11376 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Wirtschaftsausschusses

über den Beschluss des Nationalrates vom 14. Dezember 2023 betreffend ein Bundesgesetz über die höhere berufliche Bildung (HBB-Gesetz)

Der gegenständliche Beschluss des Nationalrates soll einen formalen (gesetzlich eingerichteten) qualitätsorientierten Rahmen bereitstellen, um die Höherqualifikation am Arbeitsmarkt praxisorientiert und entsprechend den Anforderungen der betroffenen Branchen systemisch zu unterstützen. Ziel ist es, Fachkräfte in inhaltlicher Anknüpfung an ihre berufliche Erstausbildung oder bereits erworbene Berufspraxis nach transparenten Kriterien, evidenzbasiert und tätigkeitsbezogen weiterzubilden.

Durch die Anknüpfung an die Qualifizierungsniveaus ab Stufe 5 des Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR) und damit des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) sollen höhere berufspraktische Qualifikationen auch international vergleichbarer werden. Das würde u.a. bei internationalen Auftragsvergaben eine verbesserte Darstellung des Qualifikationsniveaus der zum Einsatz kommenden Fachkräfte österreichischer Unternehmen ermöglichen.

Im Kontext des lebensbegleitenden Lernens soll jenen rund 1,6 Mio. Österreichinnen und Österreichern zwischen 25 und 64, die eine abgeschlossene Lehre als höchsten Bildungsabschluss aufweisen, und jenen ca. 870.000 Personen, die nach dem Pflichtschulabschluss eine mehrjährige berufliche Erfahrung erworben haben, auf berufspraktischen Weg ein formaler Bildungsabschluss und, damit verbunden, gesellschaftliche Anerkennung ermöglicht werden (vgl. Statistik Austria: Bildung in Zahlen 2021/22, Tabellenband, 3.1 Bildungsstand der Bevölkerung im Alter von 25 bis 64 Jahren, 1971 bis 2020). Gleichzeitig wird damit in vielen Berufsfeldern eine durchgängige Weiterbildungsperspektive mit formalen Bildungsabschlüssen geschaffen und die Wahl für einen Lehrberuf oder eine berufliche Ausbildung attraktiver.

Fachkräfte sollen v.a. dadurch profitieren, indem sie ihre berufliche Handlungskompetenz und ihr Know-How individuell erweitern können. HBB-Qualifikationen sollen somit auch die Vorbereitung berufstätiger Personen auf Leitungsaufgaben und spezialisierte fachliche Tätigkeiten in den Unternehmen unterstützen.

Als neues Segment im österreichischen Bildungssystem sollen Qualifikationen der höheren beruflichen Bildung nach diesem Bundesgesetz ein berufspraktisches Angebot der beruflichen Weiterbildung für praxisorientierte Lerntypen im Arbeitsleben bieten. Von bestehenden Angeboten sollen sie sich durch die Verbindung von Lernen und Arbeiten, eine überwiegend induktiv-praktische Didaktik, Learning on-the-job und die Anleitung von Praktiker/innen für Praktiker/innen unterscheiden. Lernorte sind Arbeitsort und Bildungseinrichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung. Die Lernergebnisse sollen durch den Bedarf des Arbeitsmarkts definiert werden. Die Qualitätssicherung soll im strukturierten Zusammenwirken von Qualifikationsanbieter und Validierungs- und Prüfungsstellen sowie in Vorbereitungskursen durch qualitätsgesicherte Bildungseinrichtungen der beruflichen Erwachsenenbildung erfolgen.

Um die neuen Bildungsangebote nachhaltig zu gestalten und im jeweiligen Branchenumfeld breite Akzeptanz zu gewährleisten, sollen bei der Entwicklung der Qualifikationsstandards Expertinnen und Experten der jeweiligen Berufe und Branchen, die Sozialpartner und die Berufsbildungsforschung eingebunden werden.

Der gegenständliche Beschluss des Nationalrates soll damit einen wesentlichen Beitrag leisten, die für die Bewältigung der Herausforderungen der kommenden Jahre (und Jahrzehnte), insb. betreffend Know-How in den Bereichen Digitalisierung, Klimaschutz und Nachhaltigkeit, erforderlichen Kompetenzen in transparenten Verfahren anforderungsgerecht inhaltlich und strukturell weiterzuentwickeln. Unternehmen sollen aufgrund der einzuhaltenden Qualitätskriterien die berufliche Weiterbildung und Entwicklung ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen besser unterstützen können.

Qualifikationen, die aufgrund des neuen Gesetztes eingerichtet werden, sollen auf die unmittelbare berufliche Anwendung fokussieren. Im Unterschied zu den Bestimmungen zu den Zielen und leitenden Grundsätzen der Fachhochschulen (§ 3 FHG) sollen HBB-Qualifikationen kein wissenschaftlich orientierter Bildungsweg, sondern aufgrund nachgewiesener Evidenz nachgefragte Kompetenzen, die zur unmittelbaren Berufsausübung erforderlich sind, zugrunde liegen. Die Vermittlung von HBB-Qualifikationen erfolgt nicht im hochschulischen Kontext und nicht auf Grundlage der Regelungen für den Europäischen Hochschulraum (Bologna-Prozess / Dublin-Deskriptoren), sondern überwiegend in der betrieblichen Praxis und durch ergänzende fachspezifische Ausbildungsangebote der beruflichen Erwachsenenbildung.

Das HBB-Gesetz soll damit auch die gesetzlichen Voraussetzungen zur Etablierung eines neuen Systems der formalen Anerkennung beruflicher Praxis nach dem Vorbild der Zertifizierung zur Ingenieurin oder zum Ingenieur gemäß IngG 2017, insb. für kaufmännische, touristische, kunstgewerbliche, sozialwirtschaftliche Berufe oder weitere berufliche Tätigkeiten, sofern diese in die Regelungskompetenz des Bundes fallen und nicht sondergesetzlichen Regelungen unterliegen (vgl. z.B. das Ausbildungsvorbehaltsgesetz, BGBl. Nr. 378/1996, in der jeweils geltenden Fassung), schaffen.

Mit dem neuen Bundesgesetz soll Österreich auch den Zielen der von allen Mitgliedstaaten der EU im November 2020 angenommenen Osnabrücker Erklärung entsprechen, die den Ausbau der beruflichen Bildung auf den höheren EQR-Stufen vorsieht (publiziert u.a. auf der Website von CEDEFOP – Europäischen Zentrums für die Berufsbildung der Europäischen Union).

Es ist geplant, die Einführung des Gesetzes und die ersten Jahre der Umsetzung wissenschaftlich zu begleiten und zu evaluieren. Im Zuge der Evaluierung sollen insb. die Wirkungen der neuen gesetzlichen Systematik, der Nutzen sowohl für Absolventinnen und Absolventen als auch für Unternehmen sowie die Funktionalität und Adäquanz der geregelten Verfahren im Hinblick auf die zu erreichenden Zielgruppen, unter Berücksichtigung der Kosten-/Nutzenentwicklungen der einzelnen Qualifikationen, erhoben werden.

Die durch die Einführung des neuen Gesetzes bedingten Kostenfolgen für den öffentlichen Haushalt betreffen zusätzliche Personalressourcen im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft zur Vollziehung der vorgesehenen Verfahren sowie Werkleistungen für wissenschaftliche Begleitung und Bildungsdokumentation. Hinsichtlich der Details ist auf die Wirkungsorientierte Folgenabschätzung zu verweisen.

Das Inkrafttreten ist für den auf die Kundmachung folgenden Tag, frühestens jedoch für den 1. Jänner 2024 geplant.

 

Der Wirtschaftsausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 19. Dezember 2023 in Verhandlung genommen.

Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA.

Gemäß § 30 Abs. 2 GO-BR wurde beschlossen, Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky mit beratender Stimme an den Verhandlungen teilnehmen zu lassen.

An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates Andrea Michaela Schartel und Mag. Christine Schwarz-Fuchs.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin Elisabeth Wolff, BA gewählt.


 

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage einstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2023 12 19

                            Elisabeth Wolff, BA                                                    Alexandra Platzer, MBA

                                  Berichterstatterin                                                                       Vorsitzende