11395 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates

 

Bericht

des Justizausschusses

über den Beschluss des Nationalrates vom 15. Dezember 2023 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Verbotsgesetz 1947, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008, das Abzeichengesetz 1960, das Uniform-Verbotsgesetz und das Symbole-Gesetz geändert werden (Verbotsgesetz-Novelle 2023)

Allgemeiner Teil

Das Verbotsgesetz (Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP, BGBl. Nr. 13/1945, in der Folge kurz: VerbotsG), trat in seiner Stammfassung mit 6. Juni 1945 in Kraft. Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 6. Februar 1947 über die Behandlung der Nationalsozialisten (Nationalsozialistengesetz), BGBl. Nr. 25/1947, wurden die meisten der heute noch geltenden Straftatbestände, nämlich die §§ 3a bis 3g VerbotsG, eingeführt. Mit der VerbotsG-Novelle 1992 (Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Verbotsgesetz geändert wird, BGBl. Nr. 148/1992) schließlich wurde § 3h VerbotsG als neuer Tatbestand in das Gesetz aufgenommen und § 3g VerbotsG wesentlich überarbeitet. Seit dem Jahr 1992 sind keine Änderungen mehr an dem Gesetz vorgenommen worden. Die Strafbestimmungen gehören also großteils seit mehr als 75 Jahren dem Rechtsbestand an und haben nur geringfügige Weiterentwicklungen und Anpassungen an gesellschaftliche, politische und technische Veränderungen erfahren.

Die Bundesregierung hat es sich zur Aufgabe gemacht, das VerbotsG zu evaluieren und den Bedarf nach einer Überarbeitung auszuloten. Das Regierungsprogramm für die Jahre 2020 bis 2024 enthält dazu folgenden Arbeitsauftrag:

„Kampf gegen den Antisemitismus – Überarbeitung des Verbotsgesetzes

–      Evaluierung und allfällige legistische Überarbeitung des VerbotsG unter dem Aspekt der inländischen Gerichtsbarkeit, insbesondere in Hinblick auf die Äußerungsdelikte der §§ 3g und 3h VerbotsG und Schließen weiterer Lücken (z. B. Teilleugnung)

–      Prüfung einer Möglichkeit der Einziehung von NS-Devotionalien unabhängig von der Verwirklichung einer mit Strafe bedrohten Handlung und Evaluierung des Abzeichengesetzes“

Die am 21. Jänner 2021 präsentierte Nationale Strategie gegen Antisemitismus enthält in ihren Maßnahmen Nr. 4 und 5 ähnlich formulierte Aufträge.

In Durchführung dieses Arbeitsauftrags hat das Bundesministerium für Justiz im Jahr 2021 eine Arbeitsgruppe zur Evaluierung des VerbotsG eingerichtet, in deren Rahmen der Überarbeitungsbedarf diskutiert, die Bedürfnisse der Praxis ausgelotet und die historischen und verfassungsrechtlichen Grundlagen angesprochen werden sollten. Die Arbeitsgruppe nahm ihre Tätigkeit im Herbst 2021 auf und setzte sich aus Vertreter:innen der Zivilgesellschaft (Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands, Israelitische Kultusgemeinde, Mauthausenkomitee), Praktikern (Vereinigung der Österreichischen Richterinnen und Richter, Vereinigung der Österreichischen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Österreichischer Rechtsanwaltskammertag) und Wissenschaftlern (Zentrale Österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz, Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren für Verfassungs- und Rechtsgeschichte, für öffentliches Recht und für Strafrecht) zusammen. Die Arbeitsgruppe hielt vier Sitzungen ab; sie schloss ihre Arbeiten im September 2022 ab. Der Abschlussbericht wurde am 14. November 2022 der Öffentlichkeit präsentiert; er verortet folgenden legistischen Handlungsbedarf in Bezug auf das VerbotsG:

1.     Inländische Gerichtsbarkeit: Die Arbeitsgruppe bejahte die Notwendigkeit einer Ausdehnung der österreichischen Strafgewalt auf bestimmte, im Ausland gesetzte Verhaltensweisen, die unter das VerbotsG fallen, lehnte aber gleichzeitig eine weltweite Zuständigkeit Österreichs ab.

2.     Strafrahmen, diversionelle Erledigung: Die Arbeitsgruppe sah die durchwegs hohen Strafrahmen des VerbotsG kritisch und erachtete eine Differenzierung zur Erhöhung der Effizienz und Praktikabilität als sinnvoll. Dazu wurde in die Arbeitsgruppe ein Vorschlag zur Differenzierung der Strafrahmen der §§ 3g und 3h VerbotsG eingebracht, die mit einer Präzisierung der Tatbestände einhergehen sollte. Die Ermöglichung der diversionellen Erledigung von Strafverfahren nach dem VerbotsG insbesondere im niederschwelligen Bereich der Äußerungsdelikte wurde durchwegs befürwortet.

3.     Schließen von Strafbarkeitslücken: Die Arbeitsgruppe verortete keine wesentlichen Strafbarkeitslücken, erachtete aber Präzisierungen und Klarstellungen in Zusammenhang mit den §§ 3g und 3h VerbotsG als sinnvoll. § 3h VerbotsG sollte durch die Streichung des Wortes „gröblich“ klarer gestaltet werden.

4.     Einziehung von NS-Devotionalien: Die Arbeitsgruppe hielt fest, dass NS-Devotionalien auch ohne Zusammenhang mit einer Wiederbetätigungshandlung eingezogen werden können sollten.

Der vorliegende Gesetzesvorschlag dient der Umsetzung der Empfehlungen der Arbeitsgruppe und soll in seiner Gesamtheit zu einem modernen, praktikableren und damit effizienteren VerbotsG führen, das nationalsozialistischer (Wieder-)Betätigung auf Ebene des Strafrechts weiterhin und mit Blick auf die seit 1992 veränderten gesellschaftlichen, aber auch technischen Gegebenheiten (Stichwort neue Medien) wirksam entgegenzutreten vermag. Zu diesem Zweck werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

1.     Umstrukturierung der Tatbestände der §§ 3g und 3h VerbotsG durch stärkere Differenzierung im Hinblick auf die unterschiedlichen Erscheinungsformen der von diesen Bestimmungen erfassten Straftaten und Aufteilung jeweils in ein niederschwelliges Grunddelikt (Strafdrohung: sechs Monate bis fünf Jahre) und zwei Qualifikationen (Strafdrohung: ein bis zehn Jahre und zehn bis zwanzig Jahre), deutliche Verschärfung der nunmehr zweiten Qualifikation durch Einführung einer Untergrenze von zehn Jahren;

2.     Aufgliederung der übrigen Tatbestände des VerbotsG (§§ 3a, 3b, 3d, 3e, 3f) in Grunddelikt und Qualifikation, jedoch ohne inhaltliche Änderung;

3.     Ausdehnung der österreichischen Strafgewalt auf im Ausland gesetzte Verhaltensweisen, die unter die Tatbestände der §§ 3a, 3b, 3d, 3g und 3h VerbotsG fallen;

4.     Einführung eines zwingenden Amts- und Funktionsverlustes für Beamtinnen und Beamte sowie Vertragsbedienstete bei rechtskräftiger Verurteilung wegen einer unter einen Tatbestand des VerbotsG fallenden strafbaren Handlung;

5.     Einführung einer Möglichkeit, NS-Propagandamaterial auch ohne Zusammenhang mit einer konkreten mit Strafe bedrohten Handlung einzuziehen.

Neben diesen Maßnahmen soll auch die Strafbestimmung in Art. III Abs. 1 Z 4 Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 – EGVG, BGBl. I Nr. 87/2008, an die vorgeschlagenen Änderungen des VerbotsG angepasst werden. Darüber hinaus sollen die Strafdrohungen für die Übertretung dieser Bestimmung und der in engem inhaltlichen Zusammenhang mit dieser stehenden Bestimmungen in § 3 Abzeichengesetz und in § 3 Symbole-Gesetz erhöht werden.

Das derzeit in § 2 Uniform-Verbotsgesetz als gerichtlich strafbarer Tatbestand konzipierte Tragen von Uniformen der deutschen Wehrmacht soll ins Verwaltungsstrafrecht überführt und dort mit derselben Strafdrohung wie die Bestimmungen im Abzeichengesetz, im Symbole-Gesetz und im EGVG versehen werden.

Auswirkungen auf die Beschäftigungslage und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 1 B-VG („Bundesverfassung ...“) und Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG („Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit ...“).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Beim VerbotsG handelt es sich um ein Bundesverfassungsgesetz. Es kann gemäß Art. 44 Abs. 1 B-VG vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

Ein im Zuge der Debatte im Ausschuss des Nationalrates eingebrachter und beschlossener Abänderungsantrag wurde wie folgt begründet:

„Durch die VerbotsG-Novelle 2023 soll in einigen niederschwelligen Bereichen des VerbotsG (§ 3g Abs. 1 und § 3h Abs. 1 VerbotsG) auch die diversionelle Erledigung von Strafverfahren ermöglicht werden. Übernimmt der Beschuldigte oder Angeklagte in deren Rahmen eine Verpflichtung zur Absolvierung eines pädagogisch begleiteten Programms zur Sensibilisierung für den nationalsozialistischen Völkermord oder andere nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit, so sollen künftig die Kosten für ein derartiges Programm grundsätzlich vom Bund getragen werden (§ 3o Abs. 1 erster Satz). Der Beschuldigte bzw. Angeklagte soll jedoch dazu verpflichtet sein, einen Beitrag von bis zu 500 Euro zu diesen Kosten zu leisten (§ 3o Abs. 1 zweiter Satz), wobei die Höhe dieses Beitrags bzw. die Frage, ob überhaupt ein derartiger Beitrag zu leisten ist, von seiner persönlichen Leistungsfähigkeit abhängig sein soll. Die diesbezüglichen Kriterien (keine dadurch eintretende Gefährdung des zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts des Beschuldigten oder Angeklagten und der Personen, zu deren Unterhalt er verpflichtet ist) sind den Regelungen in § 41 Abs. 2 SMG nachgebildet, für Jugendliche und junge Erwachsene gelten dieselben Parameter wie in § 45 Abs. 2 (iVm § 46a) JGG (§ 3o Abs. 1 dritter Satz). Ergänzend sollen die Kriterien der Bemessung des Pauschalkostenbeitrags nach § 381 Abs. 5 StPO herangezogen werden (§ 3o Abs. 1 letzter Satz).

Für das Verfahren zur Bestimmung der Kosten soll § 3o Abs. 2 dasselbe Prozedere wie § 41 Abs. 5 SMG und § 46 Abs. 1 vorletzter Satz JGG vorsehen: Die Kosten sollen durch das zuständige Gericht mit Beschluss bestimmt werden, als Rechtsmittel soll die Beschwerde an das übergeordnete Gericht zustehen.

Schließlich soll (ähnlich wie in § 46 Abs. 2 JGG und § 41 Abs. 3 SMG) die Bundesministerin für Justiz zum Abschluss von Verträgen mit Einrichtungen, die pädagogisch begleitete Programme zur Sensibilisierung für den nationalsozialistischen Völkermord und andere nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit anbieten, ermächtigt werden, wobei Pauschalsätze vereinbart werden können (§ 3o Abs. 3).

Die diversionelle Erledigung von Strafverfahren nach dem VerbotsG soll – insbesondere unter dem eine Voraussetzung der Diversion bildendenden Aspekt der Spezial- und Generalprävention (§ 198 Abs. 1 StPO) – bei gefestigter Ideologie des Beschuldigten oder Angeklagten jedenfalls ausscheiden (vgl. dazu bereits die Erläuterungen zur RV 2285 d.B. XXVII. GP, 4). Zur laufenden Evaluierung dieser bereits von den allgemeinen Voraussetzungen der diversionellen Erledigung in der StPO vorgegebenen Einschränkung sowie der diversionellen Erledigung von Verfahren nach dem VerbotsG im Allgemeinen sollen die mit der Bundesministerin für Justiz nach Abs. 3 vertraglich verbundenen Einrichtungen oder Vereinigungen dazu verpflichtet sein, einmal jährlich der Bundesministerin für Justiz über ihre Tätigkeit im Vorjahr Bericht zu erstatten. Dabei sollen sie auch insbesondere darüber berichten, ob die vom Gesetzgeber beabsichtigte Ausnahme von Personen mit gefestigter Gesinnung von der Möglichkeit der diversionellen Erledigungen in der Praxis bei der Zuweisung von Beschuldigten bzw. Angeklagten an die Einrichtungen und Vereinigungen durch die Gerichte und die Staatsanwaltschaften tatsächlich umgesetzt wurde. Die Ergebnisse aus dieser laufenden Berichterstattung sollen als Basis für die Evaluierung der diversionellen Erledigung im Rahmen von Verfahren nach dem VerbotsG dienen und daraus allenfalls entstehenden (legistischen oder praktischen) Handlungsbedarf ans Licht bringen.“

Ein im Zuge der Debatte im Plenum des Nationalrates eingebrachter und beschlossener Abänderungsantrag wurde wie folgt begründet:

„Zu Z 1:

Es handelt sich um die Behebung eines Redaktionsversehens.

Zu Z 2:

Durch den neuen Straftatbestand des Art. III Abs. 1 Z 3a EGVG sollen gewisse Strafbarkeitslücken geschlossen werden:

–      Die Herabwürdigung der Fahne der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer ist gemäß § 248 Abs. 2 des Strafgesetzbuches – StGB, BGBl. Nr. 60/1974, nur dann (gerichtlich) strafbar, wenn diese aus einem öffentlichen Anlass oder bei einer allgemein zugänglichen Veranstaltung gezeigt wird, die Herabwürdigung eines Hoheitszeichens nur dann, wenn es von einer österreichischen Behörde angebracht worden ist.

–      Die Herabwürdigung einer Fahne oder eines Hoheitszeichens eines fremden Staates oder einer zwischenstaatlichen Einrichtung ist gemäß § 317 StGB nur dann (gerichtlich) strafbar, wenn sie (bzw. es) von einer inländischen Behörde oder von einer Vertretung des fremden Staates oder der zwischenstaatlichen Einrichtung nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts oder nach zwischenstaatlichen Vereinbarungen angebracht worden ist.

Strafbar soll nach diesem Auffangtatbestand – ebenso wie nach den §§ 248 Abs. 2 und 317 StGB – (nur) sein, wer eine Fahne oder ein Hoheitszeichen in gehässiger Weise tätlich herabwürdigt. Eine gehässige Weise liegt vor, „wenn die Tat aus Hass geschieht oder wenn sie so begangen wird, als würde sie von Hass diktiert. Bloße geschmacklose Verunglimpfung genügt daher nicht.“ (Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 248 Rz. 2 [Stand 10.3.2022, rdb.at]). Dies soll eine Einschränkung der Strafbarkeit bewirken (vgl. mutatis mutandis Tipold in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 317 Rz. 4 [Stand 20.1.2021, rdb.at]). Kunst und Gehässigkeit schließen einander jedenfalls aus (vgl. Tipold, aaO, Rz. 8). Die wie immer geartete Herabwürdigung einer Hymne ist nicht tatbildlich. Unmutsäußerungen wie etwa das bloße Zeigen einer durchgestrichenen Fahne als Zeichen der Meinungsbekundung ohne zusätzliche Tathandlungen werden nicht tatbildlich sein, sehr wohl aber zum Beispiel die Verächtlichmachung durch das Verbrennen, das Zerreißen oder das Herunterreißen.

§ 22 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991, BGBl. Nr. 52/1991, wonach eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar ist, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, soll unberührt bleiben.

Die den Straftatbestand des Art. III Abs. 1 Z 4 EGVG betreffenden Regelungen sollen aus der Regierungsvorlage inhaltlich unverändert übernommen werden.“

Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Beschluss des Nationalrates in seiner Sitzung am 19. Dezember 2023 in Verhandlung genommen.

Berichterstatterin im Ausschuss war Bundesrätin Klara Neurauter.

Gemäß § 30 Abs. 2 GO-BR wurde beschlossen, Bundesrat MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky mit beratender Stimme an den Verhandlungen teilnehmen zu lassen.

An der Debatte beteiligten sich die Mitglieder des Bundesrates Stefan Schennach und Barbara Prügl.

Bei der Abstimmung wurde mehrstimmig beschlossen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben (dafür: V, S, G, dagegen: F).

Zur Berichterstatterin für das Plenum wurde Bundesrätin Klara Neurauter gewählt.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage mehrstimmig den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Wien, 2023 12 19

                               Klara Neurauter                                                     MMag. Elisabeth Kittl, BA

                                  Berichterstatterin                                                                       Vorsitzende