11292 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Beschluss des Nationalrates vom 7. Juli 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch im Bereich der Korruptionsbekämpfung, das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, die Nationalrats-Wahlordnung 1992 und die Europawahlordnung geändert werden (Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2023 – KorrStrÄG 2023)

Im Regierungsprogramm 2020-2024 der österreichischen Bundesregierung nimmt die Korruptionsbekämpfung einen zentralen Punkt im Kapitel „Justiz & Konsumentenschutz“ (S. 21 ff) ein. Vor allem das Strafrecht soll neue Bedrohungslagen abbilden, um die Bevölkerung effektiv zu schützen und die Korruptionsbekämpfung effektiv voranzutreiben (Regierungsprogramm 2020-2024, S. 21). Dies soll konkret durch Schließung von Lücken im Korruptionsstrafrecht, etwa durch Einbeziehung von Personen in die Bestechungsbestimmungen, die sich um eine Funktion als Amtsträger bewerben, erfolgen (Regierungsprogramm 2020-2024, S. 27).

Diese Überlegungen greift der Beschluss auf und schlägt vor, die erforderliche Ausweitung der Korruptionsbekämpfung im Strafrecht nach folgenden Schwerpunkten vorzunehmen:

–      Definition des „Kandidaten für ein Amt“ in einem neuen § 74 Abs. 1 Z 4d StGB und Erweiterung der Strafbarkeit auf solche Kandidaten für ein Amt in § 304 Abs. 1a StGB (Bestechlichkeit) und § 307 Abs. 1a StGB (Bestechung);

–      Einführung des Straftatbestands „Mandatskauf“ (§ 265a StGB);

–      Einführung einer zusätzlichen Qualifikation bei 300 000 Euro übersteigendem Wert des Vorteils bei sämtlichen Korruptionsdelikten des öffentlichen Bereichs (§§ 304-307b StGB);

–      Einschränkung der Ausnahme der Strafbarkeit in § 305 Abs. 4 Z 2 StGB dahingehend, dass auch Personen aus dem Familienkreis (§ 166 Abs. 1 StGB) des Amtsträgers bzw. der Amtsträgerin oder des Schiedsrichters bzw. der Schiedsrichterin auf die Verwendung der Vorteile für gemeinnützige Zwecke (§ 35 BAO) keinen bestimmenden Einfluss ausüben dürfen.

Der neue Tatbestand des Mandatskaufs (§ 265a StGB) bezweckt wie die übrigen Delikte des 18. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB die Reinheit und Freiheit bei der demokratischen Willensbildung (Eder-Rieder in SbgK StGB Vorbem §§ 261ff StGB Rz 1). Die Bevölkerung soll darauf vertrauen können, dass Mandate in den gesetzgebenden Vertretungskörpern nicht bloß gegen Entgelt erlangt werden können. In die verfassungsgesetzlich abgesicherte Betätigungsfreiheit politischer Parteien (vgl. § 1 Abs. 3 Parteiengesetz 2012) soll dadurch gerade nicht unzulässig eingegriffen werden. So hat sich der Verfassungsgesetzgeber bewusst dafür entschieden, das Betätigungsfeld politischer Parteien möglichst weit zu gestalten und ausdrücklich normiert, dass eine Beschränkung der Tätigkeit politischer Parteien durch besondere Rechtsvorschriften unzulässig ist. Dieser Schutz der Betätigungsfreiheit erstreckt sich dementsprechend auch auf den Prozess der Listenerstellung für Wahlen zu allgemeinen Vertretungskörpern. Das Antreten zu Wahlen ist unmittelbar Ausfluss der demokratischen Mitwirkung im Sinne des demokratischen Grundprinzips. Dieser Prozess und eine darauf resultierende Zuteilung von Mandaten wird daher als besonders geschützte Tätigkeit einer Partei angesehen. Diesem Gedanken folgend sollte der Vorgang der Listenerstellung in keiner unzulässigen Weise beschränkt werden. Vielmehr verfolgt die neue Bestimmung des Mandatskaufs einen besonderen Schutz dieser Tätigkeit vor einer demokratieschädlichen Beeinflussung, was die Berührung der Betätigungsfreiheit von Parteien durch diesen neuen Straftatbestand rechtfertigt. Bestimmte Vorgaben zum Prozess einer Listenerstellung für eine Wahl, die über das bloße Verbot der Leistung oder Annahme eines unzulässigen Entgelts für die Zuteilung eines Mandats hinausgehen, werden durch die neue Bestimmung nicht getroffen.

Aufgrund seiner Bedeutung im demokratischen Gefüge soll die Anwendung des neuen Tatbestands des Mandatskaufs und auch der §§ 304 Abs. 1a und 307 Abs. 1a StGB einer Evaluierung für den Zeitraum bis 31. Dezember 2027 unterzogen werden. Über diese Evaluierung ist dem Nationalrat durch die Bundesministerin oder den Bundesminister für Justiz spätestens bis zum 30. Juni 2028 ein Bericht vorzulegen. Im Bericht ist auch die Anzahl der in Zusammenhang mit den genannten Bestimmungen geführten Verfahren (Anzeigen, anonyme Hinweise, Zurücklegungen von Anzeigen, Ermittlungsverfahren, Einstellungen von Ermittlungsverfahren, Anklagen, Urteile, Rechtsmittelentscheidungen) anzuführen.

In Ergänzung zu den vorgeschlagenen Änderungen im StGB sollen auch die Bestimmungen zur Wählbarkeit im Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates (in der Folge „NRWO“) und im Bundesgesetz über die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments (in der Folge „EuWO“) verschärft werden.

Schließlich wird auch die Deckelung der Höhe eines Tagessatzes im Verbandsverantwortlichkeitsgesetz angehoben.

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 11. Juli 2023 in Verhandlung genommen.

Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin Sandra Lassnig.

An der Debatte beteiligte sich das Mitglied des Bundesrates Dr. Andrea Eder-Gitschthaler.

Bei der Abstimmung wurde mehrstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (dafür: V, G, dagegen: S, F).

 

Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin Sandra Lassnig gewählt.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2023 07 11

                                 Sandra Lassnig                                                      MMag. Elisabeth Kittl, BA

                                  Berichterstatterin                                                                       Vorsitzende