11174 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

über den Beschluss des Nationalrates vom 1. Februar 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über das Verfahren und den Schutz bei Hinweisen auf Rechtsverletzungen in bestimmten Rechtsbereichen (HinweisgeberInnenschutzgesetz – HSchG) erlassen wird und das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, das Vertrags­bedienstetengesetz 1948, das Richter- und Staatsanwaltsdienstgesetz, das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, das Land- und forstwirtschaftliche Landeslehrpersonen-Dienst­rechtsgesetz, das Landesvertragslehrpersonengesetz 1966, das Land- und forst­wirtschaftliche Landesvertragslehrpersonengesetz und das Rechtspraktikantengesetz geändert werden

Die Abgeordneten Peter Haubner, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Kolleginnen und Kollegen haben den dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates zugrundeliegenden Initiativantrag am 15. Dezember 2022 im Nationalrat eingebracht und – auszugsweise – wie folgt begründet:

Allgemeiner Teil

Als Whistleblowing ereignen sich international nun schon seit Jahrzehnten – zum Teil prominente und in Medien stark vertretene – Fälle, in denen es Menschen mit Insiderwissen gelingt, Rechtsverletzungen mit beträchtlichem Schaden für die Allgemeinheit aufzudecken und durch ihr Aufdecken weiteren Schaden zu verhindern. Whistleblower sind Personen, die aus ihrem beruflichen Umfeld Informationen über Praktiken wie Betrug, Korruption, Gesundheits-, Umweltgefährdungen erlangt haben und diese Informationen weitergeben.

In einem nicht spezifisch regulierten Umfeld riskieren Whistleblower, ungeachtet des oft hohen gesellschaftlichen Werts ihres Engagements Anfeindungen, existenzbedrohenden Gerichtsprozessen, Repressalien am Arbeitsplatz und in ihrem Privatleben bis hin zu physischen Bedrohungen ausgesetzt zu sein. Auch wenn sich Whistleblower auf Schutzbestimmungen und Rechtfertigungsgründe des allgemeinen Zivil-, Straf- und Arbeitsrechts berufen können, ist der faktische Druck der Anfeindungen und der Verfolgung aufgrund von Rechtsvorschriften enorm, die noch nicht dem gesamtgesellschaftlichen Interesse an Whistleblowing mittels spezifischer Schutzbestimmungen Rechnung tragen. Ein solches Risiko gehen Whistleblower insbesondere dann ein, wenn Whistleblowing die Preisgabe von Geschäfts-, Betriebs- oder anderen Geheimnissen in Kauf nehmen muss oder sich auf wirkmächtige Rechtsträger bezieht, denen eigene Einrichtungen der öffentlichen Kommunikation und der spezialisierten rechtskundigen Expertise jederzeit zur Verfügung stehen.

In Europa war Whistleblowing bislang Gegenstand der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und einer Empfehlung des Europarates zum Schutz von Whistleblowern aus dem Jahr 2014 (CM/Rec(2014)7). Auf EU-Ebene wurden bereits, insbesondere zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Elemente des Whistleblowerschutzes in einzelnen Rechtsakten und in Teilbereichen wie Finanzdienstleistungen, –produkte und –märkte, Wettbewerbsrecht oder für Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungsunternehmen, Glücksspielbetreiber, bestimmte Rechtsberufe u.a. verankert.

Innerstaatlich sind diese Rechtsakte z. B. im Abschlussprüfer-Aufsichtsgesetz, im Bankwesengesetz, im Bilanzbuchhaltungsgesetz 2014, im Börsegesetz, im Finanzmarkt-Geldwäschegesetz, in der Gewerbeordnung, im Glücksspielgesetz, Investmentfondsgesetz 2011, in der Notariatsordnung, im PRIIP-Vollzugsgesetz, in der Rechtsanwaltsordnung, im SFT-Vollzugsgesetz, im Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, im Wertpapieraufsichtsgesetz 2018, im Wettbewerbsgesetz, Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 und im Zentralverwahrer-Vollzugsgesetz umgesetzt.

Eine wiederum auf bestimmte Rechtsbereiche des Unionsrecht beschränkte, hinsichtlich der institutionellen Vorkehrungen und des Whistleblowerschutzes jedoch „horizontale“ Regelung des Whistleblowings ist nun mit der Richtlinie 2019/1937/EU zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, gegeben (im Folgenden „die Richtlinie“).

Die Richtlinie wurde am 26.11.2019 im Amtsblatt der Europäischen Union kundgemacht (ABl. Nr. L 305 vom 26.11.2019, S.17) und war bis zum 17.12.2021, hinsichtlich privater Unternehmen in Form juristischer Personen mit 50 bis 249 Beschäftigten ist sie spätestens bis zum 17.12.2023 in innerstaatliches Recht umzusetzen.

Der vorliegende Entwurf dient der Umsetzung dieser Richtlinie. Der Umsetzung liegt das Konzept zugrunde, die Bestimmungen vorerst auf die von der Richtlinie zwingend vorgegebenen Inhalte zu beschränken. Damit sollen die Belastungen, die für kleinere und mittlere Unternehmen mit den neuartigen Einrichtungen zur Ermöglichung des Whistleblowings verbunden sind, geringgehalten werden. Auf der anderen Seite ist im Gesetzentwurf (im Folgenden auch „HSchG“) die Option einer späteren Erweiterung des sachlichen Geltungsbereichs und der Instrumente zur Unterstützung des Whistleblowings enthalten. Über die Option, späterhin über die Umsetzung der Mindestinhalte der Richtlinie hinauszugehen und die gesetzlichen Bestimmungen zu erweitern, ist vom Gesetzgeber nach einer Auswertung der Erfahrungen mit dem HSchG zu entscheiden.

Wie in der Richtlinie steht im Entwurf anstelle des Begriffs „Whistleblower“ „Hinweisgeber“ bzw. „Hinweisgeberin“ und entsprechend anstelle von „Whistleblowing“ „Hinweisgebung“.

Im Wesentlichen sieht der vorliegende Entwurf Folgendes vor:

-       eine klare Abgrenzung der Personen und der Bereiche, die vom Hinweisgeberschutz umfasst sind, durch eine Bestimmung zum Zweck des HSchG, durch Legaldefinitionen, die Festlegungen zum persönlichen und sachlichen Geltungsbereich und zu den Voraussetzungen der Schutzwürdigkeit von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern;

-       regulative Vorkehrungen, um faktisch bereits etablierte Hinweisgebersysteme zu erhalten und bereits vorhandene Spezialbestimmungen zur Hinweisgebung nicht zu unterlaufen;

-       Bestimmungen zum Datenschutz, dem insbesondere im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Identität der Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber und dem Schutz der Rechte der von Hinweisgebung betroffenen Personen und sonstigen Rechtsträger besondere Bedeutung zukommt;

-       die Einrichtung von Meldestellen für die Hinweisgebung sowohl innerhalb als auch außerhalb eines Rechtsträgers;

-       Verfahren der Behandlung, Dokumentation, Aufbewahrung und Weiterverfolgung von Hinweisen;

-       besondere Maßnahmen des Rechtsschutzes für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber;

-       Verwaltungsstrafbestimmungen für die Behinderung von bzw. die Vergeltung an Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern, für wissentliche Falschinformationen durch Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber und für die rechtswidrige Preisgabe der Identität von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern;

-       die statistische Erfassung und Auswertung der Erfahrungen mit bisherigen Hinweisen als Grundlage für eine Entscheidung über allfällige spätere gesetzliche Anpassungen.

-       Anpassungen im Dienstrecht im Hinblick und unter Bedachtnahme auf das vorgeschlagene HSchG insbesondere zum Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern sowie hinsichtlich der Meldepflichten von Leiterinnen und Leitern der Meldestellen“

 

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 14. Februar 2023 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Bernhard Hirczy.

An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates Mag. Sascha Obrecht, Dr. Andrea Eder-Gitschthaler und Korinna Schumann.

Bei der Abstimmung wurde mehrstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (dafür: V, G, dagegen: S, F).

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Bernhard Hirczy gewählt.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2023 02 14

                               Bernhard Hirczy                                                            Korinna Schumann

                                   Berichterstatter                                                                         Vorsitzende