11233 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates
Bericht
des Geschäftsordnungsausschusses
über den Beschluss des Nationalrates vom 28. April betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz geändert wird
Die Abgeordneten Wolfgang Gerstl, Jörg Leichtfried, Philipp Schrangl, Agnes Sirkka Prammer, Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen haben den dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates zugrundeliegenden Initiativantrag am 1. März 2023 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Allgemeines
Anlässlich des seitens der Europäischen Kommission mit Mahnschreiben vom 2. Dezember 2021 gegen die Republik Österreich eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens Nr. 2021/2205 betreffend die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/958 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen, ABl. Nr. L 173 vom 9.7.2018 S. 25, setzte sich eine parlamentarische Arbeitsgruppe mit der Frage der Einführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung insbesondere bei parlamentarischen Gesetzesinitiativen auseinander. Mit dem vorliegenden Gesetzesantrag wird das Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz dahingehend erweitert, dass künftig auch Rechtsvorschriften, die durch parlamentarische Gesetzesinitiativen oder durch Volksbegehren initiiert oder im Nationalrat geändert werden, vor ihrer Erlassung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden. Ergänzende Regelungen sind im Geschäftsordnungsgesetz 1975 zu treffen.
Zu Z 1 (§ 4 Abs. 2 und 3):
Im Lichte des Art. 30 B‑VG ist die Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den Präsidenten bzw. die Präsidentin des Nationalrates unter Beiziehung des jeweils sachlich zuständigen Bundesministeriums in einer Verfassungsbestimmung zu regeln.
Gemäß dem neuen Abs. 2 wird grundsätzlich bei sämtlichen Gesetzesvorschlägen gemäß Art. 41 Abs. 1 und 2 B‑VG als zuständige Stelle für die Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Maßgabe des Bundesgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrates (vgl. künftig § 41a) der Präsident bzw. die Präsidentin des Nationalrates bestimmt, der bzw. die dabei das jeweils sachlich zuständige Bundesministerium beiziehen kann. Davon umfasst sind Gesetzesvorschläge, die als Anträge von Mitgliedern des Nationalrates (Selbständige Anträge von Abgeordneten gemäß § 26 des Geschäftsordnungsgesetzes 1975, Selbständige Anträge von Ausschüssen gemäß § 27 Abs. 1 des Geschäftsordnungsgesetzes 1975) oder als Anträge des Bundesrates oder eines Drittels seiner Mitglieder an den Nationalrat gelangen. Ferner umfasst sind Gesetzesvorschläge, die als Vorlagen der Bundesregierung an den Nationalrat gelangen, außer es wurde bereits eine Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß Abs. 1 durchgeführt und es kommt zu keiner Änderung im Nationalrat. Überdies umfasst sind Volksbegehren, die in Form von Gesetzesanträgen gestellt werden.
In der Praxis soll bereits der zuständige Ausschuss bezeichnen, welches Bundesministerium vom Präsidenten bzw. von der Präsidentin des Nationalrates bei der Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung beigezogen werden können soll. Im Falle von Sammelgesetzen ist es nicht ausgeschlossen, dass mehrere Bundesministerien sachlich zuständig sind; diesfalls können vom Präsidenten bzw. von der Präsidentin des Nationalrates mehrere Ressorts befasst werden. Die Befassung des bzw. der zuständigen Ressorts durch den Präsidenten bzw. die Präsidentin des Nationalrates erfolgt im Wege der von den Bundesministerien namhaft gemachten Verbindungsbeamten bzw. Verbindungsbeamtinnen. Die Bundesministerien sind mit Blick auf die dort vorhandene Fachexpertise im Fall einer Beiziehung verpflichtet, den Präsidenten bzw. die Präsidentin des Nationalrates bei der fristgerechten Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung in fachlicher Hinsicht zu unterstützen und insbesondere einen Vorschlag für die Verhältnismäßigkeitsprüfung zu erstellen. In welchen konkreten Fällen und wie die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelnen durchzuführen ist, richtet sich nach den bestehenden Regelungen des Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetzes in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/958 (vgl. insbesondere deren Art. 7).
Nähere Bestimmungen (insbesondere darüber, in welchen Fällen und unter welchen Rahmenbedingungen eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vom Präsidenten bzw. von der Präsidentin des Nationalrates durchzuführen ist) trifft das Geschäftsordnungsgesetz 1975.
Der bisherige Abs. 2 bleibt als neuer Abs. 3 inhaltlich unverändert.
Zu Z 2 (§ 7):
§ 23b Abs. 1 des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 sieht bereits eine allgemeine Begutachtung im Rahmen des parlamentarischen Begutachtungsverfahrens vor, die eine Stellungnahmemöglichkeit für die Bürger bzw. Bürgerinnen, Institutionen und sonstige Interessenträger bzw. Interessenträgerinnen umfasst (vgl. Art. 8 der genannten Richtlinie). § 7 soll daher nur in den Fällen des § 4 Abs. 1 (dies betrifft das vorparlamentarische Begutachtungsverfahren; vgl. schon die Erläuterungen zu RV 645 BlgNR XXVII. GP, 7) und Abs. 3 zur Anwendung kommen.
Das Ergebnis einer gemäß § 4 Abs. 2 durchgeführten Verhältnismäßigkeitsprüfung ist künftig gemäß § 41a Abs. 3 des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 vom Präsidenten bzw. von der Präsidentin des Nationalrates auf der Website des Parlaments zu veröffentlichen.
Zu Z 3 (§ 8 Abs. 1):
Abs. 1 wird dahingehend angepasst, dass dessen erster Satz nur in den Fällen des § 4 Abs. 1 und 3 zur Anwendung kommen soll. Im Falle des § 4 Abs. 2 soll jedoch nicht der Präsident bzw. die Präsidentin des Nationalrates verpflichtet werden, die betreffenden Vorschriften und Entwicklungen weiter zu überwachen, sondern jener Bundesminister bzw. jene Bundesministerin, in dessen bzw. deren Wirkungsbereich die jeweilige Angelegenheit nach dem Bundesministeriengesetz 1986 oder nach besonderen Vollziehungsvorschriften in den Materiengesetzen fällt.
Zu Z 4 (§ 9 Abs. 1 und 2):
Die Bestimmung wird durch den neuen Abs. 2 dahingehend ergänzt, dass im Falle des § 4 Abs. 2 die Vollziehung dieses Bundesgesetzes dem Präsidenten bzw. der Präsidentin des Nationalrates obliegt. Im Lichte des Art. 30 B‑VG ist dafür eine Verfassungsbestimmung erforderlich.“
Der Geschäftsordnungsausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 5. Juni 2023 in Verhandlung genommen.
Berichterstatter im Ausschuss war Bundesrat Markus Stotter, BA.
Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Bundesrat Markus Stotter, BA gewählt.
Der Geschäftsordnungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.
Wien, 2023 06 05
Markus Stotter, BA Elisabeth Grimling
Berichterstatter Vorsitzende