62 Abs. 3 und 4 NRWO);

•              Verankerung eines amtlichen Veröffentlichungsverbotes von Teilergebnissen (Gemeinden, Bezirke, Länder) vor Schließung aller Wahllokale in Österreich („Wahlschluss“), sanktioniert durch eine Verwaltungsstrafe (die Regelung ist die logische Konsequenz aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, mit dem der 2. Wahlgang zur Bundespräsidentenwahl 2016 aufgehoben worden ist) (vgl. Art. 1 Z 91, § 86 Abs. 6 NRWO);

•              Anpassung der Regelungen betreffend den Bundeswahlvorschlag an die Regelungen betreffend die Landeswahlvorschläge (in Hinkunft sollten das „Geburtsdatum“ und der „Geburtsort“ mit Blick auf das Erfordernis der Überprüfung gemäß § 106 NRWO auch auf Bundeswahlvorschlägen anzuführen sein (vgl. Art. 1 Z 101, § 106 Abs. 4 NRWO).“

Ein im Zuge der Debatte im Plenum des Nationalrates eingebrachter und beschlossener Abänderungsantrag wurde wie folgt begründet:

Zu den Z 3, 4 und 5, 11, 12 und 15 sowie 19, 20 und 22:

Mit diesen Änderungen sollen die Gründe für die Nichtigkeit von Wahlkarten entgegen ursprünglicher Intentionen aufgrund intensiver Diskussionen hinsichtlich des Verhältnisses von Ausüben des aktiven Wahlrechtes versus eines möglichen Eingriffs in das Wahlgeheimnis nicht erweitert, sondern an die Eigenverantwortung der Wählerinnen und Wähler appelliert werden.“

Zu den Z 1, 2, 6 bis 10, 13, 14 sowie 16 bis 18, 21 und 23:

Es werden redaktionelle Korrekturen vorgenommen, zu materiellen Änderungen kommt es dabei nicht.“

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 14. Februar 2023 in Verhandlung genommen.

Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA.

An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates Mag. Elisabeth Grossmann, Marco Schreuder, Mag. Franz Ebner, Andreas Arthur Spanring, Stefan Schennach.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 

Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin Heike Eder, BSc MBA gewählt.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2023 02 14

                          Heike Eder, BSc MBA                                                              Karl Bader

                                  Berichterstatterin                                                                      Vorsitzender