11219 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Finanzausschusses

über den Beschluss des Nationalrates vom 29. März 2023 betreffend ein Änderung der Vorbehalte und Notifikationen der Republik Österreich zum Mehrseitigen Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung

Das gegenständliche Beschluss des Nationalrates betrifft die Änderung der Vorbehalte und Notifikationen der Republik Österreich zum Mehrseitigen Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Multilateral Convention to Implement Tax Treaty-Related Measures to Prevent Base Erosion and Profit Shifting, in Folge: „MLI“). Die Änderung der Vorbehalte und Notifikationen bewirkt voraussichtlich eine Erweiterung des Geltungsbereiches des MLI auf weitere 34 österreichische Doppelbesteuerungsabkommen. 

Es ist nicht erforderlich, eine unmittelbare Anwendung des MLI im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Artikel 50 Absatz 2 Z 3 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das MLI Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf die Änderung der Vorbehalte und Notifikationen überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Absatz 2 Z 2 B-VG.

Das MLI dient der Umsetzung des Base Erosion and Profit Shifting (in Folge: „BEPS“) – Aktionsplans in die Doppelbesteuerungsabkommen der teilnehmenden Staaten. Der Begriff „BEPS“ bezeichnet dabei Maßnahmen der aggressiven internationalen Steuerplanung, durch die Gewinne künstlich an Orte verlagert werden, an denen sie nicht oder niedrig besteuert werden. Daher zielt der BEPS-Aktionsplan der OECD/G20-Staaten darauf ab, sicherzustellen, dass Gewinne an dem Ort besteuert werden, an dem die tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit, durch die sie erzielt werden, ausgeübt wird und an dem die Wertschöpfung stattfindet. Damit soll letztlich der Verlust von Unternehmenssteuereinnahmen verhindert werden. Laut neuesten Schätzungen betrugen die gesamten entgangenen Unternehmenssteuereinnahmen 3,7 Milliarden Euro für Österreich im Jahr 2019, wobei jedoch nur 5% davon auf Gewinnverlagerungen zurückzuführen sind.

Das MLI wurde als Teil des Aktionspunkts 15 des BEPS-Aktionsplans der OECD/G20 im Rahmen einer Ad Hoc Arbeitsgruppe – bestehend aus über 100 Ländern, darunter auch Österreich – ausgearbeitet. Diese Arbeitsgruppe wurde vom Fiskalkomitee der OECD basierend auf dem im Februar 2015 erteilten Mandat der am BEPS-Aktionsplan teilnehmenden Länder einberufen. Als Ausgangspunkt für das MLI diente der am 5. Oktober 2015 veröffentlichte Abschlussbericht für den Aktionspunkt 15.[1] Der Text des MLI wurde am 24. November 2016 finalisiert. Gemeinsam mit dem Text des MLI hat die Ad Hoc Gruppe auch das Explanatory Statement ausgearbeitet und angenommen, welches der Klarstellung der Vorgehensweise des MLI und der Auswirkungen jeder seiner Bestimmungen auf die vom Anwendungsbereich des MLI erfassten Doppelbesteuerungsabkommen dient.

Das MLI umfasst insbesondere Maßnahmen der BEPS-Aktionspunkte 2 (Hybride Gestaltungen), 6 (Verhinderung von Abkommensmissbrauch), 7 (Verhinderung der künstlichen Umgehung des Status als Betriebsstätte) sowie 14 (Streitbeilegungsmechanismen). Es beinhaltet zum einen Bestimmungen, die den BEPS-Mindeststandard darstellen und daher verpflichtend in die zu revidierenden Doppelbesteuerungsabkommen aufzunehmen sind. Zum anderen enthält das MLI zusätzliche, optionale und alternative Bestimmungen. Der Mindeststandard wurde vereinbart, um in besonders sensiblen Bereichen die einheitliche Umsetzung der BEPS-Maßnahmen sicherzustellen. Denn eine Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen in diesen Bereichen nur durch einige Staaten könnte negative Auswirkungen auf ihre Wettbewerbsfähigkeit haben. Daher haben sich alle OECD/G20-Staaten dazu verpflichtet, die Maßnahmen betreffend Abkommensmissbrauch (BEPS-Aktionspunkt 6) und Streitbeilegung (BEPS-Aktionspunkt 14) umzusetzen.

Der Mindeststandard modifiziert die Anwendung aller vom Anwendungsbereich des MLI erfasster österreichischer Doppelbesteuerungsabkommen, während die Optionen und Alternativen nur im Umfang der Aufnahmebereitschaft der Abkommenspartner anwendbar sind, da die Anwendung des Multilateralen Übereinkommens auf ein Abkommen davon abhängt, ob sich beide Abkommenspartner für die Anwendung der Option oder Alternative entschieden haben. Die Positionen Österreichs und seiner Abkommenspartner in Bezug auf diese Optionen und Alternativen kommen in den jeweiligen Vorbehalten und Notifikationen zum MLI zum Ausdruck, welche vom Depositar des MLI gesammelt und veröffentlicht wurden.[2]

Das MLI ermöglicht eine rasche, international abgestimmte und einheitliche Umsetzung der steuerabkommensbezogenen BEPS-Maßnahmen in einem multilateralen Zusammenhang. Durch die Unterzeichnung des MLI können gleichzeitig alle Abkommen eines Staates, welche vom Anwendungsbereich des MLI erfasst sind, in ihrer Anwendung modifiziert werden. Somit ist eine zeitgleiche und effiziente Anpassung der Doppelbesteuerungsabkommen möglich, ohne umfangreiche Ressourcen für bilaterale Neuverhandlungen der einzelnen Doppelbesteuerungsabkommen zu beanspruchen. Das MLI ist zugleich ein flexibles Instrument, da spätere Änderungen der Vorbehalte und Notifikationen der teilnehmenden Staaten möglich sind und Modifikationen der Anwendung der jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen hervorrufen.

Beim gegenständlichen Beschluss des Nationalrates handelt es sich um eine solche nachträgliche Änderung der ursprünglichen Vorbehalte und Notifikationen zum MLI. Die zum Zeitpunkt der Unterschrift und Ratifikation seitens der Republik Österreich abgegebenen Notifikationen (siehe BGBl. III Nr. 93/2018) sollen angepasst werden. Die Änderung betrifft die Erweiterung der Liste der durch das MLI zu erfassenden Doppelbesteuerungsabkommen und alle sich unmittelbar daraus ergebenden Folgenotifikationen. Alle ursprünglichen Positionen Österreichs werden in der geänderten Notifikation beibehalten. Im Besonderen Teil werden mit Stand 01.06.2022 alle Auswirkungen der österreichischen Notifikation für jede einzelne Bestimmung des MLI dargestellt.

Durch die Ausweitung des Geltungsbereichs des MLI trägt Österreich den jüngsten Arbeiten auf Ebene der OECD/G20 zur Bekämpfung von BEPS Rechnung und stellt sicher, dass österreichische Doppelbesteuerungsabkommen dem neuesten Stand des internationalen Steuerrechts entsprechen. Bei der Überprüfung der Umsetzung und Einhaltung der BEPS-Mindeststandards im Rahmen des sogenannten BEPS Peer Reviews verfolgt die OECD das ausdrückliche Ziel, die weitest mögliche Anwendung des MLI zu fördern. Österreich hat daher im Peer Review Bericht eine Empfehlung zur Erweiterung des Anwendungsbereichs des MLI erhalten.[3] Gleichzeitig wird durch die Vermeidung von BEPS das österreichische Steueraufkommen gesichert.

Ursprünglich hat Österreich nur jene 38 Doppelbesteuerungsabkommen als unter das Übereinkommen fallende Abkommen iSd Artikel 1 Absatz 1 lit. a Ziffer ii und Artikel 2 MLI notifiziert, bei denen die Abkommenspartner kurz nach Bekanntgabe des MLI zugesichert hatten, das MLI zu unterfertigen und ebenfalls eine entsprechende Notifikation vorzunehmen. Dadurch konnte sichergestellt werden, dass das MLI für alle von Österreich notifizierten Abkommen anwendbar sein würde und die Notifikation nicht ins Leere laufen würde. Seit der ursprünglichen Notifikation Österreichs ist die Anzahl an Signatarstaaten des MLI allerdings stetig gestiegen und es ist in Zukunft von einer weiteren Steigerung auszugehen.

Da Österreich ein ausgedehntes Netzwerk an Abkommen besitzt und nicht mit allen Abkommenspartnern bilaterale Verhandlungen geplant sind bzw. zweckmäßig erscheinen, ist die Notifikation weiterer österreichischer Abkommen die schnellste und kostensparendste Möglichkeit zur Einhaltung der im Rahmen des BEPS Projektes eingegangenen Verpflichtungen. Die gegenständliche Änderung der Vorbehalte und Notifikationen bringt daher alle österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen in den Geltungsbereich des MLI, die zurzeit nicht den BEPS-Mindeststandard erfüllen und die nicht bereits auf bilateralem Wege verhandelt werden, unabhängig davon, ob der jeweilige Abkommenspartner Österreich bereits notifiziert hat oder nicht und ob er derzeit bereits Signatar des MLI ist. Dies dient ebenfalls der Effizienz und Verwaltungsökonomie, da hierdurch die Notifikationen Österreichs voraussichtlich nicht erneut angepasst werden müssen.

Zugleich erfordert der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen Österreichs zu seinen Vertragspartnern die Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung durch Doppelbesteuerungsabkommen, die den neuesten Entwicklungen im internationalen Steuerrecht entsprechen. Es soll damit auch der Standort Österreich für den weiteren Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen gestärkt werden.

Durch die gegenständliche Notifikation wird der Geltungsbereich des MLI voraussichtlich auf folgende 34 Doppelbesteuerungsabkommen erweitert: Ägypten, Albanien, Algerien, Armenien, Aserbaidschan, Barbados, Belarus, Belize, Bosnien und Herzegowina, Dänemark, Georgien, Iran, Island, Kasachstan, Kirgisistan, Kuba, Libyen, Malaysia, Marokko, Moldau, Mongolei, Montenegro, Nepal, Nordmazedonien, Norwegen, Philippinen, San Marino, Saudi Arabien, Tadschikistan, Thailand, Tunesien, Turkmenistan, Venezuela und Vietnam.

Mit dem Inkrafttreten bzw. Wirksamwerden des Staatsvertrags werden keine wesentlichen finanziellen und keine personellen Wirkungen verbunden sein. Mehrerträge infolge der Bekämpfung von BEPS werden erwartet, können zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht quantifiziert werden. Unwesentliche höhere Aufwendungen sind im Bereich der Schiedsverfahren zu erwarten. Aus Erfahrungswerten der Vergangenheit wird mit einem zusätzlichen Schiedsverfahren bis 2028 gerechnet, wodurch Aufwendungen von insgesamt € 15.000 Euro für den Bund entstehen würden.

 

Der Finanzausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 12. April 2023 in Verhandlung genommen.

Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Mag. Franz Ebner.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen,

1.     gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2.     dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Ziffer 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Mag. Franz Ebner gewählt.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag,

1.     gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2.     dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Absatz 2 Ziffer 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Wien, 2023 04 12

                              Mag. Franz Ebner                                                                   Ingo Appé

                                   Berichterstatter                                                                        Vorsitzender



[1] OECD/G20, Developing a Multilateral Instrument to Modify Bilateral Tax Treaties, Action 15 - 2015 Final Report, https://www.oecd.org/tax/developing-a-multilateral-instrument-to-modify-bilateral-tax-treaties-action-15-2015-final-report-9789264241688-en.htm.

[2] Siehe OECD/G20, SIGNATORIES AND PARTIES TO THE MULTILATERAL CONVENTION TO IMPLEMENT TAX TREATY RELATED MEASURES TO PREVENT BASE EROSION AND PROFIT SHIFTING, https://www.oecd.org/ctp/treaties/beps-mli-signatories-and-parties.pdf (Stand 1. Juni 2022).

[3] Siehe OECD/G20, Prevention of Tax Treaty Abuse – Third Peer Review Report on Treaty Shopping, https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/d6cecbb8-en.pdf?expires=1649349184&id=id&accname=guest&checksum=4037AA520E14985548DDD9A432FFD1D3, S 43.