11261 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Gleichbehandlungsausschusses

über den Beschluss des Nationalrates vom 5. Juli 2023 betreffend eine Vereinbarung gemäß Artikel 15a B VG über Schutzunterkünfte und Begleitmaßnahmen für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder (Frauen-Schutzunterkunfts-Vereinbarung – FSchVE)

Auch in Österreich sind Frauen nach wie vor von geschlechtsspezifischer Gewalt[1] betroffen. In einer vom Bundeskanzleramt beauftragten im Jänner 2023 veröffentlichten Prävalenzstudie[2] gaben 34,1 % aller befragten Frauen an, im Laufe ihres Lebens bereits Opfer einer Form von körperlicher und/oder sexueller Gewalt[3] geworden zu sein. Im Hinblick auf Partnerschaftsgewalt gaben 16,41 % der befragten Frauen an, bereits von körperlicher und/oder sexueller Gewalt und 36,92% von psychischer Gewalt durch ihren Partner oder Expartner betroffen gewesen zu sein.

Neben dem Gewaltschutzgesetz, das als eines der ersten in Europa den Schutz vor häuslicher Gewalt in Österreich umfassend gesetzlich verankert hat, stellt sicherer und betreuter Wohnraum einen wesentlichen weiteren Eckpunkt im österreichischen System des Gewaltschutzes und der (weiteren) Gewaltprävention dar.

Abhängig vom Schutz- und Unterstützungsbedarf stehen betroffenen Frauen österreichweit unterschiedliche Angebote von sicherem und betreutem Wohnraum zur Verfügung. Gemeinsam ist ihnen das Ziel, betroffene Frauen und deren Kinder vor weiterer Gewalt zu schützen und sie in ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben zu begleiten.

Im vorliegenden Beschluss des Nationalrates werden zur Erfassung der unterschiedlichen Angebote und Bezeichnungen[4] Begriffsdefinitionen vorgenommen. Der Begriff „Schutzunterkunft“ wird als Überbegriff für alle in der Praxis bestehenden Angebote von vorübergehendem Wohnraum für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder verwendet. Diese Bezeichnung entspricht auch der in der Istanbul Konvention verwendeten Begrifflichkeit[5].

Der Überbegriff Schutzunterkunft wird in der Vereinbarung in zwei Unterkategorien ausdifferenziert: Einerseits der Begriff „Frauenhaus“, für Angebote für Frauen mit (noch) hohem Schutzbedarf. Sie verfügen über ein auch für Hochrisikofälle geeignetes Sicherheits-, Schutz-, Beratungs- und Betreuungskonzept. Andererseits der Begriff „Übergangwohnungen“, mit dem das verbleibende Spektrum an Schutzunterkünften abgedeckt wird. Übergangswohnungen bieten die Möglichkeit, gewaltbetroffenen Frauen, deren Gefährdungsgrad keine Unterbringung in einem Frauenhaus verlangt, vorübergehenden Wohnraum mit begleitender Beratung und Betreuung zur Verfügung zu stellen und sie nachhaltig auf ihrem Weg in ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben zu begleiten.

In der Praxis besteht nach wie vor ein hoher regionaler Bedarf an sogenannten Übergangswohnungen, weshalb der Fokus dieser Vereinbarung auf der Schaffung von zusätzlichen Übergangswohnungen liegt. Die Vereinbarung ist jedoch von dem Bestreben getragen eine bedarfsgerechte Vorgehensweise sicherzustellen und sieht somit auch die Möglichkeit vor, etwa zusätzliche Plätze in Frauenhäusern zu schaffen.

Um zu gewährleisten, dass der zusätzlich geschaffene Wohnraum auch betroffenen Frauen mit Kindern zur Verfügung steht, wird in der Vereinbarung vorgesehen, dass mit jedem zusätzlich geschaffenen Platz für eine betroffene Frau, sogenannter Frauenplatz, zumindest auch ein zusätzlicher Platz für ein (mit)betroffenes Kind geschaffen wird - in der Vereinbarung Kinderplatz genannt.

Als weitere Mindeststandards werden im gegenständlichen Beschluss des Nationalrates die bedarfsgerechte Ausstattung, ein bedarfsgerechtes Beratungs- und Betreuungsangebot im Durchschnitt von mindestens 4 Wochenstunden pro Frauenplatz im Durchrechnungszeitraum eines Jahres sowie die Gewährleistung der fachlichen Eignung des Trägers und dessen Kooperation mit relevanten Einrichtungen vorgesehen.

Mit dem gewährten Zweckzuschuss des Bundes sollen österreichweit mindestens 90 zusätzliche Frauenplätze und mindestens 90 zusätzliche Kinderplätze – insgesamt also mindestens 180 neue Plätze – in Schutzunterkünften, insbesondere Übergangswohnungen, geschaffen werden. Zusätzlich wird mit dem Zweckzuschuss des Bundes ein erheblicher Beitrag zum weiteren Ausbau des Beratungs- und Betreuungsangebots im Kontext von Schutzunterkünften geleistet.

Ein Teil des Zweckzuschusses ist zudem dem Erhalt des bereits bestehenden Angebots an Schutzunterkünften gewidmet.

Ein weiterer Eckpunkt des gegenständlichen Beschlusses des Nationalrates ist die Einrichtung einer bundesweiten Steuerungsgruppe unter Leitung der Nationalen Koordinierungsstelle[6]. Mit dieser soll der bundesweite und institutionalisierte Fachaustausch, die Zielerreichung der gegenständlichen Vereinbarung sowie die kontinuierliche, bedarfsgerechte Weiterentwicklung des Angebots an Schutzunterkünften inklusive einheitlicher Qualitätsstandards angestrebt werden.

Zudem wird die im Regierungsprogramm 2020–2024 vorgesehene Bereitstellung von Start- und Übergangswohnungen umgesetzt.

 

Der Gleichbehandlungsausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 11. Juli 2023 in Verhandlung genommen.

Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin Johanna Miesenberger.

Gemäß § 30 Abs. 2 GO-BR wurde beschlossen, Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky mit beratender Stimme an den Verhandlungen teilnehmen zu lassen.

An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates MMag. Elisabeth Kittl, BA, Dr. Andrea Eder-Gitschthaler, Mag. Daniela Gruber-Pruner, Ferdinand Tiefnig, Johanna Miesenberger und Klemens Kofler.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin Johanna Miesenberger gewählt.

Der Gleichbehandlungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2023 07 11

                          Johanna Miesenberger                                               Mag. Elisabeth Grossmann

                                  Berichterstatterin                                                                       Vorsitzende



[1] Zur Definition von geschlechtsspezifischer Gewalt siehe Art. 3 lit. d der Istanbul Konvention sowie die Erläuterungen hierzu.

[2] https://www.statistik.at/services/tools/services/publikationen/detail/1461.

[3] 8,7% der befragten Frauen gaben an, bereits Opfer von einer Vergewaltigung, 4,83% von einer versuchten Vergewaltigung und 20,9% von einer anderen Form von sexueller Gewalt gewesen zu sein. 

[4] Wie beispielsweise Frauenhaus, Schutz, Krisen- und Notwohnung.

[5] Siehe dazu Art. 23 der Istanbul Konvention.

[6] Die nationale Koordinierungsstelle wurde in Umsetzung von Art. 10 der Istanbul Konvention im Jahr 2015 in der Frauensektion des Bundeskanzleramtes eingerichtet.